Einspruchsfrist

Bieterinnen und Bieter haben die Möglichkeit, Vergabeverstöße innerhalb eines Vergabeverfahrens zu rügen. Dafür müssen sie jedoch die sogenannte Einspruchsfrist einhalten. Innerhalb dieser Frist können die Antragsteller:innen einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer einreichen. Wird die Einspruchsfrist für Vergaben nicht eingehalten, können die Verstöße in einem späteren Nachprüfungsverfahren nicht geltend gemacht werden.

Was ist die Einspruchsfrist?

Die Einspruchsfrist im Vergaberecht ermöglicht es Bieter:innen innerhalb eines vorgegebenen Zeitraums, entdeckte Verstöße gegen die Vorschriften des Vergaberechts zu rügen. Dafür werden Anträge bei einer zuständigen Vergabekammer eingereicht, die daraufhin ein Nachprüfungsverfahren einleiten kann. Wie lang die einzuhaltende Frist ausfällt, hängt von der Art der Vergabe und dem Gültigkeitsbereich ab. Voraussetzung für die Verfolgung einer Rüge ist jedoch, dass der oder die Antragssteller:in zuvor selbst ein Angebot abgegeben hat. Nur dann liegt ein beabsichtigtes Rechtsschutzinteresse vor.

Wie ist die Einspruchsfrist im Vergaberecht geregelt?

Für die Festlegung einer angemessenen Einspruchsfrist von Vergaben unterscheidet man unterschiedliche Vergabearten und Geltungsbereiche.

Ober- vs. Unterschwellenbereich

Bei Vergaben im Oberschwellenbereich gelten grundsätzlich die EU-Vergaberichtlinien. Dort wird der vergaberechtliche Rechtsschutz der Bieter:innen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt. Nach § 160 Abs.3 GWB beträgt die Frist für Rügen zehn Kalendertage nach Erkennen des Verstoßes, sofern dieser bereits im Vergabeverfahren ersichtlich ist. Nur das, was vor Ablauf der Angebotsfrist eingereicht wurde, kann nachher als Antrag geltend gemacht werden.

Vergaben im Unterschwellenbereich haben keine Einspruchsfrist gemäß der EU-Vergabe. Auf nationaler Ebene legen die jeweils zuständigen Vergabekammern die Fristen fest. In Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gibt es jedoch auch Rechtsschutzverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte, wenn bestimmte Auftragswerte erreicht werden. Folgende Einspruchsfristen werden in den Landesgesetzen vorgeschrieben:

  • Sachsen: zehn Kalendertage (§ 8 SächsVG)
  • Sachsen-Anhalt: sieben Kalendertage (§ 19 LVG-LSA)
  • Thüringen: sieben Kalendertage (§ 19 ThürVgG)

Innerhalb dieser Zeit müssen die Bieter:innen auch über die Gründe einer Nichtberücksichtigung im Vergabeverfahren benachrichtigt werden.

Differenzierung nach Vertragsarten

Die Einspruchsfrist von zehn Kalendertagen nach § 160 Abs.3 GWB gilt grundsätzlich für Vergaben von öffentlichen Ausschreibungen. Ausnahmen bestehen für Verstöße gegen die Vorschriften, die erst nach Bekanntwerden der Bezuschlagungsbeabsichtigung der Vergabestelle erkennbar sind. In diesem Fall kann auch nach Ablauf der Angebotsfrist Einspruch eingelegt werden. Verstöße, die erst in den Vergabeunterlagen feststellbar sind, können bis zum Ende der Frist zur Angebotsabgabe gerügt werden.
Bei offenen Verfahren gelten wiederum abweichende Fristen. Die Einspruchsfrist für die Vergaben von Bauleistungen wird in der VOB/A geregelt. Gemäß § 10a Abs.1 beträgt die Angebotsfrist in offenen Verfahren 35 Kalendertage. Innerhalb dieser Zeit können die Bieterinnen und Bieter rügen. In Ausnahmefällen nach § 10a Abs.2 VOB/A kann die Frist auf 15 Kalendertage verkürzt werden, wenn zuvor den Vorschriften entsprechende Vorabinformationen zur Auftragsbekanntmachung veröffentlicht wurden. Außerdem darf die Frist um fünf Kalendertage verkürzt werden, wenn die Angebote auch in digitaler Form eingereicht werden können (§ 10a Abs.4 VOB/A).
Darüber hinaus gilt für freihändige Vergaben nach § 10 Abs.1 VOB/A eine Einspruchs- und auch Angebotsfrist von zehn Kalendertagen. Die Anwendung des Paragrafen für freihändige Vergaben gilt insofern, da dort keine Unterscheidung nach bestimmten Vergabearten vorgenommen wird.

Vertragsart

Einspruchsfrist

Rechtsvorschrift

Ausnahme

öffentliche Ausschreibungen

zehn Kalendertage

§ 160 Abs.3 GWB

- Verstöße, die erst in den Vergabeunterlagen feststellbar sind: bis Ende der Angebotsfrist
- Verstöße, die erst bei Bekanntmachung der Bezuschlagungsbeabsichtigung erkennbar sind: auch nach Ablauf der Angebotsfrist

offene Verfahren

35 Kalendertage

§ 10a Abs.1 VOB/A

- kann auf 15 Kalendertage verkürzt werden nach § 10a Abs.2 VOB/A
- kann um fünf Kalendertage gekürzt werden nach § 10a Abs.4 VOB/A

freihändige Vergaben

zehn Kalendertage

§ 10 Abs.1 VOB/A

Welche Bedeutung hat die Einspruchsfrist im Vergaberecht?

Durch die Einspruchsfrist wird es Bieter:innen ermöglicht, gegen Verstöße an den Vergaberichtlinien vorzugehen. Sehr kurze Antworten auf Bieterfragen oder auch Hinweise auf Vorakquisen in der Leistungsbeschreibung können darauf hindeuten, dass kein rechtmäßiger Wettbewerb vorliegt. Jedoch sollten sich die Personen vorher genau überlegen, wie sinnvoll ein Einspruch in dem jeweiligen Fall ist. Wenn man sich beispielsweise sicher ist, bei einer Vergabestelle zukünftig keinen Auftrag zu erhalten, kann es nützlich sein, Rügen einzureichen und Rechtmäßigkeit sicherzustellen. Oftmals werden die Anträge auch nur dann an die Vorgesetzten weitergeleitet, wodurch ein Erfolg wahrscheinlicher wird. Außerdem haben die Antragsteller:innen unter diesen Umständen oft weniger zu verlieren. Sollten Sie jedoch eine positive Geschäftsbeziehung zu einer Vergabestelle haben, ist es sinnvoll, sich zu fragen, ob ein Einspruch einem tatsächlich einen Vorteil verschaffen wird.

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