Schlechte Karten bei der Vergabe: KMU werden benachteiligt
Kleine und mittlere Betriebe sollen sich einfacher auf öffentliche Aufträge bewerben können – so lautete das erklärte Ziel der Ampel-Regierung. Doch da hat sich bisher nicht viel getan. Dabei ist es dringend notwendig, KMU von unnötiger Bürokratie und komplexen Regelungen zu befreien.
Das Wichtigste zu KMU und öffentlicher Auftragsvergabe in Kürze
- Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind wichtige Auftragnehmer für öffentliche Projekte, stoßen aber auf hohe bürokratische Hürden
- Geforderte Nachweise sind oft überzogen oder nicht auftragsrelevant und belasten KMU stärker als große Unternehmen
- Die Ampelkoalition will das Vergaberecht vereinfachen und fairer gestalten, bisher sind jedoch kaum Fortschritte sichtbar
- Große Losgrößen benachteiligen KMU, da sie häufig nur als Subunternehmer mit geringeren Margen beteiligt werden
- Uneinheitliche Vergaberegeln in Bund und Ländern sorgen für einen „Vergabedschungel“ und erschweren Bewerbungen
- Zentrale, digitale Vergabeplattformen mit einheitlichen Prozessen könnten Verfahren vereinfachen und KMU besser einbinden

Viele öffentliche Ausschreibungen – wie beispielsweise die Sanierung einer Schule – werden häufig von kleineren und mittleren Handwerksbetrieben ausgeführt. In Deutschland ist das Handwerk zum größten Teil kleinbetrieblich strukturiert. Für diese kleinen Betriebe sind neben privaten auch die öffentlichen Auftraggeberinnen und Auftraggeber eine wichtige Einnahmequelle. Das Handwerk generiert etwa ein Siebtel seiner Umsätze durch öffentliche Aufträge.
Inhaltsverzeichnis
- Es werden Nachweise gefordert, die nichts mit dem Auftrag zu tun haben
- Pläne der Ampelkoalition: Vergaberecht soll einfacher werden
- Es sind immer mehr Nachweise nötig
- Die Losgrößen werden dem Mittelstand nicht gerecht
- Klare Regeln sind für alle besser
- Föderalismus führt zu noch mehr Regeln
- Können zentrale Vergabeplattformen Prozesse vereinfachen?
Es werden Nachweise gefordert, die nichts mit dem Auftrag zu tun haben
Öffentliche Aufträge sind also begehrt. Dementsprechend sollten diese auch in einen fairen Wettbewerb vergeben werden, so dass sowohl kleinere als auch größere Betriebe eine Chance haben. Dem ist leider nicht so. Gerade kleinere Unternehmen ärgern sich oft über die bürokratischen Hürden bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Wenn sie sich auf eine öffentliche Ausschreibung bewerben, werden jedes Mal in einem nachträglichen Schreiben allerhand Unterlagen gefordert, die sie auszufüllen beziehungsweise zu erbringen haben. Unter anderem sollen Handwerksbetriebe ihre berufliche Qualifikation nachweisen sowie gleich mehrere Referenzen über vergleichbare Aufträge aus den letzten fünf Jahren beifügen – selbst dann, wenn es sich um einfachste Arbeiten handelt. Für den Mittelstand ist dieser Aufwand oft zu hoch.
Pläne der Ampelkoalition: Vergaberecht soll einfacher werden
Deshalb fordern Handwerker:innen und Handwerksvertreter:innen schon seit langem Vereinfachungen bei öffentlichen Ausschreibungen. Denn die Bürokratie ist einer der Gründe, warum es für kleine und mittlere Handwerksbetriebe unattraktiv ist, sich auf öffentliche Ausschreibungen zu bewerben. Bereits im vergangenen Jahr hat es sich die neue Bundesregierung daher auf die Fahne geschrieben, es dem Mittelstand zu erleichtern, an Vergabeverfahren teilzunehmen. Dies haben SPD, Grüne und FDP in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt. Das erklärte Ziel: Die öffentliche Beschaffung und Vergabe soll wirtschaftlich, sozial, ökologisch und innovativ ausgerichtet werden. Das war vor einem halben Jahr. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die Lage bald bessern könnte.
Es sind immer mehr Nachweise nötig
Handwerker:innen und Handwerksvertreter:innen setzen sich schon Jahren dafür ein, dass die Vergabeverfahren einfacher werden – doch ohne Erfolg. Im Gegenteil: Mittelständische Unternehmen müssen seit Jahren deutlich mehr Nachweise erbringen. Das halte sie teils davon ab, sich an Bieterverfahren zu beteiligen, so der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Es wird vor allem der unnötig hohe administrative Aufwand bei öffentlichen Ausschreibungen kritisiert: Bewerber:innen müssen beispielsweise nachweisen, dass sie bestimmte Sozial- oder Umweltstandards einhalten. Solche Nachweise haben wenig mit den auszuführenden Arbeiten zu tun; auch bieten sie keinen Hinweis, ob ein Unternehmen wirklich dazu im Stande ist, die Leistungen zu erbringen. Dies belaste kleinere und mittlere Unternehmen wesentlich stärker als ihre größeren Mitbewerber:innen. Im Gegensatz zu diesen haben sie nämlich keine spezialisierten Abteilungen, die sich damit beschäftigen, die geforderten Nachweise zu erbringen und an Ausschreibungen teilzunehmen. Daher fordert der ZDH, diese „vergabefremden Aspekte“ bei öffentlichen Ausschreibungen deutlich zu reduzieren. Einige Wirtschafts- und Handwerksverbände teilen diese Ansicht und wünschen sich transparente und vor allem einfache Verfahren – nur so werde das Interesse kleiner und mittlerer Handwerksbetriebe an öffentlichen Ausschreibungen wieder geweckt.
Die Losgrößen werden dem Mittelstand nicht gerecht
Das ZDH hat einen weiteren Aspekt im Vergabeverfahren ausgemacht, der derzeit die Chancen von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben schmälert – und zwar die Losgrößen. Diese werden dem Mittelstand nicht gerecht, so der ZDH. Werden große Projekte wie zum Beispiel der Bau ganzer Autobahnstrecken an Generalunternehmer:innen oder in Form Öffentlich-Privater-Partnerschaften (ÖPP) ausgeschrieben, kommen diese für die meisten mittelständischen Unternehmen von vornherein nicht infrage. Leider ergattern meist immer die gleichen Baukonzerne die öffentlichen Aufträge, und die Mittelständler:innen werden höchstens als Subunternehmer:innen eingesetzt. Leider müssen sich Subunternehmer:innen immer mit geringeren Margen zufriedengeben, als die direkten Auftragnehmer:innen. Besser ist es, den Auftrag direkt zu gewinnen. Daher fordert der ZDH, Großaufträge in kleinen Paketen auszuschreiben, so dass der Mittelstand zum Zug kommt.
Klare Regeln sind für alle besser
Hinzu kommt, dass sich die öffentlichen Auftraggeber:innen häufig für das günstigste Angebot entscheiden – ohne zu bedenken, dass dies nicht unbedingt auch das wirtschaftlich günstigste Angebot ist. Das wirtschaftlich günstigste Angebot können meist die Handwerksbetriebe vor Ort abgeben, da hier für Nacharbeiten wie die Wartung oder Reparatur keine weiten Strecken anfallen und somit die Anfahrtskosten überschaubar bleiben. Bisher wird im Vergaberecht leider nicht klar definiert, was mit „günstigstes Angebot“ gemeint ist.
Föderalismus führt zu noch mehr Regeln
Erschwerend kommt hinzu, dass jedes Bundesland eigene Vergaberegeln festlegen kann. Dies führe für Unternehmen zu einem wahren „Vergabedschungel“, so der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB). Bundesländer und Landesregierungen arbeiten bei unterschwelligen Vergaben oft mit Sonderregelungen für die Kommunen. Die Kommunen können dadurch etwas freier agieren – was durchaus von Vorteil sein kann. Der Nachteil: Für Unternehmen, die sich auf öffentliche Ausschreibungen bewerben wollen, ist dieser Föderalismus mit mindestens 17 unterschiedlichen Vergaberegeln (Bund und Bundesländer) mehr als unübersichtlich.
Können zentrale Vergabeplattformen Prozesse vereinfachen?
Die Ampel-Regierung hat bereits in ihrem Koalitionsvertrag den Ländern und Kommunen Unterstützung bei der Aufgabe zugesichert, die Vergabeverfahren zu vereinfachen. Hierbei soll Digitalisierung ein Schlüsselpunkt sein. Auch die vorherige Bundesregierung hat dies bereits erkannt. Die elektronische Vergabe ist seit Oktober 2018 Pflicht, im Unterschwellenbereich ist sie es seit 2020. Doch der ZDH kritisiert, dass die Vorteile der Digitalisierung noch nicht richtig genutzt werden. Beispielsweise müssen Unternehmen je nach Bundesland unterschiedliche Vergabeplattformen nutzen. Der ZDH spricht sich für eine zentrale Plattform aus. An dieser Plattform könnten dann alle anderen Vergabeplattformen angeschlossen sein. Hier sollen Handwerksbetriebe alle wichtigen Informationen einsehen können und darüber hinaus automatisch informiert werden, sobald neue Ausschreibungen verfügbar sind, die auf ihr Profil passen. Die E-Vergabe kann einige Vorteile bieten wie eine einheitliche Eingabeoberfläche, strukturierte Datensätze und die flächendeckende Abrechnung mittels E-Rechnung. Dies sollte bald umgesetzt werden, fordert der ZDH. Ebenso sollten Vergabeverfahren durchgehend elektronisch und ohne Medienbruch vonstattengehen. Bisher ist es auch in elektronischen Vergabeverfahren manchmal notwendig, Anträge von Hand zu unterschreiben und per Post an die Vergabestelle zu schicken.
Die Ampelregierung hat tatsächlich ähnliche Pläne. Es ist eine anwenderfreundliche zentrale Plattform geplant, über die alle öffentlichen Vergaben zugänglich sind und die eine Präqualifizierung der Unternehmen ermöglichen – so die Erläuterungen im Koalitionsvertrag. Leider ist noch unklar, wie und wann diese Plattform umgesetzt wird.