Verhandlungsverfahren

Das Verhandlungsverfahren ist im Vergaberecht ein Vergabeverfahren bei Auftragswerten oberhalb der EU-Schwellenwerte. Es ermöglicht dem öffentlichen Auftraggeber, nach Maßgabe der vergaberechtlichen Grundsätze mit oder ohne vorherigem öffentlichem Teilnahmewettbewerb, Verhandlungen über Vertragsinhalte und Preise mit Bietern zu führen. Damit ist das Verhandlungsverfahren weniger formstreng als die offenen und nichtoffenen Verfahren. Es ist allerdings nur in Ausnahmefällen zulässig.

Was ist ein Teilnahmewettbewerb im Verhandlungsverfahren?

Bei einem Teilnahmewettbewerb im Verhandlungsverfahren fordert der Auftraggeber eine unbegrenzte Zahl interessierter Unternehmen zur Einreichung von Teilnahmeanträgen auf. Hierbei übermitteln die Unternehmen geforderte Informationen zur Prüfung ihrer Eignung. Nach Prüfung durch den Auftraggeber wird eine Auswahl von Unternehmen aufgefordert, ein Erstangebot einzureichen.

Ein Verfahren ohne Teilnahmewettbewerb beginnt unmittelbar mit einer Aufforderung der vom Auftraggeber ausgewählten Unternehmen zur Abgabe von Erstangeboten. Nach den Regeln des Vergaberechts ist diese Vergabeart nur bei Aufträgen bis zu bestimmten Wertgrenzen oder in begründeten Sonderfällen zulässig.

Wann ist ein Verhandlungsverfahren nach Vergaberechtsreform 2016 zulässig?

Laut der Vergaberechtsreform aus 2016 ist ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zulässig, sofern bei einem offenen oder nichtoffenen Verfahren keine ordnungsgemäßen oder keine annehmbaren Angebote eingingen.

Bedingungen für Teilnahmewettbewerb beim Verhandlungsverfahren

Auf einen Teilnahmewettbewerb kann verzichtet werden, wenn der Auftraggeber alle geeigneten Unternehmen, die frist- und formgerechte Angebote eingereicht haben, in das Verhandlungsverfahren einbezieht. Das Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb beginnt unmittelbar mit der Aufforderung von den vom öffentlichen Auftraggeber ausgewählten Unternehmen zur Abgabe von Erstangeboten.

Der Auftraggeber kann Aufträge im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb in folgenden Fällen vergeben:

  • Anpassungen bereits verfügbarer Lösungen
  • innovative oder konzeptionelle Lösungen inklusive freiberufliche Leistungen
  • Art, Komplexität oder der rechtliche oder finanzielle Rahmen des Auftrags machen vorherige Verhandlungen nötig
  • Leistungen bzw. ihre technischen Anforderungen können nicht unter Verweis auf eine Norm mit ausreichender Genauigkeit beschrieben werden

Welche Verfahrensphasen gibt es im Verhandlungsverfahren?

Das Verhandlungsverfahren ist in vier Phasen eingeteilt:

  • Teilnahmewettbewerb
  • erste Angebotsphase
  • Verhandlungsphase
  • zweite Angebotsphase

Für die Teilnahmewettbewerbsphase und die erste Angebotsphase gelten Mindestfristen.

Erklärung zu Verhandlungsverfahren: Die Definition des Verhandlungsverfahrens ist mit Erläuterungen in der VOB/A, VOL/A, VOF, VSVgV, SektVO sowie im GWB festgelegt.

Was darf im Verhandlungsverfahren verhandelt werden? 

Im Verhandlungsverfahren darf über das gesamte Angebot verhandelt werden, mit Ausnahme der Mindestanforderungen des Auftraggebers sowie der Zuschlagskriterien. Typische Inhalte sind die Details zum Leistungsumfang, der Preis und Qualitätsanforderungen.

Darf im Verhandlungsverfahren nur über den Preis verhandelt werden?

Geht es in einem Verhandlungsverfahren nur darum, wer den günstigsten Preis abgegeben hat, ist das zulässig – so entschied das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 31.03.2021 – VII-Verg 56/20).

Ein öffentlicher Auftraggeber hatte in einem EU-weiten Verhandlungsverfahren Instandsetzungsarbeiten ausgeschrieben, wobei die Bestimmungen der VSVgV (Vergabeverordnung, Verteidigung und Sicherheit) Anwendung fanden. Den Zuschlag sollte das günstigste Angebot erhalten – andere Kriterien als den Preis gab es nicht.

Eine Bieterin war davon überzeugt, dass dies gegen das Vergaberecht verstößt und bat die Vergabekammer darum, die Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Sie argumentierte, dass Sinn und Zweck von Verhandlungsverfahren generell darin bestehen würden, fachlich komplexe Aufträge zu diskutieren. Außerdem erklärte die Bieterin, dass hier nur das günstigste Angebot den Zuschlag bekommen habe, nicht aber das wirtschaftlichste. Dies verstoße gegen den Gedanken des § 127 Abs. 4 S. 1 GWB.

Nachdem die Vergabekammer der Bieterin nicht zugestimmt hatte, hatte sie auch vor dem OLG Düsseldorf kein Glück. Die dortigen Richterinnen und Richter bestätigten, dass reine Preisverhandlungen im Vergaberecht zulässig sind. Das OLG bezieht sich auf §119 Abs.5 GWB. Demzufolge ist auch der Preis als Bestandteil des Angebots zu verhandeln. Sinn und Zweck sei es, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln – dies kann auch durch reine Preisverhandlungen geschehen.

Häufig gestellte Fragen zu Verhandlungsverfahren

Ein Verhandlungsverfahren ist dann zulässig, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen:

  • Bei konzeptionellen / innovativen Lösungen
  • Bei Anpassungen bestehender Lösungen
  • Die Leistung nicht genau zu beschreiben ist
  • Bei gescheiterten, vorangegangenen Ausschreibungen aufgrund unpassender oder mangelhafter Angebote

Alternativ steht dem öffentlichen Auftraggeber ein offenes oder nichtoffenes Verfahren zur Verfügung.

Bei einem Verhandlungsverfahren verhandelt der öffentliche Auftraggeber mit den Bietern über Vertragsinhalte und Preise.

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