Interessenkonflikt
Bei öffentlichen Ausschreibungen entstehen häufig Interessenkonflikte zwischen den Personen, die bei der Durchführung beteiligt sind oder Einfluss auf den Ausgang des Verfahrens nehmen können.
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Inhaltsverzeichnis
- Definition: Was ist ein Interessenkonflikt?
- Gesetzliche Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten
- Interessenkonflikte bei bestimmten Tätigkeiten und Funktionen
- EU-Vorgaben zur Verhinderung von Interessenkonflikten
- Nach EU-Richtlinie kein absolutes Mitwirkungsverbot bei Interessenkonflikten
- Beispiele für Interessenkonflikte
- Verfahren zur Verhinderung von Interessenkonflikten
Definition: Was ist ein Interessenkonflikt?
Bei der Vergabe öffentlicher Aufträge wird von einem Interessenkonflikt gesprochen, wenn die Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit der teilnehmenden Personen durch direkte oder indirekte finanzielle, wirtschaftliche oder persönliche Interessen beeinträchtigt ist, siehe $ 6 Abs. 2 VgV.
Kurz gesagt, könnte die Erklärung zu Interessenkonflikt auch lauten: Ein Interessenkonflikt besteht für Personen, die in einem Vergabeverfahren nicht unparteilich oder unabhängig agieren können.
Der Interessenkonflikt beginnt, sobald das Risiko einer Beeinflussung besteht.
Interessenkonflikte bei Angehörigen von Personen
Neben direkt beteiligten Personen, können auch Angehörige von Beteiligten die genannten Bedingungen erfüllen, sodass ein Interessenkonflikt entsteht. In § 6 Abs. 4 VgV werden folgende Personengruppen unter Angehörige zusammengefasst:
- Verlobte
- Ehegatten
- Lebenspartner:innen
- Verwandte und Verschwägerte in gerader Linie
- Geschwister
- Angehörige der Geschwister: Kinder, Ehegatten und Lebenspartner:innen
- Geschwister der Ehegatten und Lebenspartner:innen
- Geschwister der Eltern
- Pflegeeltern und Pflegekinder
Gesetzliche Regelungen zur Vermeidung von Interessenkonflikten
Im neuen Vergaberecht (VgV) von 2016 ist in § 6 zur Vermeidung von Interessenkonflikten festgelegt, dass Organmitglieder oder Mitarbeiter:innen der Auftraggeberseite sowie Beschaffungsdienstleister:innen, die im Namen der öffentlichen Auftraggeberseite handeln, nicht in einem Vergabeverfahren mitwirken dürfen. Im Gegensatz zur bisherigen gesetzlichen Regelung nach § 16 knüpft das Mitwirkungsverbot nicht automatisch an Verwandtschaftsverhältnissen an, sondern am Vorliegen von Interessenkonflikten.
Interessenkonflikte bei bestimmten Tätigkeiten und Funktionen
Für die folgenden Fälle wird nach § 6 ein Interessenkonflikt vermutet:
- Wenn die in der Definition genannten Personen Bewerber:innen oder Bieter:innen sind.
- Wenn die genannten Personen als Berater:innen für Bewerber:innen oder Bieter:innen fungieren oder diese unterstützen oder vertreten.
- Wenn die genannten Personen bei Bewerber:innen oder Bieter:innen gegen Entgelt beschäftigt sind oder bei ihnen als Mitglied des Vorstandes oder Aufsichtsrats tätig sind.
- Wenn die genannten Personen für ein in das Vergabeverfahren einbezogene Unternehmen tätig sind und dieses Unternehmen gleichzeitig geschäftliche Beziehungen zur Auftraggeberseite und zu Bewerber:innen oder Bieter:innen hat.
EU-Vorgaben zur Verhinderung von Interessenkonflikten
In der Vergaberichtlinie 2014/24/EU werden öffentliche Auftraggeber:innen aufgefordert, von allen nach nationalem Recht zur Verfügung stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, um Verzerrungen infolge von Interessenkonflikten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu vermeiden. Die Mitgliedstaaten sollen geeignete Maßnahmen zu Verhinderung und Aufdeckung von Interessenkonflikten finden, damit die Gleichbehandlung aller Teilnehmer:innen an einem Vergabeverfahren gewährleistet ist. Die EU-Richtlinie nennt alle Situationen, in denen ein Interessenkonflikt besteht.
Nach EU-Richtlinie kein absolutes Mitwirkungsverbot bei Interessenkonflikten
In der Richtlinie (2014/24/EU) ist bei Vorliegen von Interessenkonflikten kein absolutes Mitwirkungsverbot vorgesehen. Es geht vielmehr darum, Auftraggeber:innen für mögliche Interessenkonflikte zu sensibilisieren, damit Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden.
Beispiele für Interessenkonflikte
- Der oder die Ehepartner:in eines Sachbearbeitenden, der oder die bei einem öffentlichen Auftraggeber beziehungsweise einer Auftraggeberin arbeitet und ein Ausschreibungsverfahren überwacht, arbeitet für eine:n am Vergabeverfahren beteiligte:n Bieter:in.
- Eine Person gehört dem Bewertungsausschuss einer Ausschreibung an und besitzt gleichzeitig Anteile an diesem Unternehmen.
- Der oder die Leiter:in eines Auftraggebers beziehungsweise einer Auftraggeberin verbringt einen Urlaub mit der Geschäftsführung einer Firma, die in einem Vergabeverfahren des oder der Auftraggeber:in ein Angebot einreicht.
- Ein:e Beamte:r eines oder einer Auftraggeber:in ist Funktionsträger:in derselben politischen Partei wie der oder die Geschäftsführer:in eines der Unternehmen, die sich als Bieter beteiligt haben.
Verfahren zur Verhinderung von Interessenkonflikten
In Deutschland gibt es kein vorgeschriebenes Verfahren, um Interessenkonflikte zu verhindern, aufzudecken oder zu beheben. Interessenkonflikte werden oft erst dann aufgedeckt, wenn das Vergabeverfahren bereits in Gang gekommen ist.