Vertragsstrafen im Baurecht – Wirksamkeit & Verstöße
Häufig sind in Bauverträgen Vertragsstrafen vereinbart. Diese können Regelungen enthalten, die unter gewissen Umständen unwirksam sind. Viele Bauunternehmen stellen sich die Frage, wann eine Vertragsstrafe wirksam ist und unter welchen Bedingungen sie diese nicht leisten müssen. Welche Umstände unbedingt beachtet werden sollten und was Auftraggeber:innen bei der Abnahme alles falsch machen können, werden wir in diesem Artikel erläutern.
Das Wichtigste zu Vertragsstrafen im Baurecht in Kürze
- Vertragsstrafen sichern die fristgerechte Fertigstellung von Bauleistungen ab, auch ohne nachweisbaren Schaden.
- Sie sind nur wirksam, wenn sie vertraglich eindeutig geregelt, angemessen (max. 5 % der Auftragssumme) und transparent formuliert sind.
- Der Vorbehalt der Vertragsstrafe muss bei der Abnahme erklärt werden, sonst verfällt der Anspruch.
- Vertragsstrafen dürfen nicht verschuldensunabhängig sein und müssen mit dem AGB-Recht konform gehen.
- Bei Verschiebung der Bauzeiten durch Auftraggeber:innen oder Fremdverschulden entfällt die Strafe, wenn eine Behinderung angezeigt wird.
- Nach VOB/B gelten zusätzliche Regeln (§ 11), z. B. Berechnung nach Werktagen und Pflicht zum Vorbehalt bei Abnahme.
Inhaltsverzeichnis
- Wann ist eine Vertragsstrafe wirksam?
- Vertragsstrafe bei nicht fristgerechter Fertigstellung
- Vorbehalt der Vertragsstrafe
- Höhe der Vertragsstrafe
- Verstoß gegen das AGB-Recht
- Anrechnung der Vertragsstrafe auf Schadensersatz
- Schadensersatz statt Vertragsstrafe
- Verschiebung der Bauzeiten
- Vertragsstrafe im Baurecht nach VOB

Was sind Vertragsstrafen?
Vertragsstrafen sollen den oder die Auftragnehmer:in dazu bewegen, die im Vertrag vereinbarte Leistung auch wirklich im vorgesehenen Umfang zu erbringen sowie Zwischen- oder Fertigstellungstermine in Containerbau, Fassadenbau oder Fertigbau fristgerecht einzuhalten. Die Höhe der Vertragsstrafe bemisst sich in den meisten Fällen am Auftragswert und ist auch dann zu zahlen, wenn den Auftraggeber:innen durch die Verzögerung gar kein Schaden entstanden ist. Dieses Vorgehen macht es den Auftraggeber:innen dahingehend leichter, die vorher festgelegte Summe zu erhalten, ohne dass er die Höhe von eventuellen Schadensersatzansprüchen darlegen oder nachweisen muss. Vertragsstrafen werden entweder im Bauvertrag oder in einer separaten Vereinbarung festgelegt. Dies kann auch nachträglich geschehen. Vertragsstrafen können sowohl in BGB- als auch in VOB/B-Bauverträgen enthalten sein.
Wann ist eine Vertragsstrafe wirksam?
Wann eine Vertragsstrafe wirksam ist und gezahlt werden muss, hängt vom BGB- und AGB-Recht ab. Dafür müssen folgende Umstände erfüllt sein:
Vertragsstrafe bei nicht fristgerechter Fertigstellung
Eine Vertragsstrafe im Baurecht wird für den Fall vereinbart, dass eine fristgerechte Erfüllung des Bauvorhabens nicht möglich ist - egal, ob Rohbauarbeiten oder Bauwerksabdichtungen. Für die Verwirklichung dieser Vertragsstrafe muss sich das Bauunternehmen daher im Verzug bei der Fertigstellung des Bauvorhabens befinden. Dafür muss jedoch die Voraussetzung von vorher verbindlich festgelegten Terminen gegeben sein. Im Bauvertrag müssen daher verbindliche Termine und Vertragsstrafen festgelegt werden, um diese geltend zu machen.
Vorbehalt der Vertragsstrafe
Wurde ein Fertigstellungstermin sowie eine Vertragsstrafe vereinbart, muss die Geltendmachung bei jeder Abnahme von Privat- und Industriebauarbeiten vorbehalten werden. Ist ein Vorbehalt der Vertragsstrafe nicht vorgenommen worden, verfällt an einem späteren Zeitpunkt der Anspruch auf Leistung der Vertragsstrafe. Ist die Schlussrechnung der fertiggestellten Bauleistung übermittelt, muss eine Abnahme mit Vorbehalt innerhalb der nächsten 12 Werktage vorgenommen werden, damit die Vertragsstrafe greift. Anderenfalls kann diese auch an einem späteren Zeitpunkt nicht verlangt werden.
Höhe der Vertragsstrafe im Bauvertrag
Eine im Bauvertrag festgelegte Vertragsstrafe muss so gesetzt sein, dass sie nicht zu einer bloßen Ertragsquelle für Auftraggeber:innen werden kann. Diese sollte vielmehr in einem angemessenen Verhältnis zum Werklohn stehen und ist ab 5 % der Auftragssumme nicht mehr zulässig. Ist anhand der Umstände eines Einzelfalls erkennbar, dass eine:e Auftraggeber:in die Vertragsstrafe ausschließlich dafür nutzt, um die Gewinne zu verbessern, neigen Gerichte dazu, die im Bauvertrag festgelegte Vertragsstrafe als rechtswidrig zu beurteilen. In vielen Fällen erklären Gerichte dann die Vertragsstrafe als unwirksam, da diese schon alleine gegen das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verstößt.
Generell gilt bei der Höhe der Vertragsstrafe, dass die Höhe doppelt begrenzt sein muss. Sowohl mit Bezug auf den Zeitraum als auch mit Bezug zur Gesamthöhe des Auftrages. Die zulässigen Obergrenzen liegen bei 0,2 bis 0,3 % der Auftragssumme pro Tag sowie 5 % der Gesamthöhe. Der festgelegte Tagessatz sollte im Verhältnis zur festgelegten Gesamthöhe angemessen sein.
Die Vertragsstrafenregelung sieht vor, dass Bauunternehmen nicht unangemessen benachteiligt werden dürfen. Auftragnehmer:innen sollten sich im Zweifelsfall mit einem Rechtsanwalt zusammenschließen, um die Klausel zur Vertragsstrafe überprüfen zu lassen.
Verstoß gegen das AGB-Recht
Vertragsstrafen, die verschuldungsunabhängig formuliert worden sind, sind nach dem AGB-Recht unwirksam, denn warum sollte ein Bauunternehmen eine Vertragsstrafe bezahlen, wenn dieser nicht für die Verzögerung verantwortlich ist. Eine Vertragsstrafe muss zudem betragsmäßig begrenzt sein, damit sie konform mit dem AGB-Recht ist. Die Vereinbarung einer Vertragsstrafe ab 0,2 % des Auftragswertes pro Arbeitstag wird mit kritischen Augen begutachtet. Eine Vertragsstrafenvereinbarung in den AGBs von 10 % bei einer Abrechnungssumme mit mehr als 15 Mio. Euro ist unwirksam. Für Verträge mit einer Abrechnunsgsumme unter 15 Mio. Euro, gilt eine Vertragsstrafe von 10 % als grundsätzlich wirksam, wenn der maßgebliche Vertrag vor dem 30. Juni 2003 vereinbart worden ist.
Anrechnung der Vertragsstrafe auf Schadensersatz
Wenn eine Anrechnung der Vertragsstrafe auf mögliche Schadensersatzansprüche vertraglich aufgeweicht wurde, kann dies eine Unwirksamkeit der gesamten Vertragsstrafenklausel riskieren. Eine Vereinbarung, wonach die Vertragsstrafe auch bei einem neuen Terminplan gelten soll, ist ebenfalls nicht AGB konform. Grundsätzlich müssen Klauseln über Vertragsstrafen transparent und verständlich formuliert sein, um wirksam zu sein. Für den Fall, dass man im Vertrag auch die Einhaltung von Zwischenzielen mit Vertragsstrafen versehen hat, sollte der Vertrag im Gegenzug eine Regelung enthalten, wonach diese bei den Zwischenterminen möglicherweise verwirkten Vertragsstrafen dann wieder entfallen, wenn der Auftragnehmer den vereinbarten Endfertigstellungstermin einhält.
Schadensersatz statt Vertragsstrafe
Schadensersatz steht den Auftragnehmer:innen also den Bauunternehmen dann zu, wenn sie aufgrund von Behinderungen durch andere ihre Leistung nicht wie im Vertrag vereinbart fertigstellen konnten.
Verschiebung der Bauzeiten
Wird der Bauzeitplan überschritten und somit der Fertigungstermin nicht eingehalten, kann der Anspruch auf eine Vertragsstrafe dann entfallen, wenn der oder die Auftraggeber:in selbst für die Zeitüberschreitung verantwortlich ist. Wird dem Bauunternehmen bei der Ausführung einer Bauleistung, aufgrund von einem Leistungsausfall eines Vorunternehmens nicht fertig, muss die Baubehinderung vom den Auftragnehmer:innen angezeigt werden, damit diese einer Vertragsstrafe entgehen können. Die Ausführungsfristen können dann durch schriftliches Anzeigen nach der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) verlängert werden.
Vertragsstrafe im Baurecht nach VOB
Auftraggeber:innen haben verständlicherweise ein großes Interesse daran, dass Bauaufträge fristgerecht abgeschlossen werden. Mittels der Vertragsstrafe sollen diese Interessen gewahrt werden. Dementsprechend sieht § 11 VOB/B vor, dass Vertragsstrafen ausdrücklich im Bauvertrag vereinbart werden müssen. Einzig die VOB miteinzubeziehen, ist nicht ausreichend. Bei der Anwendung von vertraglichen Strafen sind laut VOB/B die Regelungen in §§ 339 bis 345 BGB zur Vertragsstrafe anzuwenden. Lediglich einzelne Abweichungen werden in der VOB explizit genannt und geregelt:
- § 11 Nr. 2 VOB/B: Vertragsstrafen werden fällig, wenn der oder die Auftragnehmer:in mit der Arbeiten nicht fristgerecht fertig wird. In diesem Fall liegt eine verschuldensabhängig vereinbarte Vertragsstrafe vor; der Verzug muss jedoch ausdrücklich vorab als Vertragsstrafe vereinbart werden, siehe § 339 BGB.
- § 11 Nr. 3 VOB/B: Wird die Vertragsstrafe nach Tagen bemessen, zählen nur die Werktage. Wird die Berechnung der Strafe anhand von Wochen festgelegt, wird jeder Werktag als 1/6 Woche gerechnet.
- § 11 Nr. 4 VOB/B: Nach der Abnahme der Leistung können Auftraggeber:innen die Strafe nur verlangen, wenn sie sich dieses Recht bei der Leistungsabnahme vorbehalten haben. Tut sie dies nicht, kann keine Vertragsstrafe mehr geltend gemacht werden. Nach § 12 Abs. 5 VOB/B muss der Vorbehalt innerhalb der dort genannten Frist erklärt werden.
Fazit
Vertragsstrafen sind für Auftraggeber:innen ein gutes Mittel, um sich vor Schäden, die durch eine fehlerhafte Arbeitsweise des Bauunternehmens entstanden sind, zu schützen. Das Bauunternehmen sollte jedoch sorgfältig den Vertrag formulieren und später den Vorbehalt bei Abnahme erklären. Auftragnehmer:innen aus dem Wohnungsbau und anderen Branchen haben insbesondere durch die Anzeige von Behinderungen und deren Nachweis die Möglichkeit, sich vor Vertragsstrafen zu schützen. Daher sollten Auftragnehmer:innen selbst dann, wenn ihnen absehbar keine Mehrkosten durch eine Behinderung entstehen, alle Umstände kontrollieren und gegebenenfalls einen Rechtsanwalt zur Prüfung des Vertrags hinzuziehen.
Gratis E-Book: Bieten Sie erfolgreich auf Bauprojekte
