Akteneinsicht

Unter dem Begriff Akteneinsicht versteht man das Recht der Beteiligten eines Vergabeverfahrens im Oberschwellenbereich, die von der Vergabestelle angelegten Unterlagen für den jeweiligen Auftrag einzusehen. Dieses Recht steht den Beteiligten im Rahmen eines Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer zu.

Bedeutung der Akteneinsicht im Vergaberecht

Das Akteneinsichtsrecht erlaubt es den Beteiligten eines Vergabeverfahrens oberhalb der Schwellenwerte, im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens, die dafür erstellten Akten einzusehen und sich auf eigene Kosten, durch die Geschäftsstelle, Auszüge, Ausfertigungen oder Abschriften anfertigen zu lassen (§ 165 Abs. 1 GWB). Dieses Recht bezieht sich jedoch nur auf die entscheidungsrelevanten Bestandteile der Akte, die die kritisierten Rechtsverstöße betreffen. Und es besteht kein Anspruch auf eine Aktenversendung.

Motive der Bietenden

Gründe, weshalb ein Bieter oder eine Bieterin die Einsicht in die Akte verlangt, können sein, dass dadurch Informationsdefizite ausgeglichen werden und ein Zuschlag an jemand anderen verhindert werden kann, wenn das Verfahren nicht korrekt durchgeführt wurde. Der oder die Bieter:in kann dadurch auch Schadensersatz geltend machen. Gleichzeitig erhalten die beteiligten Unternehmen auch Einblicke in die Praxis der Auftragsvergabe von Behörden. Das kann unter anderem für zukünftige Verfahren nützlich sein.

Beschränkungen der Akteneinsicht

Das Einsichtsrecht in die Vergabeakte ist jedoch nicht unbegrenzt beziehungsweise uneingeschränkt gültig. Es ist zum Beispiel nicht gestattet, Informationen einzusehen, die dem Geheimschutz oder der Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen entgegenstehen (§ 165 Abs. 2 GWB). Darunter fallen zum Beispiel Bilanzen, Umsatzangaben oder Referenzlisten. In diesen Fällen darf die Akteneinsicht verwehrt werden. Die dafür erforderliche Prüfung der Unterlagen übernimmt die Vergabekammer. Der oder die Auftraggeber:in sollte vorher jedoch die wichtigen Geheimnisse in den Akten kennzeichnen. Wird das nicht gemacht, so wird die Zustimmung zur Überreichung aller Informationen angenommen (§ 165 Abs. 3 GWB). Dabei muss allerdings zwischen dem Geheimhaltungsinteresse konkurrierender Bieter:innen und dem Transparenzgebot nach § 97 Abs. 1 GWB abgewägt werden. Es gilt jedoch, dass Transparenz Vorrang hat, solange der Geheimnisschutz nicht eindeutig belegt wird. Es ist außerdem erlaubt, die Einsicht in die Vergabeakte zu versagen, wenn diese dazu dienen soll, sich dadurch erst Kenntnisse zu verschaffen, die auf einen Verstoß hindeuten, ohne dass konkrete Anhaltspunkte vorliegen.

Sonderfall

Sollte eine Person oder ein Unternehmen, weder als Auftraggeber:in noch als Antragsteller:in an einem Vergabeverfahren beteiligt sein, seine oder ihre Akten allerdings zur Einsicht anstehen, braucht man vorher in jedem Fall eine Zustimmung. Das liegt daran, dass Akten gegebenenfalls in das Vergabeüberprüfungsverfahren eingeführt werden, ohne, dass die entsprechende Parteien darüber Bescheid wissen.

Akteneinsicht im Unterschwellenbereich

Da dieses Akteneinsichtsrecht in erster Linie für den Oberschwellenbereich gilt, stellt sich die Frage, ob auch Verfahren im Unterschwellenbereich davon betroffen sein können. Grundsätzlich gilt der § 165 GWB nur in Nachprüfungsverfahren und nur im Oberschwellenbereich. Für Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich gilt ein Einsichtsrecht in die Vergabeakte nur auf Grundlage des § 242 BGB. Jedoch wird dieser Inhalt noch durch §§ 14, 14a, 19 VOB/A konkretisiert. Demnach kann ein Bieter oder eine Bieterin eines Vergabeverfahrens im Unterschwellenbereich nur Einsicht in das Protokoll der Angebotsöffnung, inklusive Nachträge, verlangen (§ 14 Abs. 6 VOB/A). Eine Akteneinsicht ist wiederum nur in ganz bestimmten Fällen gestattet, die sich auch in unterschiedlichen Regionen unterscheiden können. Das Landgericht Oldenburg beispielsweise gestattet die Einsicht unter drei Voraussetzungen:

  1. Der oder die Bieter:in braucht konkrete Anhaltspunkte, die auf einen Vergaberechtsverstoß hindeuten.
  2. Er oder sie muss außerdem nachweisen können, dass die bisher verfügbaren Informationen nicht ausreichen, um den Verstoß zu prüfen.
  3. Der oder die Bietende muss angeben, welche Informationen genau aus der Akteneinsicht hervorgehen sollen beziehungsweise müssen.

Sollten alle Voraussetzungen erfüllt sein, erfolgt die Einsicht allerdings auch nur in die relevanten Unterlagen und nicht in die gesamte Akte.

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