Stillhaltefrist
Die Stillhaltefrist ist Teil des Vergabeverfahrens und beginnt nach der Vorabinformation an die Bieter:innen. Nach dem Vergaberecht darf während dieser Zeit kein Zuschlag erteilt werden. Die Frist ist auch unter dem Begriff Wartefrist geläufig.
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Definition: Was ist die Stillhaltefrist?
Die Stillhaltefrist bezeichnet einen Zeitraum zwischen Vorabinformation und Zuschlagsentscheidung, dieser Zeitraum beträgt gemäß § 134 Abs. 1 GWB zwischen zehn bis 15 Tage. Sobald der oder die öffentliche Auftraggeber:in die unterlegenen Bieter:innen über die Entscheidung mitsamt Begründung informiert hat, beginnt die Wartepflicht. Erst nach Ablauf der Wartefrist erfolgt die Zuschlagsentscheidung der Vergabestelle.
Unterschiede bei elektronischer Meldung
Bei EU-Ausschreibungen ist der oder die Auftraggeber:in verpflichtet, die Vergabe elektronisch abzuwickeln – die sogenannten eVergabe. Die Prozessabwicklung erfolgt dank digitaler Kommunikationswege sowie elektronischer Datenübermittlung innerhalb kürzester Zeit, sodass auch die Fristen kürzer ausfallen. Die Stillhaltefrist im rein elektronischen Verfahren beträgt daher zehn Tage; erfolgt die Meldung auf dem postalischen Weg, ist eine Frist von 15 Tagen einzuhalten.
Sinn der Stillhaltefrist
Mittels der Wartepflicht erhalten die erfolglosen Bieter:innen den nötigen Zeitraum, die Entscheidung der Vergabestelle in Frage zu stellen. Die Stillhaltefrist dient somit der Kontrolle der Vergabe, um sicherzustellen, dass die Vergabe rechtens beziehungsweise ohne Fehler vonstattenging.
Nichteinhaltung der Wartefrist
Die Stillhaltefrist bietet den unterlegenen Bieter:innen die Möglichkeit, die Zuschlagsentscheidung über eine Kontrollinstanz prüfen zu lassen. Entfällt die Wartezeit, fällt auch die Kontrollmöglichkeit der Entscheidung weg. Kommt ein:e Auftraggeber:in seiner beziehungsweise ihrer Informationspflicht ohne Vorliegen einer der Ausnahmen in § 134 Abs. 3 GWB nicht nach, hat dies rechtliche Konsequenzen: Der Zuschlag wird nichtig – vorausgesetzt, die Bieter:innen werden aktiv und leiten ein Nachprüfungsverfahren ein.
Mögliche Gründe für Nichteinhaltung
In der Regel hat die Nichteinhaltung der Wartefrist eine Aufhebung des Zuschlags zufolge. In folgenden Fällen darf die Vorabinformation entfallen und somit auch die Stillhaltefrist verkürzt werden: Im Fall von besonderer Dringlichkeit oder die Aufträge sind von verteidigungs- oder sicherheitsbezogener Relevanz oder es geht um das wirtschaftliche Interesse beteiligter Unternehmen.
Nachprüfungsverfahren durch die Vergabekammer
Bei Verdacht auf einen Verstoß gegen die Stillhaltefrist, leiten unterlegene Bieter:innen bei der Vergabekammer ein Nachprüfungsverfahren ein. Die Konsequenzen sind beispielsweise eine Rüge gegenüber dem Vergabeverfahren oder die Aufhebung des Vertrages zwischen Auftragnehmer:in und –geber:in.
Stillhaltefrist im Unterschwellenbereich
Auftragsvergaben im unterschwelligen Bereich erfolgen prinzipiell ohne den Anspruch auf Einhaltung gängiger Vergabevorschriften – mit Ausnahme bei Vergaben in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Unberücksichtigten Bieter:innen bleibt in diesem Fall nur der allgemeine Rechtsschutz.
Entscheidung des OLG Düsseldorf
Ende 2017 entschied das OLG Düsseldorf, dass das Ausbleiben von Vorabinformationen auch unterhalb der EU-Schwellenwerte die Nichtigkeit des Zuschlags nach sich zieht. Auftraggeber:innen sind somit auch im unterschwelligen Bereich dazu verpflichtet, über die Entscheidung zu informieren und Wartezeit einzuräumen. Bei seiner Entscheidung weicht das Gericht von den Vorgaben in UVgO sowie der VOB/A ab, in denen solch eine Verpflichtung zum Teil sogar bewusst verzichtet wird. Das Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf stützt sich jedoch auf die Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts. Weitere Informationen zu dem Urteil finden Sie in einer Mitteilung der Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen e.V..
Bedeutung für öffentliche Auftraggeber
Auf Basis der Rechtsprechung ist zu erwarten, dass unterlegene Bieter:innen im Unterschwellenbereich bei fehlender Vorabinformation sowie ausbleibender Stillhaltefrist eine einstweilige Verfügung geltend machen können, was eine Nichtigkeit des Vertrages mit sich ziehen kann. Öffentlichen Auftraggeber:innenn ist zu empfehlen, die Informations- und Wartepflicht auch im unterschwelligen Bereich zu berücksichtigen.


