Vergabebeschleunigungsgesetz: Die neue Vergabereform 2025
Am 6. August 2025 wurde der Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung von Vergaben öffentlicher Aufträge im Bundestag beschlossen. Mit welchen Änderungen des Vergaberechts ist zu rechnen?
Das Wichtigste zum Vergabebeschleunigungsgesetz in Kürze
- Das Gesetz wurde am 6. August 2025 beschlossen und vereinfacht die Vergabe öffentlicher Aufträge durch weniger Bürokratie und digitale Verfahren
- Direktvergaben sind künftig bis 50.000 Euro möglich, Nachweispflichten werden vereinfacht und Nachprüfungsverfahren digitalisiert
- Losweise Vergabe bleibt erhalten, kann aber in dringlichen Infrastrukturprojekten zusammengefasst werden
- Rechtsschutz wird eingeschränkt, da die aufschiebende Wirkung bei Beschwerden entfällt – dies soll für schnellere Vergabeverfahren sorgen, löst jedoch auch stark Kritik aus
- Junge Unternehmen und Start-ups erhalten erleichterten Zugang zu Ausschreibungen, Innovationen sollen durch Nebenangebote gefördert werden
- Nachhaltigkeitskriterien wurden nicht integriert und sollen in einem separaten Projekt nachgeregelt werden, was Kritik von Umwelt- und Branchenverbänden auslöst
- Das Gesetz tritt voraussichtlich zum 1. Januar oder 1. April 2026 in Kraft und soll Wirtschaft und Verwaltung finanziell entlasten

Nach dem abrupten Regierungswechsel im Frühjahr fielen auch die im Herbst 2024 veröffentlichten Referentenentwürfe zur neuen Vergabereform ins Wasser. Sie mussten neu beschlossen werden. In ihrem Koalitionsvertrag versprach die Koalition aus CDU, CSU und SPD, der Vergabereform auch weiterhin nachzugehen – der finale Entwurf eines neuen Gesetzes zur Beschleunigung von Vergaben öffentlicher Aufträge wurde daraufhin bereits am 6. August 2025 dem Bundeskabinett vorgelegt.
Das Vergabebeschleunigungsgesetz arbeitet die bestehenden Strukturen des Vergaberechts auf und soll so Vergaben von öffentlichen Aufträgen für Bund, Länder und Kommunen vereinfachen. Besonders wird Wert auf den Abbau von Bürokratie und die gestärkte Digitalisierung gelegt. Aber welche genauen Änderungen bedeutet das für Unternehmen und Auftraggeber? Erfahren Sie hier alles über den beschlossenen Entwurf des Vergabebeschleunigungsgesetzes!
Was ist das Vergabebeschleunigungsgesetz?
Das Vergabebeschleunigungsgesetz ist ein am 6. August 2025 beschlossener Gesetzentwurf zur Vergabereform der Bundesregierung: Er zielt darauf ab, das Vergaberecht in Deutschland so umzustrukturieren, dass die Vergabe öffentlicher Aufträge vereinfacht, beschleunigt und digitalisiert wird.
Dadurch soll eine Lösung gegen dringliche Herausforderungen geboten werden, wie die Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Unternehmen und eine verbesserte Digitalisierung und Infrastruktur.
Die Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche fasst zusammen:
Wir machen die öffentliche Beschaffung einfacher, schneller und flexibler – und das mittelstandsfreundlich. Das heißt konkret: weniger Bürokratie und mehr Digitalisierung.
Damit dies funktioniert, greift das Vergabebeschleunigungsgesetz in die bestehenden Strukturen des Vergaberechts ein.
Rückblick: Wie kam es zum Vergabebeschleunigungsgesetz?
Eine Vergabereform war bereits in der letzten Legislaturperiode Thema: Im Herbst 2024 kamen die Referentenentwürfe des Vergabetransformationspakets der SPD, der Grünen und der FDP erstmalig an die Öffentlichkeit.
Aufgrund des frühzeitigen Regierungswechsels im Frühjahr 2025 fand das parlamentarische Verfahren zum Vergabetransformationspaket allerdings nicht mehr statt. Da das Gesetz somit dem Diskontinuitätsprinzip unterlag, konnte die Vergabereform nicht mehr durchgesetzt werden und musste erneut diskutiert werden.
Im Mai 2025 stellte die neue Bundesregierung in ihrem Sofortprogramm „Verantwortung für Deutschland“ das neu geplante Vergabebeschleunigungsgesetz vor. Dieses griff die bisherigen Referentenentwürfe auf – wurde aber an die Ziele des jetzigen Koalitionsvertrags angepasst.
Mehr zu den Entwicklungen der geplanten Vergabereform der bisherigen Bundesregierungen erfahren Sie in unserem Artikel zum Vergabetransformationspaket!
Was sind die zentralen Inhalte des Vergabebeschleunigungsgesetzes?
Das Vergabebeschleunigungsgesetz enthält die im Koalitionsvertrag und Sofortprogramm genannten Vorgaben – darunter den Abbau von bürokratischen Hürden bei der Vergabe, die Digitalisierung von Prozessen und die Stärkung von innovativen Start-ups in öffentlichen Vergabeverfahren.
Die Bundesregierung betont, dass die Vergabereform ein wichtiger Schritt sei, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken und die Verwaltung und Vergabekammern zu entlasten. Es wird eine Entlastungswirkung von 100 Millionen Euro für die Wirtschaft und von 280 Millionen Euro für die Verwaltung erwartet.
Die zentralen Änderungen des Vergaberechts im Überblick
Das Vergabebeschleunigungsgesetz ist ein Artikelgesetz – das heißt, es werden Änderungen in verschiedenen bestehenden Regelwerken vorgenommen. Der Entwurf konzentriert sich auf folgende Regelungen:
- Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, 4. Teil (GWB)
- Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)
- Bundeshaushaltsordnung (BHO)
- Wettbewerbsregistergesetz (WRegG)
- Änderungen zur Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)
- Änderungen zur Verordnung über Vergabe von öffentlichen Aufträgen im Bereich des Verkehrs, der Trinkwasserversorgung und der Energieversorgung (SektVO)
- Änderungen zur Verordnung über die Vergabe von Konzessionen (KonzVgV)
- Vergabeordnung für Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV)
- Neufassung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO)
Zusätzlich wurde bereits im Juli 2025 der Entwurf des Gesetzes zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr (BwPBBG) beschlossen sowie die Referentenentwürfe zum Bundestariftreuegesetz.
Anpassung von Wertgrenzen und anderen Grenzwerten
- Leistungen bis 50.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) dürfen als Direktvergabe und ohne Vergabeverfahren beschaffen werden (§ 55 BHO). Dies wird durch eine Änderung im Bundeshaushaltsrecht ermöglicht. Vergabestellen bleibt es offen, ob sie trotzdem ein Vergabeverfahren durchführen möchten – allerdings entlastet die Möglichkeit zur Direktvergabe die Verwaltung und schafft Kapazitäten für größere Beschaffungsvorhaben.
- Die Abfrage des Wettbewerbsregisters ist nur noch ab 50.000 Euro statt ab 30.000 Euro verpflichtend. Auch die Meldepflicht an die Vergabestatistik wird auf 50.000 Euro erhöht. Die freiwillige Nutzung wird auch weiterhin empfohlen.
Abbau von Bürokratie und verstärkte Digitalisierung
- Änderungen im § 122 GWB und §§ 42, 48 VgV sollen die Nachweispflichten vereinfachen und somit die Bürokratie reduzieren: So wird Eigenerklärungen zukünftig Vorrang gegeben – die Vorlage von Nachweisen soll damit nur noch bei aussichtsreichen Bieter:innen oder Bewerber:innen im Laufe des Vergabeprozesses angefragt werden.
- Gleichzeitig wird der § 56 VgV angepasst, sodass mit diesen Änderungen mehr Rechtssicherheit für Auftraggeber sichergestellt wird.
- Durch Änderungen im GWB sollen Nachprüfungsverfahren lediglich schriftlich geführt werden, während die Aktenübermittlung und -einsicht digitalisiert wird.
Flexiblere Vergaberegeln
- Unter bestimmten Voraussetzungen sollen öffentliche Auftraggebende die Möglichkeit haben, auf die losweise Vergabe zu verzichten – damit können sie Teillose oder Fachlose zusammen vergeben.
- Zur Wahrung der Mittelstandsinteressen werden diese Fälle auf dringliche Infrastrukturvorhaben begrenzt, die aus dem Sondervermögen „Infrastruktur und Klimaneutralität“ finanziert werden.
Änderungen im Rechtsschutz
- Der Rechtsschutz wird dahingehend geändert, dass die aufschiebende Wirkung bei sofortigen Beschwerden (§ 173 Abs. 1 und 2 GWB) im Nachprüfungsverfahren gestrichen wird. Aufträge können damit direkt vergeben, ohne das Beschwerdeverfahren abzuwarten. Vergabeverfahren sollen dadurch beschleunigt werden.
Stärkung von kleinen und mittleren Unternehmen sowie Start-ups
- Für junge Unternehmen (nicht älter als acht Jahre) soll es Lockerungen bezüglich alternativen Nachweisen geben, beispielsweise bei Anforderungen an vergangene Umsätze und auf das Alter des Unternehmens.
Erfahren Sie in unserem Artikel, wie Sie bereits jetzt als Newcomer im Vergabeverfahren Vergabehürden bewältigen! - Mit dem § 35 VgV sollen innovative Angebote durch Nebenangebote gestärkt werden. Auf diese Weise werden neue und moderne Lösungsansätze in der öffentlichen Beschaffung ermöglicht.
- Die Erhöhung von Wertgrenzen für innovative Start-ups auf 100.000 Euro bei Direktvergaben wird aus rechtstechnischen Gründen erst demnächst besprochen, soll aber zeitlich mit dem Vergabebeschleunigungsgesetz in Kraft treten.
Nachhaltigkeit in der Beschaffung
- Mit einer Überarbeitung des § 28 VgV können umweltbezogene und soziale Aspekte sowie Qualität und Innovation in Markterkundungen einbezogen werden.
Welche Inhalte sind noch geplant, beziehungsweise wurden nicht berücksichtigt?
Die geplanten Vorgaben bezüglich Nachhaltigkeit in Vergabeverfahren werden nicht in das Vergabebeschleunigungsgesetz aufgenommen (§ 120a GWB). Dafür soll es in einem separaten Vorhaben eine Verordnungsermächtigung für den Bund geben, um vergaberechtliche Vorgaben zur Beschaffung klimafreundlicher Produkte zu schaffen.
Zuvor als Teil des Gesetzes besprochen wurden auch strategisches Beschaffungsmanagement sowie die Schaffung eines digitalen Marktplatzes, allerdings wurden diese Themen nicht mit dem Vergabebeschleunigungsgesetz berücksichtigt. Stattdessen soll dafür ein zukünftiger Gesetzesentwurf folgen.
Was für Reaktionen gibt es auf das Vergabebeschleunigungsgesetz?

Das Vergabebeschleunigungsgesetz wird in vielen Punkten positiv aufgenommen, etwa durch mittelstandsfreundliche Regelungen und vereinfachte Vergabeverfahren. Gleichzeitig stößt es auf Kritik, insbesondere wegen des Abbaus von Rechtsschutz und der unzureichenden Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien.
Positive Rückmeldungen zum Vergabebeschleunigungsgesetz
Die Neuerungen im Zuge des Vergabebeschleunigungsgesetzes stoßen überwiegend auf Zuspruch. Besonders begrüßt werden die Anhebung der Wertgrenzen für Direktaufträge, die Vereinfachung der Nachweispflichten sowie die mittelstandsfreundliche Gestaltung öffentlicher Vergaben.
Ein zentrales Element, das mit der Beschleunigung von Vergaben erhalten bleibt, ist der Losgrundsatz. Die Bundesarchitektenkammer hebt hervor, dass dieser zentral für die Wahrung von Mittelstandsinteressen sei – ihn zu verlieren, hätte die Entwicklung von monopolartigen Strukturen begünstigt und damit einhergehend auch steigende Preise.
Andrea Gebhard, Präsidentin der Bundesarchitektenkammer, betont in einer Pressemitteilung:
Die losweise Vergabe ist ein bewährtes Instrument, um Innovation, Qualität und regionale Wertschöpfung zu fördern.
Durch die losweise Vergabe werden nicht nur kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gestärkt, sondern auch Start-ups erhalten besseren Zugang zu öffentlichen Aufträgen. Das hat positive Auswirkungen auf die soziale Stabilität, denn die Unterstützung von KMU fördert regionale Beschäftigung und stärkt die lokale Wirtschaft.
Kritik an dem Vergabebeschleunigungsgesetz
Trotz vieler begrüßter Neuerungen bleibt Kritik am Gesetz nicht aus, insbesondere im Bereich des Rechtsschutzes sowie zur Streichung des geplanten §120a GWB zur Nachhaltigkeit. Hier sehen verschiedene Verbände und Fachorganisationen deutlichen Nachbesserungsbedarf.
Streichung der aufschiebenden Wirkung bei sofortigen Beschwerden
Ein besonders umstrittener Punkt ist die geplante Abschaffung der aufschiebenden Wirkung bei sofortigen Beschwerden. Bisher galt: Wird ein Nachprüfungsantrag durch die Vergabekammer zurückgewiesen und diese Entscheidung angefochten, darf der Auftraggebende den Zuschlag erst nach Abschluss des Beschwerdeverfahrens erteilen.
Künftig soll diese aufschiebende Wirkung entfallen – ein Schritt, der von dem Deutschen Anwaltsverein bereits vor Verabschiedung des Gesetzes scharf kritisiert wurde. Er warnt vor einem Abbau effektiven Rechtsschutzes: Der Auftraggebende könnte künftig sofort nach Entscheidung der Vergabekammer handeln, auch wenn der unterlegene Bietende Rechtsmittel einlegen möchte.
Der Deutsche Anwaltverein ergänzt, dass diese Regelung möglicherweise ebenfalls europarechtswidrig sei. Die aufschiebende Wirkung galt bislang als ein wesentliches Instrument effektiven Rechtsschutzes.
Sozial- und umweltbezogene Aspekte
Für viel Kritik sorgt auch die ersatzlose Streichung des geplanten § 120a GWB, der Nachhaltigkeitskriterien und Lebenszykluskosten stärker verankern sollte. Dies wird als eine verpasste Chance für zukunftsorientierte öffentliche Beschaffung angesehen.
Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft (BDE) bezeichnet den Entwurf in Bezug auf Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Rohstoffnutzung als „zu wenig ambitioniert“. Statt auf verbindliche Angaben zu setzen, sieht das Gesetz nämlich vor, dass nachhaltige Beschaffung „flexibel vor Ort“ geschehen soll – allerdings bleibt damit offen, wie Behörden bei Ausschreibungen ökologische Aspekte berücksichtigen sollen. Die Freiwilligkeit der nachhaltigen Beschaffung sorgt ebenfalls dafür, dass Auftraggeber:innen weiterhin auf bewährte, weniger nachhaltige Verfahren zurückgreifen.
Das CorA Netzwerk für Unternehmensverantwortung, sowie andere Verbunde, fordern Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil von langfristiger Wirtschaftlichkeit. Weitere Forderungen zur Nachhaltigkeit im Vergaberecht finden Sie in der Stellungnahme des CorA Netzwerks.
Fazit: Wie wird sich das Vergabebeschleunigungsgesetz auswirken?
Mit dem Vergabebeschleunigungsgesetz bringt die Bundesregierung eine Reform auf den Weg, die in vielen Punkten notwendig war. Öffentliche Vergabeverfahren sollen einfacher, digitaler und schneller werden, wodurch Verwaltung entlastet wird und bürokratische Hürden gesenkt werden. Auch junge Unternehmen und Start-ups profitieren von den gesenkten Zugangsbeschränkungen.
Allerdings zeigt sich auch die Kehrseite dieser Erleichterungen: Höhere Wertgrenzen und flexiblere Verfahren könnten dazu führen, dass weniger häufig öffentlich ausgeschrieben und stattdessen an bekannte Anbieter:innen vergeben wird. Das könnte langfristig den Wettbewerb schwächen und Transparenz in der Vergabe mindern. Auch die Streichung der aufschiebenden Wirkung im Nachprüfungsverfahren wird kritisch gesehen, da sie effektiven Rechtsschutz einschränkt und den Zugang zu fairer Überprüfung erschwert.
Insgesamt ist das Vergabebeschleunigungsgesetz ein wichtiger Schritt zur Modernisierung des Vergaberechts. Nach Beschluss und Verkündung wird das Gesetz am ersten Tag des darauffolgenden Quartals in Kraft treten – voraussichtlich am 1. Januar oder am 1. April 2026.