Angebot für eine Ausschreibung zurückziehen
Man hat den Preis falsch kalkuliert oder schlichtweg das Interesse an dem ausgeschriebenen Projekt verloren und möchte nun sein Angebot zurückziehen. Doch wann und unter welchen Umständen können Angebote im Vergabeverfahren zurückgenommen werden?
Das Wichtigste zum Zurückziehen eines Angebots in Kürze
- Angebote sind grundsätzlich verbindlich und können nach Ablauf der Angebotsfrist nicht mehr zurückgezogen werden
- Eine Anfechtung ist nur bei echten Erklärungsirrtümern möglich – nicht bei internen Rechenfehlern
- Bei erheblichen Kalkulationsfehlern schützt ein BGH-Urteil Bieter:innen vor unzumutbarer Vertragserfüllung
- In Verhandlungsverfahren können indikative Angebote nachträglich zurückgezogen werden
- Nach Ablauf der Bindefrist besteht keine Verpflichtung mehr, das Angebot aufrechtzuerhalten
- Bei der eVergabe lassen sich Angebote vor Fristende einfach löschen oder anpassen

Grundsätzlich nur verbindliche Angebote!
Sowohl unterhalb der EU-Schwellenwerte nach VOL/A oder anderen Verwaltungsvorschriften als auch oberhalb der EU-Schwellenwerte nach VgV oder VOB/A, heißt es, dass grundsätzlich verbindliche Angebote abzugeben sind. Ab Ablauf der Angebotsfrist und bis Ablauf der Bindefrist gilt ein Angebot als verbindlich und kann nicht zurückgenommen werden. Vorher darf ein Angebot durch die Mitteilung an die ausschreibende Stelle zurückgezogen werden (§§ 10 Abs. 2 und 12 EG Abs. 10 VOL/A, §§ 10 Abs. 3 und 10 EG Abs. 8 VOB/A), wobei die jeweiligen vorgeschriebenen Bewerbungsbedingungen zu beachten sind. Nach Ablauf der Angebotsfrist kann ein Angebot grundsätzlich nicht mehr zurückgenommen werden. Wie überall gibt es aber auch hier Ausnahmen!

Anfechtung wegen Irrtum
Besteht ein echter Erklärungsirrtum, also eine fehlerhafte Angabe im Leistungsverzeichnis, die auf einem Übertragungsfehler bei der Übertragung der Preisangaben beruht, so kann das Angebot wegen Irrtums angefochten werden. Davon abzugrenzen sind interne Kalkulationsirrtümer. Diese liegen vor, wenn Bieter:innen sich schlichtweg in einer Position verrechnet haben. In diesem Fall können Bieter:innen ihre Willenserklärung nicht anfechten. Wird das Angebot dennoch zurückgezogen, können Auftraggeber:innen auf das ohne rechtfertigenden Grund angefochtene Angebot den Zuschlag erteilen. Erfüllt der Zuschlagsempfänger beziehungsweise die -empfängerin daraufhin nicht den Vertrag, kann Schadensersatz verlangt werden. Bieter:innen können ihre Angebote dahingehend anfechten, dass sie die betreffende Position im Leistungsverzeichnis als unwirksam erklären. Damit wäre das Angebot allerdings unvollständig und in der Regel auszuschließen. Als Bieter:in hat man also die Wahl, sein Angebot durch Anfechtung ungültig zu machen oder an dem angesetzten Preis festzuhalten.

Rücknahme eines Angebots bei erheblichen Kalkulationsfehlern
Erhebliche Kalkulationsirrtümer sind jedoch von den oben besprochenen Kalkulationsirrtümern abzugrenzen. Nach einem Urteil des BGH vom 11. November 2014 dürfen Arbeitgeber:innen Bieter:innen nicht dazu zwingen, Arbeiten auszuführen, deren Preis auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht. In dem vorliegenden Fall wurden Straßenbauarbeiten an einen Bieter erteilt, der kurz vor Zuschlagserteilung um Ausschluss seines Angebots gebeten hatte. Ihm sei bei der Kalkulation ein Fehler unterlaufen, der zu dem unschlagbaren Preis von 455.000 Euro geführt habe. Das nächsthöhere Angebot lag bei 621.000 Euro. Die Vergabe schloss das Angebot jedoch nicht aus, sondern erteilte dem Bieter den Zuschlag, der sich jedoch weigerte, die Arbeit auszuführen. Daraufhin wurde ein anderes Unternehmen beauftragt und die Mehrkosten vom ursprünglich beauftragten Bieter als Schadensersatz verlangt. Als der Fall vor dem BGH landete, entschied dieses zugunsten des Bieters. Der Auftraggeber habe gegen seine Rücksichtnahmepflicht verstoßen, indem er an einem Angebot festgehalten hat, da auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht. Von einem erheblichen Kalkulationsirrtum können man sprechen, wenn ein verständiger öffentlicher Auftraggeber erkennen kann, dass sich eine:e Bieter:in extrem zum eigenen Nachteil verkalkuliert habe, wie er im vorliegenden Rechtsstreit durch den großen preislichen Abstand zum nächsten Angebot der Fall war. Dann könne weder auf Vertragserfüllung noch auf Schadensersatz geklagt werden. Die Richter:innen betonen jedoch, dass dieses Urteil keinen Freibrief für Bieter:innen darstellt, unter dem Vorwand eines Kalkulationsirrtums ein bewusst günstig kalkuliertes Angebot abzugeben, um sich die Möglichkeit offenzuhalten, das Angebot zurückzuziehen. Bieter:innen sollten ihren Irrtum gut nachweisen können.
Rücknahme eines Angebots bei Verhandlungsverfahren
Ein Verhandlungsverfahren kann so gestaltet sein, dass der oder die Auftraggeber:in zunächst nur indikative Angebote verlangt. Da diese nicht verbindlich sind, können sie auch nach der Angebotsfrist zurückgenommen werden beziehungsweise die Bieter:innen sind nicht verpflichtet, in der nächsten Verhandlungsrunde ein verbindliches Angebot abzugeben.
Ablauf der Bindefrist
Bieter:innen sind nur bis zum Ablauf der Bindefrist an ihre Angebote gebunden. Innerhalb dieser soll die öffentliche Vergabestelle den Zuschlag erteilen. Die Bindefrist beginnt mit Ende der Angebotsfrist und sollte möglichst kurz bemessen werden und nicht länger dauern, als es für eine zügige Prüfung des Angebots erforderlich ist. Die VOB/A regelt die Länge der Bindefrist. In Ausnahmen darf diese verlängert werden.
Ausnahme: Teilnahme an der eVergabe
Wer sich dazu entschließt, an einer elektronischen Vergabe teilzunehmen, hat in Sachen Angebot zurückziehen einen großen Vorteil! Denn abgegebene Angebote lassen sich mit nur wenigen Klicks komplett löschen – vorausgesetzt, dies geschieht noch vor Ende der Angebotsfrist! Wurde die Frist überschritten, gilt auch hier: abgegebene Angebote zählen!
Übrigens, bei der eVergabe lassen sich die Angebote nicht nur zurückziehen, sie können auch nach dem Hochladen korrigiert und angepasst werden. Sollten Ihnen also ein Kalkulationsfehler, ein Tippfehler oder ähnliches passieren, kein Problem! Passen Sie die Daten einfach vor Ablauf der Frist an.
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