Personen, die an der Durchführung und der Entscheidung eines Vergabeverfahrens beteiligt sind, in dem sie durch direkte oder indirekte persönliche und anderweitige Interessen geleitet werden, können nicht unparteiisch und unabhängig entscheiden. Es entsteht eine Interessenkollision.
Die Interessenkollision kann aus finanziellen, wirtschaftlichen und persönlichen Gründen bestehen und wirkt sich negativ auf das Vergabeverfahren aus. Es ergeben sich Verstöße gegen Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz. Organmitglieder und Mitarbeiter öffentlicher Auftraggeber mit Interessenkonflikten dürfen nicht in einem Vergabeverfahren mitwirken (§ 6 Abs. 2 VgV). Anlass zur Vermutung eines Interessenkonflikts ist gegeben, falls Personen
Diese Hinweise gelten wegen des Abhängigkeitsverhältnisses sinngemäß für Familienmitglieder und nahe Verwandte eines öffentlichen Vertreters.
Öffentliche Vertreter haben nach vertraglichen und gesetzlichen Vorgaben im Interesse ihres Auftraggebers zu handeln. Gleichzeitig sind sie Privatpersonen und haben Interessen im persönlichen und familiären Umfeld zu wahren. Aus dieser Konstellation können Interessenkonflikte entstehen, die unvoreingenommenes Handeln verunmöglichen. Diese Situation kann dazu führen, dass Informationen missbraucht und unterschlagen werden. Betroffene Personen müssen unverzüglich in den Ausstand treten. Der Interessenkonflikt beginnt, sobald ein Risiko für Beeinflussung besteht, und nicht, wenn eine Beeinflussung stattgefunden hat.
Die Erklärung der Interessenkollision umfasst weite Bereiche aus Wirtschaft, Politik und Recht. Im medizinischen und universitären Umfeld kann es zu Abhängigkeiten und Konflikten kommen, falls sich Unternehmen finanziell an Studien und Lehrstühlen beteiligen. Interessenkonflikte in wissenschaftlichen Studien müssen durch Nennung von Sponsoren offengelegt werden.
Falls ein Mensch aus äußeren Zwängen gegen sein Gewissen und seine Überzeugungen handeln muss, gerät er in einen Gewissenskonflikt. Dieser kann gesellschaftlich und wirtschaftlich bedingt sein oder ethisch-moralisch, z. B. falls ebenbürtige Wertvorstellungen zueinander in Widerstreit geraten. Die Befolgung eines Gebots führt zum Verstoß gegen ein anderes (Dilemma). In besonderem Maße trifft dies auf Personen zu, die geheime Informationen an die Öffentlichkeit bringen, um auf verdeckte Missstände hinzuweisen (Whistleblower). Damit schaffen sie Transparenz, begehen gleichzeitig jedoch Geheimnisverrat an ihrem Auftraggeber.
Die Regeln für den Börsenhandel mit Wertpapieren sind im Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) festgehalten, darunter ein Abschnitt zur Insiderüberwachung. Wer von marktbeeinflussenden, nicht öffentlich bekannten Verhältnissen eines Unternehmens Kenntnis hat und diese ausnutzt, um sich oder anderen finanzielle Vorteile zu verschaffen, macht sich strafbar (§ 14 WpHG). Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, müssen eingeweihte Personen (Insider) Stillschweigen bewahren und in den Ausstand treten. Verstöße werden mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren und Geldstrafen geahndet.
Nach der Bundesrechtsanwaltsordnung darf ein Anwalt in einer Rechtssache keine widerstreitenden Interessen vertreten. Im Sinne einer Interessenkollision soll verhindert werden, Sondervorteile für einen Mandanten anzustreben (§ 43, Abs. 4 BRAO). Die Verschwiegenheitspflicht verbietet das Aufdecken von Geheimnissen an Drittparteien (Anwaltsgeheimnis).
Sobald zwei, drei Ziele gleichzeitig und im gleichen Ausmaß erfüllt werden sollen, entsteht ein Zielkonflikt. Die Verwirklichung des einen Ziels wird die Umsetzung des anderen behindern bzw. verunmöglichen. Ein gutes Beispiel für diesen Begriff ist das Dreieck der Vermögensanlage, mit den konkurrierenden Zielen von Rendite, Liquidität und Sicherheit. Um die Interessenkollision zu lösen, muss eine Priorisierung vorgenommen werden, auf welches Hauptziel der Fokus zu legen ist.