Ist ressourcenschonender Beton eine nachhaltige Alternative?
Das Recycling von Baustoffen ist keine neue Erfindung, in den letzten Jahrzehnten aber eher zur Seltenheit geworden. Aktuell erfährt das Thema Recycling in der Bauwirtschaft allerdings eine kleine Renaissance.
Das Wichtigste zu ressourcenschonendem Beton in Kürze
- Für die Herstellung von ressourcenschonendem Beton wird bis zu 45 Prozent der Gesteinskörnung durch rezyklierte Gesteinsmischungen ersetzt.
- Die DAfStb Richtlinie „Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620“ bestimmt über Nutzung von R-Beton.
- R-Beton spart bis zu 810 Kilogramm natürlicher Ressourcen pro Kubikmeter ein, ist aber noch nicht weit verbreitet.
- Baden-Württemberg fördert den Einsatz und die Herstellung von R-Beton mit 20.000 bis zu 100.000 Euro.
- Potenzial von R-Beton wird noch nicht ausgeschöpft.
Wenn im Mittelalter Burgen erobert und ihre Mauern zerstört wurden, erfolgte der Wiederaufbau meist mit übrig gebliebenen Baumaterialien. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Trümmer aus den Kriegsruinen wiederverwendet und neu verarbeitet. Das Recycling von Baustoffen stellt also keine neue Erfindung dar, war aber in den vergangenen Jahrzehnten eher in Vergessenheit geraten. Aktuell erfährt das Thema Recycling in der Bauwirtschaft allerdings eine kleine Renaissance – auch ressourcenschonender Beton rückt in den Vordergrund. Erfahren Sie, welche Vorteile R-Beton mit sich bringt und wie er bereits heute im Bauwesen eingesetzt wird!
Inhaltsverzeichnis
- Wie wird ressourcenschonender Beton hergestellt?
- Rechtlicher Rahmen: Welche Normen und Richtlinien gelten für ressourcenschonenden Beton?
- Vorteile und Nachteile von ressourcenschonendem Beton
- Wie wird ressourcenschonender Beton gefördert?
- Fazit: Ist ressourcenschonender Beton die Alternative zu herkömmlichen Beton?
Wie wird ressourcenschonender Beton hergestellt?
Die Herstellung von ressourcenschonendem Beton ist im Wesentlichen ähnlich zu der von herkömmlichem Beton: Man mischt natürliche Gesteinskörnung mit Zement als Bindemittel und Wasser. Der entscheidende Unterschied liegt darin, dass Teile der Gesteinskörnung durch aufbereiteten Bauschutt ersetzt wird – die rezyklierte Gesteinskörnung. Sie stammt aus sekundären Rohstoffquellen, wie beispielsweise aus Altgebäudebeständen, bei denen Bauabfälle von Abbrucharbeiten sortenrein getrennt werden.
Die Qualität von R-Beton ergibt sich direkt aus der Zusammensetzung und der Reinheit der Gesteinsmischung. Man unterscheidet dabei zwei verschiedene Typen von Gesteinskörnungen (nach DIN 1045-2):
- RC Gesteinskörnung Typ 1: mindestens 90 Massenprozent aus Naturstein oder Beton, bis zu maximal zehn Prozent Nebenbestandteile wie Ziegel oder Kalksandstein
- RC Gesteinskörnung Typ 2: mindestens 70 Massenprozent aus Naturstein oder Beton, bis zu maximal zehn Prozent Nebenbestandteile wie Ziegel oder Kalkstein
Damit Altstoffe wieder Teil des Wirtschaftskreislaufs werden können, müssen sie so aufbereitet werden, dass sie im großen Umfang, mit ihren typischen Eigenschaften und ohne Qualitätsverlust genutzt werden können. Dafür sieht die Gewerbeabfallverordnung die getrennte Erfassung von Beton (AVV 17 01 01) und von Ziegelmaterial (AVV 17 01 02) für Erzeuger von Bau- und Abbruchabfällen vor – ein Entsorgungskonzept, das bereits in der Planungsphase einer Baumaßnahme erstellt wird, erleichtert diesen Prozess.
Für ressourcenschonenden Beton wird meist ein ähnlicher Zementanteil benötigt wie bei Beton aus herkömmlichen gebrochenen Körnungen. Bevorzugt werden hierbei CEM-II-Zemente, vor allem in der Festigkeitsklasse 42,5. Wichtig ist es jedoch, den Zementgehalt im Blick zu behalten – denn seine Herstellung verursacht nach wie vor erhebliche Umweltbelastungen.
Was ist der Unterschied zwischen normalem und ressourcenschonendem Beton?
Neben dem wesentlichen Unterschied, dass ressourcenschonender Beton zum Teil rezyklierte Gesteinskörnungen verwendet, benötigt man für die Herstellung außerdem einen höheren Wasseranteil. Dieser ist bedingt durch die rauere Oberfläche der rezyklierten mineralischen Stoffe.
Das wirkt sich auch auf die Verarbeitbarkeit des Betons aus, also auf die Frischbetoneigenschaften und -konsistenzen. Damit Schwankungen in den Eigenschaften vermieden werden können, empfiehlt es sich, höchstens 25 Volumenprozent der Gesteinskörnungen durch rezyklierte auszutauschen.
Rechtlicher Rahmen: Welche Normen und Richtlinien gelten für ressourcenschonenden Beton?
Für die Zusammensetzung und den Einsatz von ressourcenschonendem Beton gibt es verschiedene DIN-Normen. Sie werden durch den DIN Normenausschuss Bauwesen (NABau) und den Deutschen Ausschuss für Stahlbeton e.V. (DAfStb) regelmäßig aktualisiert und angepasst.
Im Allgemeinen gilt die DAfStb Richtlinie „Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620“. Die DIN EN 12620, die sich speziell mit den Besonderheiten von Gesteinskörnungen beschäftigt, wird durch die DIN 4226-101 und die DIN 4226-102 ergänzt. R-Beton, der diesen Normen entspricht, darf bis zur Druckfestigkeitsklasse C 30/37 in allen Bauteilen und Tragwerken eingesetzt werden – allerdings nicht als Hochleistungsbeton oder Spannbeton.
Alle relevanten Normen und Richtlinien im Überblick:
DIN EN 206-1 | Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität |
|---|---|
DIN 1045-2 | Tragwerke aus Beton, Stahlbeton und Spannbeton – Teil 2: Beton – Festlegung, Eigenschaften, Herstellung und Konformität Anforderungen an rezyklierte Gesteinskörnungen |
DIN EN 12620 | Gesteinskörnungen für Beton |
DIN 4226-101 | Rezyklierte Gesteinskörnungen für Beton nach DIN EN 12620 – Teil 101: Typen und geregelte gefährliche Substanzen |
DIN 4226-102 | Rezyklierte Gesteinskörnungen für Beton nach DIN EN 12620 – Teil 102: Typprüfung und Werkseigene Produktionskontrolle |
DAfStb Alkali-Richtlinie | Vorbeugende Maßnahmen gegen schädigende Alkalireaktion im Beton |
DAfStB Richtlinie für Beton | Beton nach DIN EN 206-1 und DIN 1045-2 mit rezyklierten Gesteinskörnungen nach DIN EN 12620 |
Vorteile und Nachteile von ressourcenschonendem Beton
Für die Herstellung eines Kubikmeters herkömmlichen Betons werden rund 1.800 Kilogramm an Primärstoffen, wie Kies oder Sand, benötigt. Insgesamt fließen jedes Jahr etwa 550 Millionen Tonnen dieser Ressourcen in die Bauindustrie, während gleichzeitig rund 220 Millionen Tonnen als Bauschutt anfallen. Naheliegend ist es also, diese Abbruchabfälle in den Wirtschaftskreislauf, und vor allem in größere Bauvorhaben, zurück einfließen zu lassen. Allerdings bringt die Herstellung von ressourcenschonendem Beton nicht nur Vorteile mit sich – diese müssen mit folgenden Nachteilen abgewägt werden:
Vorteile | Nachteile |
|---|---|
Vielseitig einsetzbar: R-Beton lässt sich – mit einer Druckfestigkeit bis zu 30/37 – in allen Bauteilen einsetzen, ohne an Qualität einzubüßen. | Druckfestigkeitsminderung: Je höher der Anteil an rezyklierter Gesteinskörnung, desto mehr nimmt die Druckfestigkeit des Betons ab. In dem Fall muss durch größere Mengen an Zement kompensiert werden – dies führt wiederum zu einem höheren CO₂ Abdruck als bei herkömmlichem Beton. |
Schonung von Primärressourcen: Bis zu 810 Kilogramm natürlicher Ressourcen können in einem Kubikmeter Beton eingespart werden. Die Wiederverwendung von Baustoffen stärkt zudem die Kreislaufwirtschaft. | Komplexe Qualitätssicherung: Rezyklierte Gesteinskörnung muss qualitativ nach DIN-Normen aufgearbeitet werden, damit Betoneigenschaften gewährt werden. |
Reduktion von Emissionen: Durch kürzere Transportwege und regionale Lieferketten werden zusätzlich bis zu zwölf Prozent CO₂-Emissionen eingespart. | Geringe Verfügbarkeit: Nicht überall ist die gewünschte Menge an aufbereiteter Gesteinskörnung verfügbar, weswegen sich Lieferketten verlängern. Durch den höheren Transportaufwand kommt es wieder zu einem höheren CO₂ Abdruck. |
Wie wird ressourcenschonender Beton gefördert?
Bisher gibt es keine deutschlandweite Förderung für ressourcenschonenden Beton. Allerdings gibt es erste Ansätze wie das Förderprogramm R-Beton des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg.
Dieses stellt nach einer ersten erfolgreichen Förderrunde in 2024 weitere zwei Millionen Euro bis Ende 2026 für die Förderung von ressourcenschonendem Beton bereit. Der wirtschaftliche Einsatz von R-Beton wird verbessert, indem Unternehmen gefördert werden, die unter anderem ...
- ... rezyklierte Gesteinskörnung für die Herstellung von R-Beton beschaffen oder
- ... eine Erstprüfung zur erstmaligen Herstellung von ressourcenschonendem Beton durchführen.
Dies gilt für Transportbeton und Betonfertigteilwerke mit mehr als 25 Volumenprozent rezyklierter Gesteinskörnung und einer Druckfestigkeitsklasse von C20/25 oder höher. Verwendet werden dürfen unter anderem nur die Zementarten CEM II/B, CEM II/C, CEM III, CEM IV, CEM V oder CEM VI. Insgesamt beläuft sich die Fördersumme auf mindestens 20.000 bis 100.000 Euro.
Fazit: Ist ressourcenschonender Beton die Alternative zu herkömmlichen Beton?
Ressourcenschonender Beton bietet sich als eine gute Alternative an, Primärrohstoffe einzusparen und Baustoffe ohne Qualitätsverlust weiterzunutzen. Aber damit er sich wirklich gegen herkömmlichen Beton durchsetzen kann, ist die Zusammenarbeit verschiedener Akteur:innen der Baubranche gefragt. Bauträger:innen, Planungsbüros, Recyclingbetriebe und Abbruchunternehmen: Alle müssen kooperieren, damit wichtige mineralische Baustoffe zirkulär gewirtschaftet werden.
Doch ist Kooperation ausreichend, damit ressourcenschonender Beton zu einer vollwertigen Alternative zu herkömmlichem Beton wird? Dr. Berthold Schäfer, Sprecher der Initiative Kreislaufwirtschaft Bau betont: Der Bedarf an Materialien in der Baubranche ist höher als das Abfallaufkommen selbst – und bereits 96 Prozent von Bauschutt und Straßenaufbruch werden weiterverwertet. Gleichzeitig wird nur ein geringer Anteil tatsächlich qualitativ aufbereitet. Die Materialien werden zum größten Teil downcycelt und als Füllmaterial im Tiefbau genutzt. Zwar kann die gesamte Recyclingquote kaum mehr gesteigert werden, allerdings lohnt sich hier der Blick auf eine Umverteilung der Ressourcen.
Auch wenn ressourcenschonender Beton noch keine ideale Alternative bietet, entwickelt sich die Zukunft des Bauens zunehmend in Richtung Klimaschutz – mehr zu dem Thema erfahren Sie in unserem Artikel zu den neusten wichtigsten Bautrends!


