Von einem Vergaberechtsverstoß spricht man, wenn eine am Vergabeverfahren beteiligte Partei etwa der öffentliche Auftraggeber beziehungsweise die öffentliche Auftraggeberin gegen geltendes Vergaberecht verstößt.
Die Regelungen des Vergabeverfahrens sollen einen transparenten und fairen Wettbewerb gewährleisten. Der geordnete Wettkampf um Aufträge soll Korruption erschweren und die Chancengleichheit im Verhältnis von größeren und kleineren Bewerber:innen unterstützen. Durch die Regelung der verschiedenen Verfahrensarten sollen der Mittelstand sowie umwelt- und sozialpolitische Zwecke gefördert werden. Zwischen den Bewerber:innen besteht grundsätzlich ein an die Ausschreibungsstelle gerichtetes Gleichbehandlungsgebot.
Abhängig davon, welcher Natur der Vergaberechtsverstoß ist, greifen unterschiedliche Regelungen. § 298 StGB stellt wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen unter Strafe. §§ 331 ff. StGB sind zu beachten, wenn es um das Korruptionsstrafrecht in Zusammenhang mit Amtsträger:innen geht, unter Privaten greift § 299 StGB. Weitere Strafnormen wie Betrug und Untreue können relevant sein und das Ordnungswidrigkeitenrecht ist von enormer Bedeutung (insbesondere § 81 GWB und §§ 30, 130 OWiG). Oberhalb des Schwellenwertes unterliegt die Auftragsvergabe öffentlicher Auftraggeber:innen der vergaberechtlichen Kontrolle im Rahmen von Vergabenachprüfungsverfahren. Unterhalb des Schwellenwertes haben Bieter:innen keine derartigen Mittel um ihren Anspruch auf Einhaltung der Vergabevorschriften geltend zu machen, abgesehen von einzelnen Bundesländern wie etwa Sachsen, Thüringen oder Sachsen-Anhalt. Unberücksichtigte Bieter:innen müssen sich auf die allgemeinen Rechtsschutzmöglichkeiten, insbesondere den einstweiligen Rechtsschutz, stützen.
Erlangt ein Unternehmen, das an einem Vergabeverfahren oberhalb des Schwellenwertes teilgenommen hat, Kenntnis über einen Vergaberechtsverstoß, hat dieses 30 Kalendertage, um eine unzulässige de facto-Vergabe mit einem Nachprüfungsverfahren anzugreifen und die Unwirksamkeit des Vertrags feststellen zu lassen. Diese Frist beginnt allerdings nicht direkt bei Kenntnis der tatsächlichen Umstände. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat festgelegt, dass eine ausreichende Kenntnis der Rechtsprechung zum Erkennen von Vergaberechtsverstößen den Bieter:innen nicht zuzumuten ist. Deswegen beginnt die Frist erst dann, wenn auch eine laienhafte Wertung als Vergaberechtsverstoß vorliegt. Hat ein Vergaberechtsverstoß stattgefunden, so hat der benachteiligte Bieter beziheungsweise die Bieterin ein Recht auf Schadensersatz. Dazu muss ein Schadensersatzprozess bestritten werden. Lange war ungeklärt, ob ein Schadensersatzprozess nur dann begangen werden kann, wenn zuvor vergaberechtlicher Rechtsschutz versucht wurde, etwa durch ein Nachprüfungsverfahren. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 17. September 2019 festgestellt, dass ein Nachprüfungsverfahren keine zwingende Voraussetzung für den Schadensersatzanspruch ist. Ein Schadensersatzprozess lohnt sich jedoch tendenziell nur dann, wenn der benachteiligte Bieter oder die Bieterin davon ausgehen kann, dass er oder sie unter fairen Bedingungen den Zuschlag erhalten hätte.