So geht es: Vergabeverfahren aus dem Homeoffice
Das Arbeiten aus dem Homeoffice stellt noch immer Hürden dar: Wie kann ein Vergabeverfahren vorbereitet und durchgeführt werden, ohne dass physischer Kontakt nötig ist?
Das Wichtigste zu Vergabeverfahren aus dem Homeoffice in Kürze
- Vorbereitung digital abbilden: Bedarf klären, Markt erkunden, Unterlagen in Textform erstellen und im Vergabeportal veröffentlichen
- Technik & Sicherheit: VPN/Remote-Zugriff, dienstliche Accounts/Tools nutzen; Vertraulichkeit, Datenschutz und Geheimhaltung strikt wahren
- Medienbrüche vermeiden: Elektronische Angebotsabgabe ohne handschriftliche Unterschriften – durchgängig Textform statt Mix mit Post
- Angebotsöffnung: Vier-Augen-Prinzip sicherstellen (zeitgleiche Öffnung aus zwei Homeoffices; Passwortweitergabe vermeiden/sofort ändern)
- Bieterkommunikation & Präsentationen: Fragen in Textform beantworten; Termine per Telefon-/Videokonferenz mit klaren Leitlinien (Raum, Mute, Screen-Sharing)
- Zuschlag & Mitteilungen: Unterlegene Bieter:innen in Textform informieren, ideal mit Fax + Sendebericht für den Zugangsnachweis; Postverkehr möglichst ausschließen

Homeoffice ist mittlerweile allen bekannt, doch noch vor wenigen Jahren war die Arbeit aus den eigenen vier Wänden eine Seltenheit. Die Tatsache, dass wir so unvorbereitet in diese neue Art der Arbeit geworfen wurden und Deutschland in Sachen Digitalisierung in vielen Aspekten stark hinterher hinkt, eröffnen viele Schwierigkeiten, die teilweise auch nach einer gewissen Zeit noch nicht geregelt wurden. Auch für öffentliche Auftraggeber:innen stellt sich die Frage, wie ein Vergabeverfahren vollständig aus dem Homeoffice vorbereitet und durchgeführt werden kann. Denn ganz unproblematisch ist das nicht. Besonders die folgenden Punkte können Kopfzerbrechen bereiten:
- Die technischen Voraussetzungen werden nicht erfüllt.
- Das Verfahren ist halb digital, halb postalisch – und somit unübersichtlich.
- Sensible Daten sind unter Umständen schneller abgreifbar.
- Dritte Personen, wie beispielsweise Lebenspartner:innen, können Zugriff auf sensible Daten haben.
- Das Vier-Augen-Prinzip bei der Angebotsöffnung kann im Homeoffice nicht immer eingehalten werden.
- Unter Umständen werden Passwörter im Rahmen der Angebotsöffnung unter Kolleg:innen ausgetauscht.
Michael Pilarski, Volljurist und Prüfer von Vergaberechtsstellen, erklärt, wie ein Vergabeverfahren auch vollkommen ohne physischen Kontakt vergaberechtskonform ablaufen kann (Vergabeblog.de vom 4. März 2021, Nr. 46314).
Inhaltsverzeichnis
- Vorbereitung des Vergabeverfahrens
- Markterkundung und Erstellung der Vergabeunterlagen
- Durchführung des Vergabeverfahrens
- Die Angebotseröffnung
- Bieterpräsentationen im Homeoffice
- Prüfung und Wertung
- Mitteilungen an die unterlegenen Bieter:innen
- Postalische Kommunikation ausschließen
- Übersicht: Alle wichtigen Punkte auf einen Blick
- Fazit
Vorbereitung des Vergabeverfahrens
Sobald bei einem öffentlichen Auftraggeber oder einer öffentlichen Auftraggeberin ein Bedarf entsteht, bestimmt er bzw. sie den genauen Beschaffungsbedarf mittels einer Markterkundung. Die Leistung muss eindeutig und erschöpfend beschrieben und der Netto-Auftragswert plausibel geschätzt werden. Anhand des Netto-Auftragswertes wird ein Brutto-Budget im Haushalt freigegeben. Die übrigen Vergabeunterlagen werden erstellt. Dazu gehören die Bewerbungsbedingungen, Formulare für Eigenerklärungen zum Nichtvorliegen von Ausschlussgründen, Referenzen, Mindestentgelterklärungen, Verpflichtungserklärungen und Vertragsbedingungen. Wie die Vorbereitung auch digital ablaufen kann, hängt davon ab, wie die Vergabestellen digital ausgestattet sind. Im besten Fall sind die Arbeitnehmer:innen im Homeoffice durch einen VPN-Client mit dem VPN-Server verbunden oder haben per Homeoffice-Stick Zugriff auf die Systeme und Anwendungen des eigenen Unternehmens. Auch die Kommunikation unter den Mitarbeitern kann mithilfe einer unternehmensinternen E-Mail-Adresse, per Diensttelefon und mithilfe eines Tools für Telefonkonferenzen uneingeschränkt ablaufen. Das Diensttelefon ist unter Umständen im Homeoffice auch das private Telefon. Anrufe, die an das dienstliche Festnetztelefon gerichtet sind, können per Remote-Zugriff weitergeleitet werden.
Markterkundung und Erstellung der Vergabeunterlagen
Die Markterkundung erfolgt durch eine Internetrecherche. In den meisten Fällen werden hier noch keine sensiblen Daten des oder der Auftraggebenden einbezogen, weswegen die Recherche auch vom privaten Rechner möglich ist. Sind allerdings sensible Daten betroffen, so sollte die Recherche aus Datenschutzgründen per VPN-Client oder Homeoffice-Stick durchgeführt werden. Konnte der Bedarf konkretisiert, die Kosten geschätzt und die Haushaltsmittel freigegeben werden, werden als nächstes die Vergabeunterlagen erstellt. Spätestens hier wird mit sensiblen Daten umgegangen, weshalb die Vergabeunterlagen über die eigenen Systeme des oder der Auftraggebenden erstellt werden müssen, sprich mittels VPN-Client oder Homeoffice-Stick. Hier sind sie für die involvierten Mitarbeiter:innen zentral bearbeitbar und können abgestimmt werden. Die Vergabeunterlagen müssen in Textform erstellt werden, die Schriftform ist in Zeiten der elektronischen Vergabe nicht mehr zulässig. Das bedeutet, dass keines der erforderlichen Dokumente handschriftlich unterzeichnet werden muss. Dadurch entfallen die Anwesenheit vor Ort sowie lange Postlaufzeiten. Die Unterlagen werden also zentral bearbeitet und erstellt, danach in eine PDF-Datei konvertiert und auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben, damit den Vorgaben der Textform nach § 126 BGB genüge getan wird. Daraufhin müssen die Unterlagen in die entsprechenden virtuellen Räume des Online-Vergabeportals gelangen, was über einen internetfähigen Rechner aus dem auftraggebereigenen System möglich ist. Insgesamt kann mal also sagen, dass die Vorbereitung eines Vergabeverfahrens unproblematisch ist, wenn man über die entsprechenden technischen Tools verfügt und auf ein elektronisches Vergabeverfahren gesetzt wird.
Durchführung des Vergabeverfahrens
Sobald die Vergabeunterlagen in einem Online-Vergabeportal veröffentlicht wurden oder die ausgewählten Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wurden, ist das Vergabeverfahren eingeleitet. Während die Angebotsfristen laufen, werden in der Regel Bieterfragen beantwortet und Hinweise seitens der Vergabestelle erteilt. Die Beantwortung der Bieterfragen unterliegt keinerlei Hinweisen bezüglich der Form. Aus Beweis- und Dokumentationsgründen sollten sie allerdings in Textform nach § 126b BGB erfolgen, beziehungsweise §§ 8 Vgv, 6 UVgO, 20 VOB/A, oder 20 VOB/A EU. Oft ist zu beobachten, dass Vergabestellen eine elektronische Angebotsabgabe vom Bieter verlangen, einzureichende Erklärungen werden allerdings mit eigenhändiger Unterschrift erwartet. Dieser Medienbruch ist unnötig, führt zu Irritationen auf der Bieterseite und widerspricht dem Grundgedanken der elektronischen Vergabe, für die nur die Textform vorgesehen ist. Der Bieter muss die Erklärungen ausdrucken, unterzeichnen und wieder einscannen, wobei auch die eingescannte Unterschrift eigentlich nicht den Erfordernissen der Schriftform genügt, sondern das Original per Post zugesandt werden müsste. Deswegen sollten alle Dokumente, bei denen dies möglich ist, in Textform verlangt werden.
Nach Eingang der Angebote in Textform und Ablauf der Angebotsfristen können die Unterlagen in der Regel von einem Server in das jeweilige unternehmenseigene System heruntergeladen werden. Auch hier ist kein Medienbruch erforderlich, die Unterlagen können elektronisch abgelegt werden.
Die Angebotseröffnung
Problematisch ist, dass die Angebotseröffnung durch mindestens zwei Vertreter:innen des öffentlichen Auftraggebers oder der öffentlichen Auftraggeberin erfolgen muss. Da beide Mitarbeiter:innen nicht gleichzeitig an einem Homeoffice-Arbeitsplatz anwesend sein können, ist die Öffnung nach dem Vier-Augen-Prinzip erschwert. Möglich ist, dass beide Mitarbeiter:innen in ihrem jeweiligen Homeoffice die Angebotsöffnung gleichzeitig durchführen. Sollte dies nicht möglich sein, so gibt es hierfür eine pragmatische Lösung: Die Mitarbeiter:innen führen gemeinsam eine Telefonkonferenz durch, wobei eine/r das Passwort teilt, damit nur eine/r am Rechner in telefonischer Anwesenheit des anderen oder der anderen die Öffnung durchführt. Hier eröffnen sich allerdings mehrere rechtliche Unsicherheiten. So ist ungeklärt, ob dieses Vorgehen dem Vier-Augen-Prinzip genügt. Zudem dürfte das Weitergeben von Passwörtern den Nutzungsbedingungen der Signaturanbieter sowie Passwortrichtlinien des öffentlichen Auftraggebers widersprechen. Auf jeden Fall ist das Passwort unverzüglich zu ändern, wenn es einem anderen Beschäftigten mitgeteilt wurde, um Missbrauch auszuschließen.
Bieterpräsentationen im Homeoffice
Bieterpräsentationen können problemlos per Telefon- und Videokonferenz durchgeführt werden. Jede:r Teilnehmer:in kann daran aus seinem Büro oder Homeoffice teilnehmen. Ein paar Punkte sollten hierbei aber beachtet werden:
- Testen Sie vorab, ob bei allen Beteiligten die Technik funktioniert. Vereinbaren Sie am besten einen Testlauf. Dies ist auch für die Bieter:innen eine gute Gelegenheit, um die Funktionsweise des jeweiligen Programms für die Videokonferenz kennenzulernen (also z.B. WebEx, Skype, Teams usw.).
- Die Teilnehmer:innen sollten Headsets verwenden und diese auf Stumm (Mute) stellen, solange eine andere Person spricht. So lassen sich störende Umgebungsgeräusche minimieren.
- Natürlich müssen die rechtlichen Anforderungen beachtet werden. Die Geheimhaltung zum Schutze des Wettbewerbs und die Vertraulichkeit zum Schutze von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen (§ 5 VgV) müssen ebenso gewahrt werden wie das Datenschutzrecht.
- Es sind bestimmte räumliche Bedingungen zu erfüllen:
- Jede:r Teilnehmer:in muss sich in einem geschlossenen Raum befinden
- Unbefugten Dritten darf kein Zutritt gewährt werden.
- Jede:r Teilnehmer:in muss ein Headsets verwenden. So kann verhindert werden, dass die Gesprächsinhalte nach außen dringen.
- Jede:r Bieter:in muss darauf achten, dass nur die Präsentationsdatei für alle sichtbar ist, nicht aber der Desktop, das E-Mail-Programm oder Ähnliches.
Die jeweilige Vergabestelle sollte den Teilnehmer:innen rechtzeitig vor der Bieterkonferenz ein Merkblatt mit diesen Tipps zukommen lassen. Besonders wichtig sind die zu wahrenden rechtlichen Anforderungen. Am besten lässt sich die Vergabestelle von der Bieter:innenseite bestätigen, dass alle entsprechenden räumlichen Vorkehrungen zur Wahrung der Vertraulichkeit und des Geheimschutzes sowie Datenschutzes sichergestellt werden.
Prüfung und Wertung
Die Prüfung und Wertung kann die Vergabestelle unmittelbar in ihren Daten- beziehungsweise Vergabemanagementsoftware durchführen, die im PDF-Format eingereichten Angebote müssen nicht ausgedruckt werden. Um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, können in den Managementsystemen meist Matrizen für die Prüfung und Wertung der Angebote im Excel-Format vorgehalten werden. Bieterpräsentationen können problemlos per Telefon- und Videokonferenz durchgeführt werden.
Mitteilungen an die unterlegenen Bieter:innen
Wenn die Entscheidung gefallen ist, welches Unternehmen den Zuschlag erhalten soll, muss den nicht berücksichtigten Bieter:innen die Entscheidung kommuniziert werden. Auch hierfür ist nach §§ 134 GWB, 126b BGB lediglich die Textform erforderlich. Ein Dokument, in dem der Erklärende oder die Erklärende erkennbar ist, muss auf einem dauerhaften Datenträger vorhanden sein und an die nicht berücksichtigten Bieter:innen übersandt werden. Dabei ist die Nachweisbarkeit des Zugangs der Mitteilung etwas problematisch. Die Sendung per Fax ist empfehlenswert, damit die Vergabestelle einen Sendebericht vorhalten kann. Alternativ bleibt die Versendung per E-Mail oder Vergabeportal. Per Mail ist die Option des Versands mit Lesebestätigung zu wählen, auch wenn nicht sichergestellt werden kann, dass der oder die Empfänger:in das Lesen tatsächlich bestätigt. Auch über das Vergabeportal ist der Nachweis des Zugangs nicht sichergestellt, denn der oder die unterlegene Bieter:in muss die Mitteilung tatsächlich öffnen, was im Portal protokolliert würde. Auf diese Weise entsteht eine gewisse Abhängigkeit von den Bieter:innen, das Risiko ist in Realität aber kaum existent. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, nutzt jedoch am besten ein Faxgerät mit Sendebericht.
Postalische Kommunikation ausschließen
In solchen ausschließlich elektronischen Vergabeverfahren sollte keinerlei postalischer Schriftverkehr erfolgen. In den Vergabeunterlagen kann auch darauf hingewiesen werden, dass die Kommunikation ausschließlich elektronisch über die Vergabeplattform ablaufen wird und Informationen, die auf anderem Weg übermittelt werden, nicht zur Kenntnis genommen und beantwortet werden. Sollte der postalische Weg in seltenen Fällen unumgänglich sein, so können die Anwesenheitszeiten der Mitarbeiter:innen der Vergabestellen so aufgeteilt werden, dass die Post zentral eingescannt und abgelegt beziehungsweise verteilt wird.
Übersicht: Alle wichtigen Punkte auf einen Blick
Hierauf sollten Vergabestellen achten:
- Die Vergabestelle unterliegt keinerlei Hinweisen bezüglich der Form, wenn es um die Beantwortung von Bieter:innenfragen geht. Dennoch sollten sie diese aus Beweis- und Dokumentationsgründen in Textform beantworten.
- Führen Sie Bieter:innenpräsentationen per Telefon- und Videokonferenz durch.
- Lassen Sie den nicht berücksichtigten Bieter:innen die Entscheidung am bestem per Fax zukommen. Mit dem Sendebericht des Faxes können Sie nachweisen, dass die Bieter:innen die Mitteilung erhalten haben.
Hierauf sollten Bieter:innen achten:
- Die Arbeitnehmer:innen sollten entweder aus dem Homeoffice heraus durch einen VPN-Client mit dem VPN-Server verbunden sein oder per Homeoffice-Stick Zugriff auf die Systeme und Anwendungen des eigenen Unternehmens haben.
- Nutzen Sie für die Kommunikation unter den Mitarbeiter:innen eine unternehmensinterne E-Mail-Adresse, das Diensttelefon und ein Tool für Telefonkonferenzen.
- Falls das private Telefon im Homeoffice als Diensttelefon genutzt wird, können Sie Anrufe, die an das dienstliche Festnetztelefon gerichtet sind, per Remote-Zugriff weitergeleiten.
- Sind bei der für die Markterkundung notwendigen Internetrecherche sensible Daten betroffen? Dann sollten Sie die Recherche aus Datenschutzgründen per VPN-Client oder Homeoffice-Stick durchführen.
- Die Vergabeunterlagen müssen über die eigenen Systeme des oder der Auftraggeber:innen erstellt werden, sprich mittels VPN-Client oder Homeoffice-Stick.
- Sie müssen die Vergabeunterlagen in Textform erstellen. Die Dokumente müssen nicht handschriftlich unterzeichnet werden.
- Gibt es noch offene Fragen? Dann sollten diese an die Vergabestelle adressieren, solange die Angebotsfristen laufen.
- Sie möchten die Angebotseröffnung im Homeoffice durchführen? Lassen Sie beide Mitarbeiter in ihrem jeweiligen Homeoffice die Angebotsöffnung gleichzeitig durchführen. So kann das Vier-Augen-Prinzip gewahrt werden
Fazit
Bei der Vorbereitung und Durchführung von Vergabeverfahren aus dem Homeoffice eröffnen sich keine nennenswerten Probleme. Ein wenig Pragmatismus und Kreativität sind hilfreich, wenn vereinzelt Formerfordernisse im Weg stehen. Auch wenn Deutschland in Sachen Digitalisierung in vielerlei Hinsicht hinterherhinkt, sind viele Vergabestellen ausreichend gut aufgestellt, um elektronische Vergabeverfahren durchzuführen. Pilarski rät in Zeiten von Corona zu mutigen Entscheidungen zwecks Effizienz, die von den üblichen Vorgehensweisen abweichen, aber dennoch vertretbar sind.