Das Vier-Augen-Prinzip dient in vielen Bereichen als Kontrollinstanz zur Absicherung, um Missbrauch und Manipulation zu verhindern oder zu reduzieren. Es wird insbesondere in korruptionsgefährdeten Arbeitsgebieten angewendet. Das Vier-Augen-Prinzip besagt, dass bei wichtigen Vorgängen nicht nur eine Person, sondern mindestens zwei Personen anwesend sein müssen oder gemeinsam eine Entscheidung treffen müssen. Das Vier-Augen-Prinzip ist eine besondere Form des Mehr-Augen-Prinzips. Im englischen Sprachgebrauch spricht man hier von two-man-rule oder two-person-rule. Im Bereich Vergabe ist die Erklärung zum Vier-Augen-Prinzip enger gefasst.
Das Vier-Augen-Prinzip wird auch Vier-Augen-Kontrolle genannt und bedeutet im Zusammenhang mit Vergabeverfahren, dass bei wichtigen Entscheidungen immer zwei Kontrollinstanzen (Personen oder Prüfeinrichtungen) beteiligt sein müssen. Diese Definition gilt insbesondere für die Öffnung der Angebote und die Entscheidung über den Zuschlag. Beim Vier-Augen-Prinzip muss eine weitere Person beteiligt sein, die den zu prüfenden Sachverhalt fachlich beurteilen kann. Meist handelt es sich um eine Person der gleichen Hierarchieebene.
Ziel des 4 Augen Prinzips ist es, einem Missbrauch bei Vergaben vorzubeugen und Fehler zu reduzieren. Vier Augen sehen mehr als zwei. Gleichzeitig dient das Vier-Augen-Prinzip dazu, das Vergabeverfahren transparent zu machen und dafür zu sorgen, dass Unternehmen gleich behandelt werden. Eine Korruption ist erschwert, wenn bei wichtigen Entscheidungen im Vergabeverfahren vier statt zwei Augen beteiligt sind. Aus diesem Grund darf nur bei zwingenden Gründen vom Vier-Augen-Prinzip abgewichen werden.
Als vertikale Absprache bezeichnet man Absprachen zwischen den Sachbearbeiter:innen einer Vergabestelle und Mitarbeiter:innen eines Unternehmens. Diese Absprachen zielen darauf hin, dem betreffenden Unternehmen den Zuschlag illegal zu erteilen. Der Submissionsbetrug ist ein Bereich mit wahrscheinlich hoher Dunkelziffer. Manipulationen bei Ausschreibungsverfahren lassen sich durch das Vier-Augen-Prinzip wesentlich reduzieren.
Die Angebote müssen mindestens von zwei Vertreter:innen des öffentlichen Auftraggebers beziehungsweise der öffentlichen Auftraggeberin an einem gemeinsamen Termin geöffnet werden. Die gesetzlichen Regelungen dazu sind in folgenden Paragrafen festgehalten: § 55 Abs. 2 VgV, § 14 VOB/A und § 14 Abs. 2 VOL/A. Die Angebotsöffnung durch eine:n externe:n Dienstleister:in ist nicht zulässig. Die Öffnung des Angebots ist eine ureigene Aufgabe des Auftraggebers beziehungsweise der Auftraggeberin und muss durch Mitarbeiter:innen, die ihm zugeordnet sind, durchgeführt werden.
Die Regelungen nach § 55 der VgV zur Öffnung des Angebots entsprechen dem Vier-Augen-Prinzip: "Die Öffnung der Angebote wird von mindestens zwei Vertretern des öffentlichen Auftraggebers gemeinsam an einem Termin unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist durchgeführt. Bieter sind nicht zugelassen."
Nach § 14 der VOB/A gilt im Baubereich: "Sind nur elektronische Angebote zugelassen, wird die Öffnung der Angebote von mindestens zwei Vertretern des Auftraggebers gemeinsam an einem Termin (Öffnungstermin) unverzüglich nach Ablauf der Angebotsfrist durchgeführt."
Nach § 14 VOL/A ist zur Öffnung der Angebote das Vier-Augen-Prinzip festgelegt: "Die Öffnung der Angebote wird von mindestens zwei Vertretern des Auftraggebers gemeinsam durchgeführt und dokumentiert. Bieter sind nicht zugelassen. "