Stoffpreisgleitklausel
Die Stoffpreisgleitklausel gehört zur Preisgleitklausel und ermöglicht, dass Bauunternehmer und Handwerker auf unerwartete Preissteigerungen reagieren können, indem sie die Aufschläge an die Auftraggeber weitergeben.
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Inhaltsverzeichnis
- Was sind Stoffpreisgleitklauseln?
- Warum gibt es Stoffpreisgleitklauseln?
- Gelten Stoffpreisgleitklauseln für alle Baustoffe?
- Erlasse der Öffentlichen Hand
- Arbeiten mit der Stoffpreisgleitklausel
- Berechnung der Stoffpreisgleitklauseln bei öffentlichen Aufträgen
- Sind Stoffpreisgleitklauseln auch rückwirkend anwendbar?
- Bei privaten Bauvorhaben muss verhandelt werden
- Aufwand für Stoffpreisgleitklausel nicht gedeckt
Was sind Stoffpreisgleitklauseln?
Die Stoffpreisgleitklausel zählt mit der Lohnpreisgleitklausel zu den beiden Unterkategorien der Preisgleitklausel. Diese sollen sicherstellen, dass Bauunternehmen unerwartete Preissteigerungen an die Auftraggeber:innen weitergeben können. Die Unterschiede zwischen der Stoffpreisgleitklausel und der Lohnpreisgleitklausel liegen auf der Hand: Während sich bei Lohnpreisgleitklauseln der Preis aufgrund der gestiegenen Lohnkosten verändert, sind bei Stoffpreisgleitklauseln die Baustoffpreise das entscheidende Kriterium. Wenn für Stahl oder Zement mehr gezahlt werden muss, kann unter Umständen eine Stoffpreisgleitklausel angewendet werden.
Eine Bedingung ist aber, dass das auftragnehmende Unternehmen die Preise nicht beeinflussen kann und es diese nicht im Voraus abschätzen konnte. Unter Umständen sind die Stoffpreisgleitklauseln auch für Betriebsstoffe anwendbar. Zu Betriebsstoffen zählen beispielsweise Gas oder Benzin für das Betreiben von Fahrzeugen, aber auch Strom oder Brennstoffe, denn auch hier handelt es sich um Stoffe, die verbraucht werden.
Warum gibt es Stoffpreisgleitklauseln?
Die Klausel wurde geschaffen, um Unternehmen vor sogenannten ungewöhnlichen Wagnissen zu schützen. Damit sind unerwartete Preissprünge bei Bau- oder Betriebsstoffen gemeint. Es soll verhindert werden, dass auftragnehmende Unternehmen auf diesen Kosten sitzen bleiben, denn dadurch könnten sie in eine finanzielle Schieflage geraten. Dies wäre auch für die auftraggebende Seite von Nachteil, weil es im schlimmsten Fall sogar zu Baustopps kommen kann.
Bei Bauzeitverlängerungen oder mehrjährigen Projekten ist die Gefahr naturgemäß höher, dass die benötigten Materialien sich verteuern. Deshalb soll die Stoffpreisgleitklausel dafür sorgen, dass die Mehrkosten für Auftragnehmer:innen durch die Auftraggeberseite abgedeckt werden. Gleiches gilt aber auch umgekehrt: Wenn die Preise fallen, muss diese Ersparnis an die Auftraggeber:innen weitergegeben werden.
Gelten Stoffpreisgleitklauseln für alle Baustoffe?
Nein, das ist nicht der Fall – außer es handelt sich um einen privatwirtschaftlichen Auftrag. Bei öffentlichen Aufträgen legt der Bund jeweils fest, für welche Baustoffe die Klausel gelten soll. Dieser beschränkt sich auf solche Baustoffe, die in besonderem Maß von Preisveränderungen betroffen sind und für die daher ein nicht zu kalkulierendes Preisrisiko besteht. Im Jahr 2022 galten für die folgenden Baustoffe Preisgleitklauseln:
- Stahl und Stahllegierungen
- Aluminium
- Kupfer
- Erdölprodukte (Bitumen, Kunststoffrohre, Folien und Dichtbahnen, Asphaltmischgut)
- Epoxidharze
- Zementprodukte
- Holz
- Gusseiserne Rohre
Erlasse der Öffentlichen Hand
Der Bund kann mittels eines ministeriellen Erlasses Stoffpreisgleitklauseln festlegen, die jeweils für alle Bundesbaumaßnahmen verbindlich sind. Die Länderbauverwaltungen und Kommunen übernehmen die darin enthaltenen Regelungen oft. Die Erlasse sind immer nur für einen bestimmten Zeitraum gültig. Wenn sich die Preise bis dahin nicht stabilisiert haben, können die Erlasse verlängert werden.
Arbeiten mit der Stoffpreisgleitklausel
Wie wird die Stoffpreisgleitklausel geregelt?
Wenn Preisgleitklauseln angewendet werden, gibt es spezielle Regelungen, die beachtet werden müssen. Dies betrifft sowohl die Vereinbarung, die Anwendung als auch die Abrechnung und Vergütung von Mehrkostenaufwendungen. Die Anwendung der Stoffpreisgleitklauseln ist in den Vergabehandbüchern für Baumaßnahmen geregelt, wobei es für Hochbau und Straßen- und Brückenbau unterschiedliche Regelungen gibt.
Im Hochbau gilt das Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund, Ausgabe 2017, Stand 2019). Die folgenden Formblätter müssen beachtet werden:
- Formblatt 225 – Einheitliche Fassung – und Verzeichnis sowie zugeordnete Richtlinien zu Bauaufträgen mit Erläuterungen zur Abrechnung und
- neuem Formblatt 225a (Stand 2022) für eine Berechnung ohne Basiswert 1, wenn dieser nicht ermittelbar ist, mit Erläuterungen zur Verfahrensweise,
- Formblatt 228 zur Stoffpreisgleitklausel-Nichteisenmetalle (NEM).
Der Straßen- und Brückenbau ist im Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B- StB )geregelt:
- Teil 1 unter Tz. 1.3 – Besondere Vertragsbedingungen (Nr. 19 bis 22),
- Teil 1 unter Tz. 1.4 – Leistungsbeschreibung (Nr. 43) und
- Teil 3 unter Tz. 3.2 – Abrechnung (Nr. 43 und 44).
- einschließlich der Vordrucke 141 und 145 sowie
- neue Vordrucke 141a und 145a bei Verzicht auf den Basiswert 1 als alternative Möglichkeit sowie Erläuterungen für die Berechnung.
Berechnung der Stoffpreisgleitklauseln bei öffentlichen Aufträgen
Die oben genannten Formblätter regeln, wie die Preise berechnet werden. Es gibt hierfür ein Berechnungsverfahren, das von Basiswerten ausgeht, die ermittelt werden müssen:
- Basiswert 1: Realer Baustoffpreis zum Zeitpunkt der Versendung der Vergabeunterlagen
- Basiswert 2: Preis zum Zeitpunkt der Angebotseröffnung
- Basiswert 3: Preis zum Zeitpunkt der Abrechnung.
Sind Stoffpreisgleitklauseln auch rückwirkend anwendbar?
Leider kann eine Stoffpreisgleitklausel nicht angewendet werden, wenn das Bauvorhaben bereits ausgeführt wird. Anders sieht es aus, wenn das Vergabeverfahren zwar veröffentlicht, aber mit der Ausführung noch nicht begonnen wurde. Hier lässt sich die Stoffpreisgleitklausel grundsätzlich noch nachträglich ergänzen. Das geht jedoch nur durch einen Nachtrag, der das laufende Vergabeverfahren aufrechterhält. Ein solcher Nachtrag kann beispielsweise sein, die Angebotsfrist anzupassen.
Bei privaten Bauvorhaben muss verhandelt werden
Die Preisgleitklauseln werden von der öffentlichen Hand erlassen und gelten nur für öffentliche Ausschreibungen. Sie wirken sich nicht direkt auf privatwirtschaftliche Bauverträge aus. Die ausführenden Bauunternehmen müssen vielmehr darauf achten, dass sie nicht auf den gestiegenen Kosten für Baustoffe oder Betriebsstoffe sitzen bleiben – und das ist Verhandlungssache. Sie müssen selbst aktiv werden und den Kundinnen und Kunden die Kostenspirale für Baustoffe erklären. Die Preisgleitklauseln der öffentlichen Hand sind dabei eine gute Argumentationshilfe. Gerade wenn die Marktsituation angespannt ist, sind die Kundinnen und Kunden auch dazu bereit, Bauverträge abzuschließen, die eine Preisgleitklausel enthalten. Oder sie erklären sich mit Zusatzvereinbarungen einverstanden. Es kann zum Beispiel vereinbart werden, dass die Kundin oder der Kunde die Baustoffe selbst bezahlt und dem Bauunternehmen zur Verfügung stellt. Eine weitere Möglichkeit wäre, mit Angeboten zu arbeiten, die nur kurze Bindefristen haben.
Aufwand für Stoffpreisgleitklausel nicht gedeckt
Die Teilnahme an einer Vergabe geht immer mit einem gewissen Aufwand für Architektinnen und Architekten einher. Die Umsetzung von Stoffpreisgleitklauseln gehört normalerweise nicht dazu, sondern ist eine zusätzliche Leistung, die einen erheblichen Mehraufwand bedeutet.
Schaut man sich an, welche Leistungen im Allgemeinen im Zusammenhang mit Ausschreibungen und Vergaben anfallen, stellt man fest, dass die Umsetzung von Stoffpreisgleitklauseln üblicherweise nicht zum Leistungsprogramm der Architekten zählt, sondern lediglich der aktuellen Marktsituation geschuldet ist. Die Architektenschaft sieht sich hier mit besonderen Anforderungen konfrontiert, die einen erheblichen Mehraufwand bedeuten – und nicht vergütet werden. In den Augen von öffentlichen Auftraggebenden sind diese Leistungen eine Art von Grundleistung – also einer Leistung, die erforderlich ist, um einen Auftrag erfüllen zu können (vgl. § 3 Abs. 2 HOAI). Ein zusätzliches Honorar wird daher nicht gezahlt.
Besondere Leistung gemäß VOB?
Dabei berücksichtigt das VOB eigentlich die Tatsache, dass das Umsetzen der Stoffpreisgleitklausel einen gewissen Mehraufwand mit sich bringt. Laut VOB kann dieser als “Besondere Leistung” abgerechnet werden. Allerdings sind hiermit umfangreiche Voraussetzungen verknüpft, die es zu erfüllen gilt. In einigen Fällen muss zum Beispiel dargelegt werden, wie hoch der Anteil des Materials am Gesamtprodukt ist.
Privatwirtschaft: Alles Verhandlungssache
Auch hier ist – ebenso wie bei der Frage, ob eine Stoffpreisgleitklausel eingesetzt wird – Verhandlungsgeschick gefragt. Es gilt, der auftraggebenden Seite zu erläutern, mit welcher zusätzlicher Arbeit die Stoffpreisgleitklausel verbunden ist, und dass dieser Aufwand über die Grundleistungen einer Architektin beziehungsweise eines Architekten hinausgeht.
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