Die Vergabereife, manchmal auch „Ausschreibungsreife“ genannt, ist vom staatlichen Auftraggeber vor der Ausschreibung jedes Vergabeverfahrens herzustellen und kann als eine Art „Vorleistungspflicht“ verstanden werden. Sie beinhaltet eine erschöpfende und eindeutige Leistungsbeschreibung sowie die Feststellung, dass die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen vom Auftraggeber für einen fristgerechten Beginn der Ausführung durch den Auftragnehmer im Sinne eines sofort durchführbaren Planfeststellungsbeschlusses gegeben sind. Durch die Regelung wird sichergestellt, dass öffentliche Auftraggeber Aufträge erst dann ausschreiben, wenn sie tatsächlich auch davon ausgehen können, dass sie diese auch vergeben werden. Festgelegt wird die Vergabereife-Definition wird zum Beispiel für Bauleistungen in der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).
Eine Ausschreibung sollte erst zu dem Zeitpunkt veröffentlicht werden, wenn der Auftraggeber detailliert weiß, was er will, und seine Wünsche planerisch und textlich spezifiziert hat. Er muss eine aussagekräftige Leistungsbeschreibung mit allen Informationen erstellen und Pläne anfertigen lassen. Auf deren Basis soll der Auftragnehmer weitgehend risikolos sein Angebot aufbauen können und nach Zuschlagserteilung in die Lage versetzt werden, die ausgewiesene Leistung zu erbringen. Grundvoraussetzung einer Ausschreibung ist ebenfalls, dass die Finanzierung des Vorhabens gewährleistet ist und sämtliche Genehmigungen vorliegen, die für den Beginn der Arbeiten erforderlich sind.
Veranlasst der Auftraggeber im Laufe eines begonnenen Ausschreibungsverfahrens die Aufhebung des Verfahrens, weil zum Beispiel die Finanzierung für das Vorhaben gescheitert ist, stehen den Bewerbern Schadensersatzansprüche zu. Kommt es zu einer Verzögerung des Arbeitsbeginns, weil baurechtliche Voraussetzungen noch nicht gegeben sind, kann das Bauunternehmen zumindest eine Verlängerung der Ausführungsfristen, aber auch Schadensersatz anmelden. Eine Aufhebung des Verfahrens durch den Auftraggeber kann nicht durch eine Vorbehaltserklärung in der Ausschreibung umgangen werden; eine solche gilt als rechtlich unwirksam.
Die Regelung wurde durch einen konkreten Fall ins Leben gerufen. So hat im Jahr 2013 eine Antragstellerin vor Gericht geltend gemacht, dass es einem veröffentlichten Auftrag der Deutschen Bahn AG an Vergabereife mangelte, weshalb diese rechtsfehlerhaft mehrere Angebotsrunden eröffnete. Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf gab der Antragstellerin Recht und erklärte den eingereichten Nachprüfungsantrag als begründet. Das schlussendliche Urteil bildete im November 2013 die Grundlage für die heute bestehende Regelung zur Vergabereife.