Mit einem Nebenangebot oder einer Variante können Bieter:innen bessere Lösungen in ihre Angebote aufnehmen. Ist seiner oder ihrer professionellen Meinung nach eine passendere, fortschrittlichere oder günstigere Alternative machbar, kann er oder sie diese mit einem Nebenangebot dem öffentlichen Auftraggeber bezihungsweise der öffentlichen Auftraggeberin bekannt machen. Das Nebenangebot ist insbesondere für spezialisierte Bauunternehmen, Start-ups oder Unternehmen des Technologiesektors interessant, um so ihre Expertise hervorzuheben. Die Fachinformationen der Vergabestellen basieren nicht immer auf den aktuellen Forschungs- und Entwicklungsergebnissen. Daher sind Verbesserungsvorschläge und effizientere Alternativen zur Leistungsbeschreibung durch Bieter:innen grundsätzlich willkommen. Synonym gebrauchte Begriffe zum Nebenangebot sind die Variante, der Sondervorschlag und der Änderungsvorschlag.
Bei der Abgabe von Nebenangeboten sind strenge Formalitäten einzuhalten, damit das Angebot nicht vom Auftraggeber beziehungsweise von der Auftraggeberin verworfen werden muss. Nur ein ordnungsgemäß formuliertes Nebenangebot wird nicht vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Bei groben Verstößen gegen die Vergaberegelungen kann das Gesamtangebot (Hauptangebot und Nebenangebot) von der Ausschreibung ausgeschlossen werden. Weicht ein Angebot auch nur im Detail von der Leistungsbeschreibung der Ausschreibungsunterlagen ab, handelt es sich um ein Nebenangebot. Abweichungen in Nebenangeboten können sich auf die Bauweise, die Verwendung gebrauchter statt neuer Komponenten, den Preis, die Skontierung oder Rabattierung beziehen.
Ein Nebenangebot muss, wie auch ein eingereichtes Hauptangebot, eine rechtlich verbindliche Unterschrift aufweisen. Eine fehlende Unterschrift ist einer der häufigsten Ausschlussgründe vom Vergabeverfahren. Es darf weder auf die AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) des oder der Bietenden verwiesen werden, noch dürfen diese auf einem der eingereichten Papiere aufgedruckt sein. Das Nebenangebot muss eindeutig als solches gekennzeichnet sein. Die Vorteile gegenüber der Leistungsbeschreibung sind deutlich herauszustellen und zu belegen.
Nach der VOB/A (Vergabe- und Vertragsordnungen für Bauleistungen, Teil A) liegt ein Nebenangebot vor, wenn das Angebot von der vorgesehenen Leistungsausführung abweicht. Ein Nebenangebot stimmt nach VOB/A inhaltlich nicht mehr mit der Leistungsbeschreibung des Auftraggebers beziehungsweise der Auftraggeberin überein. Die Mindestanforderungen müssen entsprechend des § 8 Abs. 2 Nr. 3 und des § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A erfüllt sein. Das Nebenangebot ist auf einer gesonderten Anlage als solches deutlich zu kennzeichnen. Ein Nebenangebot kann zusätzlich zu einem Hauptangebot eingereicht werden, wobei jedes Angebot separat rechtsgültig und verbindlich zu unterzeichnen ist.
Inhaltliche Abweichungen von Nebenangeboten können sich auf die Rahmenbedingungen des Vertrags, die Abrechnung oder auf die Leistung selbst beziehen. Bedeutung, Umfang und Grad einer inhaltlichen Abweichung sind unerheblich. Handelt es sich bei dem Nebenangebot um Abweichungen von den technischen Spezifikationen gemäß der Definition in § 7 Abs. 3 bis 8 VOB/A, muss der Vorschlag mit dem vom Auftraggeber oder von der Auftraggeberin geforderten Schutzniveau in den Punkten Gesundheit, Gebrauchstauglichkeit und Sicherheit gleichwertig sein. Diese Gleichwertigkeit ist zu belegen. Jede Abweichung von der Leistungsbeschreibung ist eindeutig zu kennzeichnen (§ 13 Abs. 2 VOB/A).
Die öffentliche Ausschreibung vermerkt verbindlich, ob Nebenangebote (Varianten) eingereicht werden dürfen. Die Vorgaben dazu sind in der geltenden Vergabeordnung festgelegt:
Es ist möglich, dass ein:e Auftraggeber:in nur unter bestimmten Bedingungen Nebenangebote akzeptiert, z. B. als Zusatz zum Hauptangebot. Der Ausschluss von Nebenangeboten für eine komplette Vergabe ist ebenso möglich wie für Teilbereiche der Leistungsbeschreibung.
Mit dem Nebenangebot müssen die geltenden Mindestanforderungen der Ausschreibung erfüllt sein (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 und § 16 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A). Das gewünschte Ergebnis ist von der Vergabestelle zusammen mit der Leistungsbeschreibung als Mindestanforderung auszugeben. Weitere Bedingungen zum Nebenangebot können sich auf technische Regelungen oder auf Ausschlüsse bestimmter Alternativen beziehen.
Es bestehen auch europarechtliche Vorgaben zur Abgabe von Nebenangeboten. In § 24 der Vergabekoordinierungsrichtlinie (Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates) sind diese geregelt. Danach sind Auftraggeber:innen verpflichtet, in den Verdingungsunterlagen geeignete Mindestanforderungen anzugeben (vgl. auch Traunfellner Entscheidung des EuGH vom 16. Oktober 2003).
Die Gleichwertigkeit des Nebenangebots ist vom Bieter beziehungsweise von der Bieterin objektiv nachzuweisen. Eine Leistungsbeschreibung muss mit dem Nebenangebot besser oder günstiger erfüllt werden. Der oder die Bietende muss die Wirtschaftlichkeit der Alternative im Vergleich zum Hauptangebot und anderen Nebenangeboten dokumentieren. Die Änderung der Leistungsbeschreibung kann sich auf wirtschaftlichere, sicherere oder fortschrittlichere Baumaßnahmen beziehen (Material, Dienstleistung, Ausführung).
Mit der Erklärung des Nebenangebots gibt die Gesetzgebung besonders spezialisierten oder fortschrittlichen Unternehmen der Bauwirtschaft die Möglichkeit, ihre Innovationskraft herauszustellen. Mit dem Nebenangebot können kostengünstigere, wirtschaftlichere oder technisch fortschrittlichere Verfahren vorgeschlagen werden. Nebenangebote zu abweichenden Baustoffen oder Vertragsbedingungen sind ebenfalls möglich. Entscheidende Vorteile lassen sich etwa mit dem Unterbreiten des wirtschaftlichsten Angebots im Vergabeverfahren erzielen.
Das Nebenangebot zu einer Ausschreibung liegt vor, wenn sich das gemachte Angebot inhaltlich von der Leistungsbeschreibung unterscheidet. Nach der kaufmännischen Nebenangebot-Definition sind die technischen Vorgaben erfüllt, von den wirtschaftlichen Vorgaben wird jedoch abgewichen. Kaufmännische Nebenangebote enthalten z. B. abweichende Preisnachlässe, eine andere Vergütungsstruktur oder ein neues Finanzierungsmodell. Kaufmännische Nebenangebote sind nur zulässig, wenn dies von der Vergabestelle ausdrücklich vermerkt wurde. Auch bei kaufmännischen Nebenangeboten sind die Grundsätze der Gleichbehandlung zu beachten.
Vergabekammern und Vergabesenate beschäftigen sich mit den Regeln zu vergaberechtlichen Fragen. Gemäß Oberlandesgericht Düsseldorf führt eine irrtümliche Bezeichnung als Nebenangebot nicht zum Ausschluss des Hauptangebots. Laut der Entscheidung ist die Abgabe mehrerer Hauptangebote zulässig (OLG Düsseldorf vom 9. März 2011, Az. VII-Verg 52/10).
Werden Architekt:innen und Ingenieur:innen zur "Mitwirkung bei der Vergabe" beauftragt und bezahlt (HOAI, Leistungsphase 7), müssen sie ebenfalls Nebenangebote und Änderungsvorschläge prüfen und werten.
Am 18. April 2006 hat das Oberlandesgericht Schleswig festgestellt, dass die Prüfung von Nebenangeboten keine vergütungspflichtige besondere Leistung ist (Urteil 3U14/05). Dies gilt, sofern es sich um Nebenangebote ohne wesentliche Konstruktionsabweichung, jedoch mit möglicher Planungsänderung handelt.