Scheinausschreibung

Eine Scheinausschreibung liegt vor, wenn ein:e Auftraggeber:in eine Auftragsbekanntmachung veröffentlicht, ohne dabei den Willen zur Beschaffung von Angeboten seitens der Bieter:innen zu besitzen. In diesem Fall ist die Ausschreibung ihrem eigentlichen Zweck entfremdet.

Was ist eine Scheinausschreibung?

Das Vergaberecht sieht vor, dass neue Aufträge von öffentlichen Auftraggeber:innen auch öffentlich ausgeschrieben werden müssen. Jede:r Bieter:in bekommt so die Möglichkeit ein passendes Angebot abzugeben. Jedoch kommt es immer häufiger vor, dass Auftraggeber:innen mit einer Auftragsbekanntmachung keine Angebote oder Preisanfragen von Bieter:innen einholen wollen. Stattdessen nutzt er oder sie die Veröffentlichung der Ausschreibung zu anderen Zwecken, die lediglich dem oder der Auftraggebenden selbst nützen. In der Praxis bezeichnet man das mit dem Begriff einer Scheinausschreibung. Gemäß § 2 Abs. 5 S. 2 VOB/A, § 2 Abs. 3 VOL/A und § 20 Abs. 2 UVgO ist dieses Vorgehen jedoch untersagt, da der Bekanntmachung keine Vergabeabsicht zugrunde liegt und somit keine Zuschlagserteilung erfolgt.

Was ist das Ziel einer Scheinausschreibung?

Auftraggeber:innen verfolgen bei diesem Vorgehen nicht das Ziel, tatsächlich Angebote von Unternehmen zu erhalten und diese auf ihre Leistung hin zu prüfen – anders ausgedrückt: der Beschaffungswille liegt nicht vor. Stattdessen erhält die ausschreibenden Stelle auf diesem Weg wertvolle Informationen, wie zum Beispiel Kostenanschläge oder Preislisten.
Die Preisanfragen der Unternehmen können anschließend zum Beispiel zur Markterkundung genutzt werden. Dadurch versuchen Auftraggeber:innen, Baupreise abzuschätzen oder mehr Kenntnisse über die technischen Bauvarianten zu erhalten, wodurch der Markt und die gesuchte Leistung besser eingeschätzt werden können. Die Auftraggeber:innen gehen somit also nur ihrer juristischen Pflicht nach, die geforderte Leistung öffentlich auszuschreiben, nutzen diese aber aus vergabefremde Gründen.

Warum sind Scheinausschreibungen im Vergaberecht unzulässig?

Öffentliche Auftraggeber:innen sind dazu verpflichtet, mehrere Preisanfragen von unterschiedlichen Unternehmen einzuholen und diese genau zu prüfen, um das wirtschaftlichste Angebot herauszustellen. Das bedeutet: Dem Vergabeverfahren muss eine tatsächliche Vergabeabsicht zugrunde liegen, sodass eine Möglichkeit zur Zuschlagserteilung besteht. Laut § 2 Abs. 2 VOB/A und § 2 Abs. 1 VOL/A darf bei der Auswahl kein Unternehmen diskriminiert werden.
Ausschreibungen die jedoch lediglich der Markterkundung oder anderen vergabefremden Vorhaben dienen sind nach dem Vergaberecht unzulässig (§ 2 Abs. 5 VOB/A, § 20 Abs. 2 UVgO, § 2 Abs. 3 VOL/A). Unternehmen verschwenden dadurch ihre Zeit und ihr Geld bei der Bewerbung beziehungsweise Angebotserstellung oder gegebenenfalls auch in die Anreise zu einem Vorstellungsgespräch. Die Investition der Unternehmen ist in dem Fall, unabhängig von ihrer Qualifikation, aussichtslos.

Worauf sollten Bewerber:innen achten?

Es gibt einige Aspekte und Begriffe, die dafür sorgen sollten, dass Bewerber:innen noch einmal genauer hinsehen, da sie auf eine Scheinausschreibung hindeuten können:

  1. Eine sehr detaillierte Leistungsbeschreibung kann ein wichtiger Hinweis sein. Je spezifischer die Beschreibung ausfällt, desto weniger Bieter:innen passen zu dem Auftrag.
  2. Auch sehr spezielle und umfangreiche Anforderungen sollten hinterfragt werden. Einige Auftraggeber:innen verlangen genaue Fähigkeiten und Erfahrungen, die womöglich nur auf einen bestimmten Bieter oder eine bestimmte Bieterin zutreffen können, die der oder die Auftraggeber:in bereits gewählt hat.
  3. Auffällig sind auch sehr ungewöhnliche und neuartige Auftragstitel. Oftmals klingen diese Begriffe zwar sehr interessant, dienen aber teilweise nur als Markttest oder sollen sogar potenzielle Bieter:innen abschrecken.
  4. Immer wiederkehrende Ausschreibungen, die beispielsweise alle paar Monate erneut auftauchen, können ebenfalls ein Indiz dafür sein, dass hier keine ernsthafte Zuschlagsabsicht besteht.

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