Wenn Vergaberecht und Urheberrecht kollidieren
Manch älteres Bauwerk, das saniert werden muss, ist urhebergeschützt. Darf nur das ursprüngliche Architekturbüro die Sanierungen vornehmen oder ist eine Vergabe mit Wettbewerb möglich?
Das Wichtigste zum Vergaberecht und Urheberrecht in Kürze
- Sanierungen urheberrechtlich geschützter Gebäude führen oft zu Konflikten zwischen Urheberrecht und Vergaberecht
- Im Fall einer Campus-Anlage forderten die Erben des Architekten eine Vergabe ohne Wettbewerb (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 c VgV)
- Das OLG München entschied: Der Auftraggeber darf, aber muss nicht ohne Wettbewerb vergeben
- Das Ziel des Vergaberechts bleibt ein transparenter Wettbewerb – Ausnahmen gelten nur in seltenen Fällen
- Urheberrecht schützt vor Entstellungen, gibt aber keinen Anspruch, selbst mit der Sanierung beauftragt zu werden
- Erben können bei Rechtsverletzungen zivilrechtlich vorgehen, eine Direktvergabe bleibt Ausnahme

Wenn ein Gebäude saniert werden soll, das urheberrechtlich geschützt ist, macht das die Vergabe ein Stück weit komplizierter. Auftraggebende müssen sich dann nämlich mit zwei grundverschiedenen Ansätzen auseinandersetzen. Das Gebäude wurde von einem bestimmten Architekturbüro gebaut, und manchmal möchte dieses auch die Sanierungen vornehmen, damit der ursprüngliche Charakter des Gebäudes gewahrt bleibt. Das Urheberrecht soll das Gebäude vor zu großer Veränderung schützen. Gleichzeitig soll das Vergaberecht sicherstellen, dass es einen fairen Wettbewerb gibt. Doch was hat Priorität? Mit dieser Frage hat sich unlängst das OLG München beschäftigt.
Nicht wenige glauben, dass das den Architekt:innen zustehende Urheberrecht so weit reichend ist, dass nur sie selbst ihr Bauwerk sanieren dürfen. Sie berufen sich dabei auf den § 14 Abs. 4 Nr. 2 c) VgV, der es Auftraggebenden ermöglicht, Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben, wenn ausschließliche Rechte wie das Urheberrecht vorliegen. Das ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Dies mussten auch die Erben im vorliegenden Fall herausfinden, der am OLG München bearbeitet wurde. Das OLG machte sich grundsätzlich Gedanken darüber, wann ein bestehendes Urheberrecht zu einer Handlungspflicht des Auftraggebenden führt.
Inhaltsverzeichnis
Der Fall
Eine Campus-Anlage war in die Jahre gekommen und musste daher saniert werden, wobei ein Gebäude durch einen Neubau ersetzt werden musste. Die Anlage bestand unter anderem aus Heimgebäuden und einer Schule für Sehbehinderte. Die Planung des Neubaus und die Sanierung wurde in zwei Losen als Vergabeverfahren mit Teilnahmewettbewerb ausgeschrieben. Der Architekt, der die Campus-Anlage gebaut hatte, ist mittlerweile verstorben und konnte daher mögliche Urheberrechte nicht geltend machen. Doch seine Erben wollten dies an seiner Stelle tun. Ihre Intention war es, den ursprünglichen Charakter der Campus-Anlage beizubehalten. Sie argumentierten, dass diese urheberrechtlich geschützt sei und dass ihnen als Erben das Urheberrecht oder zumindest ein ausschließliches Nutzungsrecht zustünde. Die geplante Ausschreibung sei deshalb ein Verstoß gegen § 14 Abs. 4 Nr. 2 c) VgV. Das Urheberrecht könne nur gewahrt bleiben, wenn sie als Erben die Planung und die Ausführung übernehmen würden. Deshalb müsse der Auftraggebende die Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb an die Erben vergeben.
Die Entscheidung
Das OLG teilt diese Rechtsauffassung nicht. Vielmehr betont es, dass die Ausschreibung nicht gegen § 14 Abs. 4 Nr. 2 c VgV verstößt. Der Auftraggebende sei nicht dazu verpflichtet, ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchzuführen. In § 14 Abs. 4 Nr. 2 c steht, dass der öffentliche Auftraggebende, wenn der Auftrag zum Schutze ausschließlicher Rechte nur von einem bestimmten Unternehmen erbracht werden könne, die Möglichkeit habe, die Aufträge im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu vergeben. Allerdings sind sie nicht dazu verpflichtet. Außerdem handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die – wie der Begriff es schon vermuten lässt – auch nur in Ausnahmen angewendet werden kann. Immerhin ist es das generelle Ziel des Vergaberechts, Aufträge transparent zu vergeben. Der Wettbewerb hat oberste Priorität, Einschränkungen sind nur sehr selten erlaubt.
Zur Erklärung: Bei § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV handelt es sich um eine Regelung, die Vergabekammern vor Überlastung schützen soll. Immer wenn ein Ausschließlichkeitsrecht besteht, soll sie den mit einem wettbewerblichen Verfahren verbundenen Aufwand an Zeit und Kosten ersparen. Der § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV ist eben keine bieterschützende Norm. Bieterinnen und Bieter hoffen vielleicht darauf, leichter und ohne konkurrierende Mitbieter einen Auftrag zu ergattern. Doch ein Anspruch der Bieter:innen auf das Fehlen von Konkurrenz ist dem Vergaberecht fremd.
Zudem widerspricht das Gericht der Auffassung, nur die Erben seien in der Lage, die Campus-Anlage so zu planen und zu bauen, dass sie nicht entfremdet und entstellt wird. Auch wenn das Urheberrecht Abwehrrechte gegen Veränderungen und Entstellungen enthält, ergibt sich daraus kein Anspruch darauf, bei Umbaumaßnahmen beauftragt zu werden. Zudem handle es sich bei der ausgeschriebenen Leistung zunächst um eine Planungsleistung und das Urheberrecht enthalte weder ein Denk- noch ein Planungsverbot. Vielmehr ist es so, dass auch grundsätzlich jede Person, die die Voraussetzungen mitbringt, sich auf die Ausschreibung bewerben kann.
Fazit
Das OLG betont, dass der § 14 Abs. 4 Nr. 2 VgV eine Ausnahmevorschrift ist und wirklich nur in Ausnahmefällen angewendet werden kann. Er soll die Vergabekammern vor einer zu hohen Arbeitsbelastung durch eventuelle Gerichtsverfahren schützen und ist eben keine bieterschützende Norm. Trotzdem sind die Erben nicht schutzlos. Sie können sich an das Zivilgericht wenden, falls die Pläne für die Campus-Anlage gegen das Urheberrecht des Architekten verstoßen sollten.