BIM nun auch im Hochbau Pflicht: Was können Unternehmer:innen erwarten?
Die Pflicht zur BIM-Nutzung wird immer weiter ausgedehnt. Dennoch nutzen nicht alle Unternehmer:innen die Technologie. Hat man denn ohne BIM bei Ausschreibungen überhaupt noch eine Chance?
Das Wichtigste zur BIM-Pflicht im Hochbau in Kürze
- Seit Ende 2022 ist BIM auch bei öffentlichen Hochbauprojekten verpflichtend, Digitalisierung am Bau schreitet weiter voran
- BIM bildet den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks digital ab – von Planung bis Abriss – und ermöglicht allen Beteiligten Zugriff auf einen virtuellen Zwilling
- Der Stufenplan führte BIM schrittweise ein: Vorbereitung (2015–2017), Pilotphase (2017–2020), Implementierung ab 2020
- Vorteile: Effizientere Planung, schnellere Bauausführung, weniger Fehler, Kostensenkung und bessere Zusammenarbeit aller Projektbeteiligten
- Einführung erfordert Investitionen, IT-Umstellungen und Schulungen – viele Unternehmen schrecken noch vor dem Aufwand zurück
- Neues BIM-Portal unterstützt Auftraggeber:innen und Auftragnehmer:innen mit Vorlagen, Datenbibliotheken und Prüfwerkzeugen

Bereits 2015 wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) eine schrittweise Einführung von Building-Information-Modeling (BIM) entschieden. Der damals entworfene Stufenplan sollte Unternehmen an die Hand nehmen, um eine flächendeckende Etablierung und Umsetzung von BIM zu erleichtern. Seit Januar 2021 ist BIM bei der Vergabe öffentlicher Aufträge für den Infrastrukturbau des Bundes verpflichtend. Seit Ende 2022 ist die Nutzung von BIM auch bei Hochbauten ein Muss und die Digitalisierung am Bau wird voraussichtlich weiter fortschreiten. Doch was genau sind die Vorteile von BIM? Und warum nutzen noch nicht alle die mittlerweile nicht mehr ganz so neue Technologie?
Der neue Weg zum digitalen Bauen
Building-Information-Modeling, kurz BIM, ist eine Technologie, mit der die Baubranche digital erweitert werden soll. Dabei wird der gesamte Lebenszyklus eines Projektes virtuell abgebildet. Vom Entwurf, über die Planung eines Bauwerks und den Bau selbst, bis hin zum Abriss, wird alles in einem digitalen Zwilling dargestellt. Die Modelle werden in einem 3D- bis 5D-Format verkörpert und alle Beteiligten erhalten die Möglichkeit, Prozesse zu steuern, auf Datenbanken zuzugreifen und die virtuellen Pläne zu sehen. Ganz egal, ob Architekt:innen, Bauherr:innen, Ingenieur:innen, Planer:innen oder Statiker:innen: Alle können gemeinsam mit den Plänen und der virtuellen Darstellung arbeiten.
Der BIM Stufenplan im Detail
Das Bauministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur hat am 15. Dezember 2015 einen Stufenplan für die Einführung der Building-Information-Modeling-Technologie freigegeben. Dadurch sollte BIM bei zukünftigen Infrastrukturprojekten flächendeckend genutzt werden. Mithilfe des Stufenplans wird die Technologie schrittweise in die Baubranche eingeführt. Da die Arbeit mit digitalen Modellen auch erfordert, dass neue IT-Methoden erlernt werden und die erforderliche Soft- und Hardware beschafft wird, dient der Stufenplan dabei als Orientierung und Unterstützung. Der Plan sieht außerdem vor, dass die öffentliche Hand dabei als Vorbild agiert und Impulse für das digitale Bauen liefert. Auch kleine Unternehmen, die weniger Mittel zur Verfügung haben, um sich auf die Umstellung vorzubereiten, sollen durch finanzielle Mittel unterstützt werden. Insgesamt umfasst der Stufenplan drei verschiedene Phasen. Darin wird unter anderem auch das erforderliche Leistungsniveau beschrieben und man findet genaue Hinweise, welche Vorbereitungsmaßnahmen ergriffen werden sollten. In erster Linie gilt er aktuell für den Infrastrukturbau und den infrastrukturbezogenen Hochau, jedoch kann er auch in anderen Bereichen angewendet werden.
Vorbereitungsphase
Die erste Phase des Stufenplans ist die Vorbereitungsphase, die sich von 2015 bis 2017 erstreckte. Darin wurden Checklisten, Leitfäden und verschiedene Muster erarbeitet, die bei der späteren Durchführung helfen sollen. Außerdem wurden Maßnahmen zur Standardisierung durchgeführt. Dafür wurden verschiedene Pilot- und Forschungsprojekte untersucht und anschließend herausgearbeitet, welche Anforderungen für die Daten, Technologien und Qualifikationen entstanden sind. Durch diese Projekte konnten mehr Personen die Vorteile, die mit BIM einhergehen, sehen, sodass Interesse geweckt wurde, das Konzept selbst anzuwenden. Neben den organisatorischen Aspekten wurden aber auch rechtliche Fragen geklärt, die gegebenenfalls berücksichtigt werden müssen.
Erweiterte Pilotphase
Im Jahr 2017 war schließlich der Start für die zweite Phase des Stufenplans: die erweiterte Pilotphase. Bis 2020 wurden in der Phase die meisten Erfahrungen gesammelt. Dafür wurde die Anzahl an Pilotprojekten deutlich erhöht, um für alle Bau- und Planungsphasen ausreichend Erfahrungswerte zu generieren. Teil dieser zweiten Phase war außerdem die Erfüllung des Leistungsniveaus eins. Das Leistungsniveau eins umfasst alle Mindestanforderungen, die in der zweiten Phase des Stufenplans, bei allen Pilotprojekten erfüllt sein müssen, und später auch in neu zu planenden Projekten mit BIM Anwendung finden sollen. Somit dient diese Stufe dazu, die Anforderungen vor der allgemeinen Implementierung zu testen. Dazu gehört unter anderem:
- die Verwendung einer Datenplattform zur Darstellung und Verwaltung von 3D-Modellen und Zeichnungen.
- die Übergabe von Daten in herstellerneutralen, als auch originären Datenformaten.
- die Kontrolle von Baufortschritten und die Identifikation von Mängeln in Bauprojekten mit BIM.
- die Übergabe der Modelle zur Verwendung im Betrieb.
Einführung des BIM bei neuen Projekten des BMVI
In der dritten und letzten Phase des Stufenplans, die 2020 gestartet ist, geht es primär um die explizite Anwendung dieses Konzeptes. Die BIM-Technologie soll nun auch in mehreren neu zu planenden Projekten des BMVI Anwendung finden und dadurch das Leistungsniveau eins auch in den Neuausschreibungen implementiert werden. Die öffentlichen Auftraggeber:innen müssen zuvor alle nötigen Maßnahmen ergreifen, um die Mindestanforderungen ab dem Zeitpunkt erfüllen zu können. Dafür sollen bestenfalls alle Beteiligten für den Stufenplan werben, um somit mehr betroffene Personen zu erreichen. Die Verantwortung für die Etablierung ist auf verschiedene Stellen verteilt. Aktuell ist zum Beispiel das Bundesministerium für Verkehr und Digitales (BMDV) für die Einführung von BIM im Bereich der Infrastruktur zuständig, während sich das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) um die Einführung im Hochbaubereich des Bundes kümmert. Derzeit existieren noch keine konkreten Pläne für weitere Bereiche, in denen die Technologie angewendet werden soll, jedoch hofft man, dass BIM sich schrittweise ausbreitet. Dafür werden noch genauere Masterpläne erarbeitet.
Zusammenfassung der einzelnen Stufen
Stufe | Zeitraum | Inhalt der Stufe |
---|---|---|
Vorbereitungsphase | 2015-2017 | Leitfäden, Checklisten und Muster werden erarbeitet ; Standardisierungsmaßnahmen werden durchgeführt |
Erweiterte Pilotphase | 2017-2020 | Anzahl der Pilotprojekte wird erweitert ; Erfahrungen werden gesammelt ; Leistungsniveau eins wird erstmals angewendet |
Schrittweise Implementierung | ab 2020 | BIM soll im Zuständigkeitsbereich des BMVI etabliert werden ; Leistungsniveau eins findet auch auf neue Projekte Anwendung |
Effizienzsteigerung und Kostenreduktion durch BIM
BIM-kompetente Unternehmen sind aktuell die Vorreiter in der Digitalisierung der Baubranche – und das ist ein echter Wettbewerbsvorteil. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für die Nutzung von BIM, denn diejenigen, die es nutzen, sind schnell überzeugt. So geben 38 Prozent der Ingenieurbüros an, dank der Technologie ihre Bauausführung effizienter gestalten zu können. 30 Prozent sehen auch eine Effizienzsteigerung in der Arbeitsvorbereitung und 23 Prozent bei der Kalkulation. Auch Tiefbauunternehmen sehen diese Vorteile, doch besonders ausschlaggebend ist hier, dass 22 Prozent eine Kostenreduktion durch die Anwendung von BIM feststellen.
Für viele Unternehmen wird der Einstieg in diese Richtung durch die Pilotprojekte zudem deutlich erleichtert, bevor man vollständig darauf umsteigt. Durch die BIM-Methode können alle Informationen und Daten gebündelt werden und stehen somit für alle Beteiligten des Projektes zur Verfügung. Dadurch können Änderungen direkt an jeden weitergeleitet werden und eine Anpassung stattfinden, wodurch enorm viel Zeit eingespart werden kann. Außerdem können Unternehmen eine individuelle Strategie zur Entwicklung anwenden und das Tempo individuell anpassen.
Warum so viele Unternehmen trotz der durchweg positiven Resonanz BIM noch nicht eingeführt haben, scheint sehr eindeutig: Insgesamt 62 Prozent der Ingenieurbüros und 65 Prozent der Tiefbauunternehmen konnten derzeit keine Nachfrage, seitens der Kund:innen, nach einer Planung mit BIM sehen. Auch diejenigen, die es bereits eingeführt haben, haben dies aus anderen Gründen getan. Bei den Ingenieurbüros ist diese Entscheidung zumeist von äußerlichen Einflüssen motiviert. 59 Prozent nannten als primären Grund den Druck, der von der Politik ausgeht. Tiefbauunternehmen sehen hingegen überwiegend eine innere Motivation, wie die Optimierung der internen Prozesse und der Bauabläufe (50 Prozent). Zudem ist der Aufwand für viele Unternehmen noch immer zu groß. Die Einführung von BIM erfordert Investitionen und Schulungen der Mitarbeiter:innen. Das heißt, dass dadurch Betriebsabläufe und Mitarbeiteraufgaben angepasst werden müssen, was einigen Betrieben zu aufwändig ist.
Etablierung des BIM mithilfe eines Portals
Viele Expert:innen der Baubranche sehen Potenzial in der Entwicklung von BIM-Projekten. Die Vorteile, die die Technologie mit sich bringt, können vielen Unternehmen die Projektarbeit deutlich erleichtern und zu effizienterem Bauen beitragen. Um die Kommunikation und die Zusammenarbeit in Projekten zu erleichtern, wurde Ende 2022 das BIM-Portal eingeführt. Auf dieser Plattform werden zahlreiche Informationen und Daten, wie sogenannte Datenbibliotheken oder Webwerkzeuge bereitgestellt. Öffentliche Auftraggeber:innen haben dadurch die Möglichkeit, genaue Angaben zum Informationsbedarf zu machen. Sie können mithilfe von digitalen Vorlagen exakt definieren, welche Daten in welchem Umfang geliefert werden müssen und genaue Informationsanforderungen für die Leistungsphasen stellen. Dabei können sie verschiedene Tools verwenden, um zu prüfen, ob die Informationen im Planungs- und Bauprozess auch fehlerfrei erfasst wurden. Für die Auftragnehmer:innen liegen dadurch genaue Leistungsbeschreibungen bereit, die sie nutzen können, um dahingehend Entscheidungen zu treffen, Prozesse zu steuern und das Projekt zu kalkulieren.
Das Portal ist demnach eine zentrale Plattform, auf der alle Akteur:innen gemeinsam bei der Entwicklung und Durchführung eines Projektes arbeiten und interagieren können. In sogenannten Modulen werden für jeden Beteiligten die Aufgaben separat ausgewiesen. Wie genau das aussieht, kann man hier sehen:
- Modul Merkmale: Das Modul ist für die Pflegestelle. Diese ist dafür zuständig, allgemeine Merkmale für öffentliche Ausschreibungen zu verwalten und bereitzustellen, die zuvor vom Zentrum für Digitalisierung des Bauwesens erstellt wurden.
- Modul AIA: Die Auftraggeber:innen können dann mithilfe der Vorlagen die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) definieren.
- Modul Objektvorlagen: Im nächsten Schritt werden dann AIA-konforme Objektvorlagen zur Verfügung gestellt, die von den Auftragnehmer:innen genutzt werden können.
- Modul Prüfwerkzeuge: Schließlich können die Auftraggeber:innen AIA-konforme Prüfwerkzeuge nutzen, um die Qualität der Projekte sicherzustellen.
Durch die Implementierung des Portals kann somit auch künftig erwartet werden, dass mehr Unternehmen bereit sind, auf die BIM-Methode umzusteigen, weil dadurch die Umsetzung und Kommunikation deutlich erleichtert wird.