Nachforderungen

Bei unvollständigen oder fehlerhaften Angeboten kommt unter Umständen eine Nachforderung fehlender Erklärungen und Nachweise in Betracht. Dazu fordert der Auftraggeber oder die Auftraggeberin den oder die Bieter:in oder Bewerber:in dazu auf, Unterlagen nachzureichen zu vervollständigen oder zu korrigieren. Wie sich die Nachforderung von Unterlagen nach VgV und UVgO von der nach VOB/A und SektVO unterscheidet, erfahren Sie hier.

Definition Nachforderung

Stellt ein:e Auftraggeber:in bei der Angebotsprüfung fest, dass Unterlagen fehlen, muss oder darf der oder die Bieter:in nicht direkt ausgeschlossen werden. Durch die Nachforderung von Unterlagen oder Nachweisen hat der Bieter oder die Bieterin noch die Möglichkeit, die Unterlagen des Angebots zu vervollständigen und auch den Zuschlag zu erhalten.

Nachforderungen nach VOB/A und und SektVO

Bei Bauvergaben ist der oder die Auftraggeber:in gemäß § 16a Abs. 1 Satz 1 VOB/A beziehungsweise § 16a EU Abs. 1 Satz 1 VOB/A zu Nachforderungen verpflichtet. Auch bei Aufträgen nach der Sektorenverordnung sind Auftraggeber:innen dazu verpflichtet, Unterlagen nachzufordern. Das regelt § 51 Abs. 2 SektVO. Die nachgeforderten Erklärungen und Nachweise müssen innerhalb von sechs Kalendertagen nach Aufforderung bei der Vergabestelle eingehen. Die Frist läuft ab dem Tag nach dem Versand der Aufforderung. Ist die Erklärung oder der Nachweis nicht fristgerecht eingegangen, wird das Angebot ausgeschlossen.

Nachforderungen nach VgV und UVgO

Im Bereich der Liefer- oder Dienstleistungen steht es laut § 41 Abs. 2 UVgO und § 56 Abs. 2 VgV im Ermessen der Auftragsgeberseite, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, insbesondere Eignungsnachweise, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise nachreichen oder korrigieren zu lassen. Grundsätzlich sind Auftraggeber:innen nicht zu Nachforderungen nach UVgO oder VgV verpflichtet. Wenn diese:r Bieter:in aber für den Zuschlag in Betracht kommt, müssen fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Unterlagen nachgefordert werden.

Wann sind Nachforderungen unzulässig?

Nachforderungen sind immer dann unzulässig, wenn sich diese zu Nachverhandlungen entwickeln. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Preisangaben nachgefordert werden, weshalb dies grundsätzlich verboten ist. Preise dürfen nur dann nachgefordert werden, wenn diese in unwesentlichen Positionen fehlen und wenn dadurch der Wettbewerb sowie die Wertungsreihenfolge nicht beeinträchtigt werden.

Auftraggeber:innen haben zudem die Möglichkeit, in der Bekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festzulegen, dass sie keinen Gebrauch von der Nachforderungsmöglichkeit machen werden. Ist dies geschehen, darf daraufhin auch wirklich nicht nachgefordert werden.

Was kann nachgefordert werden?

Nachgefordert werden können “Unterlagen” - und dieser Begriff ist sehr weit auszulegen. Er umfasst bieterbezogene Eigen- und Fremderklärungen sowie leistungsbezogene Produkt- oder sonstige Angaben und weitere Erklärungen wie Hersteller- und Typenbezeichnungen, Fabrikatsangaben, die Aufgliederung von Einheitspreisen oder die Preisblätter nach EFB. Auch die fehlende Unterschrift unter einer dem Angebot beigefügten Erklärung kann nachgefordert werden. Die Unterschrift unter dem Angebotsschreiben allerdings nicht.

Preisangaben dürfen grundsätzlich nicht nachgefordert werden, außer diese haben keine Wettbewerbsrelevanz. Ausschlaggebend dafür, ob ein fehlender Preis wesentlich ist oder nicht, ist die Relation des Preises für die betreffende Position zum Gesamtangebotspreis. Dieser muss unter einem Prozent liegen.

Sind diese Kriterien erfüllt, dürfen fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Unterlagen nachgefordert werden. Unterlagen fehlen oder sind unvollständig, wenn sie gar nicht oder nur teilweise vorliegen oder in formaler Weise sonst nicht den Anforderungen entsprechen. Auch wenn Unterlagen in unleserlicher Form vorliegen oder diese nicht zur Kenntnis genommen werden können, weil sich die Datei beispielsweise nicht öffnen lässt, gelten diese als fehlend.

Was bedeutet Korrekturmöglichkeit fehlerhafter Unterlagen?

Fehlerhafte Unterlagen sind diejenigen, die zwar vorliegen und den formalen Anforderungen genügen, aber von den inhaltlichen Vorgaben abweichen. Das bedeutet nicht, dass der oder die Bieter:in die Möglichkeit erhält, unzureichende Unterlagen inhaltlich nachzubessern. Es geht darum, offensichtliche Fehler wie Schreibfehler, Übertragungsfehler oder Zahlendreher zu verbessern. Bieter:innen sollen nicht wegen geringfügiger formaler Fehler und Versäumnisse ausgeschlossen werden. Inhaltliche Nachbesserungsmöglichkeiten kommen hingegen Nachverhandlungen gleich und sind daher untersagt.

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