Energieeffizienter Wohnraum ist unbezahlbar!

Erstveröffentlichung: 23.09.2019 09:22 |

Stimmt das wirklich? Wir prüfen dieses Klischee auf seine Richtigkeit. Aber zuerst gilt es zu schauen, was Energieeffizienz eigentlich bedeutet. 

Das Wichtigste zu energieeffizientem Wohnraum in Kürze

  • Gebäude verursachen 35 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs.
  • Neubauten müssen seit 2023 mindestens Effizienzhaus 55 sein, EH40 ist ambitionierter.
  • Energieeffizienz bedeutet nicht gleich Energieautarkie, sondern senkt nur den Verbrauch und die Abhängigkeit vom Energiemarkt.
  • Zum EH 55 gehören ein hoher Wärmeschutz/Luftdichtheit/Hitzeschutz, erneuerbare Energien und Lüftung mit Wärmerückgewinnung.
  • Bei Bestandsgebäuden muss die Heizung nach spätestens 30 Jahren getauscht werden; ab 2024 müssen sie zu 65 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen.
  • EH 40 kostet meist 15 bis 25 Prozent mehr als ein EH 55.
  • Nachhaltiges Wohnen nicht mehr nur Trend, sondern ein Muss.
Solaranlagen und energieeffizienter Wohnraum © xiaoliangge / stock.adobe.com

Gebäude sind in Deutschland für rund 35 bis 40 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich, der wiederum für rund 115 Millionen Tonnen CO2-Emissionen sorgt. Klimaschützer skandieren deswegen immer lauter: Wir müssen unsere Art zu bauen und zu wohnen ändern, wenn wir künftigen Generationen überhaupt noch die Möglichkeit lassen wollen, zu wohnen.
Doch wir haben akuten Wohnraummangel. Insbesondere Sozialwohnungenund grundsätzlich bezahlbarer Wohnraum werden immer schwerer aufzutreiben. Familien können sich das Wohnen in der Stadt kaum noch leisten und der Traum vom Eigenheim wirkt unerreichbar. Und es hat den Anschein, als würde die Anforderung, energieeffizient oder gar energieautark bauen zu müssen, die Preise noch deutlich mehr in die Höhe treiben.

Was ist ein energieeffizientes Haus?

Ein energieeffizientes Haus ist ein Gebäude, das bei gleicher Nutzungsweise weniger Energie verbraucht als Häuser, die nicht energieeffizient sind. Grob gesagt gelten seit 2023 alle Neubauten als energieeffizient, die 55 Prozent weniger Energie verbrauchen als ein Haus mit dem gesetzlichen Mindeststandard, der im Gebäudeenergiegesetz (GEG) festgeschrieben ist.
Folgende Merkmale zeichnen ein Energiesparhaus grundsätzlich aus:

Um zu benennen, wie energieeffizient ein Gebäude ist, schreibt man die Abkürzung für Effizienzhaus, EH, mit der entsprechenden Prozentzahl, die es im Vergleich zum Referenzhaus an Energie verbraucht. Ein EH40 benötigt etwa 40 Prozent der Energie, die ein Neubau ohne Energieeffizienzstandards benötigt.

Energieeffizient vs. Energieautark

Ein energieeffizientes Gebäude sorgt für mehr Unabhängigkeit vom Energiemarkt und dafür, dass man die Umwelt weniger belastet. Mit einem energieautarken Haus, auch Nullenergiehaus genannt, ist man komplett unabhängig vom Strom-, Wärme- und Wassernetz und benötigt keinerlei externe Versorgung. Autarkie heißt also, dass sich das Haus selbst versorgt. Sorgen um steigende Energiepreise sind bei einem energieautarken Haus also passé. Ein zu 100 Prozent autarkes Haus ist in Deutschland schon alleine rechtlich nicht möglich, deswegen spricht man schon ab 90 Prozent weniger Energieverbrauch von Energieautarkie.

Planung eines energieeffizienten Hauses © i-picture / stock.adobe.com

Gesetzliche Vorgaben zum energieeffizienten Bauen

Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) setzt verpflichtende Mindeststandards für Neubauten sowie für Bestandsgebäude. Seit einer Erneuerung in 2023 müssen alle Neubauten einem Niedrigstenergiegebäude entsprechen. Dieses erfüllt die Anforderungen eines Effizienzhaus 55. Ab 2025 sollte eigentlich das Effizienzhaus 40 als Standard bei Neubauten gelten, doch das wurde auf dem Baugipfel auf Grund der stark gestiegenen Kosten zurückgenommen. Es ist dennoch damit zu rechnen, dass die Anforderungen in den nächsten Jahren peut a peut steigen werden.

Zudem gibt es mehrere allgemeine Anforderungen, die ein neues Wohnhaus nach GEG erfüllen muss:

  • Der Jahres-Primärenergiebedarf für Heizung, Warmwasserbereitung, Lüftung und Kühlung darf laut § 15 GEG das 0,55-fache des entsprechenden Referenzgebäudes nicht überschreiten. Bei der Berechnung wird die gesamte Prozesskette des Energieverbrauchs berücksichtigt, also von der Gewinnung, über den Transport bis zum Verbrauch.
  • Der bauliche Wärmeschutz muss dergestalt sein, dass der Wärmeverlust durch die Gebäudehülle das 1,0-fache des Referenzgebäudes nicht überschreitet.
  • Sogenannte Wärmebrücken, also Wärmeverluste durch Anschlüsse in der Gebäudehülle, müssen so gering wie möglich gehalten werden. Allerdings soll dies in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen stattfinden. Diese Wärmeverluste werden in der Energiebilanzierung nach § 12 GEG berücksichtigt.
  • Die Gebäudehülle muss luftundurchlässig und abgedichtet sein, aber einen Mindestluftwechsel für die Nutzer:innen und die Heizung nach § 13 GEG ermöglichen.
  • Als Hitzeschutz muss ein Neubau so errichtet werden, dass die Sonneneinstrahlung durch die anerkannten Regeln der Technik möglichst begrenzt wird (§ 14 GEG).
  • Zudem enthält das GEG eine Auflistung an Energiequellen für den Wärme- und Kältebedarf, die verwendet werden dürfen. Außerdem muss ein Teil des Bedarfs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Je nachdem welche Energiequelle genutzt wird, unterscheidet sich der Mindestanteil.
  • Mit der Fertigstellung des Gebäudes müssen Bauherr:innen einen Energieausweis erhalten. Darin werden die CO2-Emissionen des Gebäudes aufgeführt und er ist für maximal 10 Jahre gültig.
  • Darüber hinaus muss der zuständigen Baubehörde anhand einer Erfüllungserklärung nachgewiesen werden, dass der Neubau den Anforderungen des GEG entspricht.

Das sind die Anforderungen, die jeder Neubau in Deutschland erfüllen muss. Wer darüber hinaus noch energieeffizienter bauen möchte – ob sich das lohnt diskutieren wir gleich – kann sich an den verschiedenen Effizienzhäusern der KfW orientieren. Grundsätzlich gilt: Je effizienter das Haus, desto höher fällt die Förderung aus. Ein energieautarkes Haus kommt den Klassen Nullenergiehaus oder Plusenergiehaus am nächsten.
Aber man darf es auch nicht übertreiben. Das Baurecht schreibt zum Beispiel vor, dass sowohl ein Anschluss an die örtliche Kanalisation als auch ein Wasseranschluss vorhanden sein müssen. Das macht den Leuten einen Strich durch die Rechnung, die gerne nur von Regenwasser leben würden. Aber das hat einen guten Grund: Das Gesundheitsamt hat verschiedene Hygienevorschriften erlassen, unter anderem, dass Regenwasser nicht als Trinkwasser verwendet werden darf.

Gesetzliche Vorgaben bei Bestandsgebäuden

Bei Bestandsgebäuden sieht das GEG verschiedene Austausch- und Nachrüstungspflichten vor. Bei Nichtbeachtung drohen Bußgelder von 5.000 bis 50.000 Euro.
Dazu gehört, dass Öl-, Gas- und Kohleheizungen nach § 72 GEG nach spätestens 30 Jahren ausgetauscht werden müssen. Die neu installierten Heizungen müssen ab 2024 zu mindestens 65 Prozent aus erneuerbaren Energien gespeist werden. Die Installation einer reinen Öl-, Kohle- oder Gasheizung ist dann nicht mehr möglich. Aus welcher erneuerbaren Quelle die 65 Prozent stammen, ist den Eigentümer:innen überlassen. Ist die Heizung aber noch keine 30 Jahre alt und kann repariert werden, darf diese weiter genutzt werden.
Eine Nachrüstungspflicht besteht für das Dach beziehungsweise die oberste Geschossdecke. Nach § 47 GEG muss dieses oder diese normgerecht gedämmt werden. Diese Pflicht betrifft alle Hauskäufe seit 2002.
Zudem müssen die Leitungen für Heizung und Warmwasser gedämmt werden, wenn diese durch unbeheizte Räume führen.
Seit 2007 ist auch bei Bestandsgebäuden ein Energieausweis Pflicht.

Kosten eines Energieeffizienten Hauses

Die Schätzungen, wie viel mehr es kostet, ein EH40 statt eines EH55 zu bauen, bewegen sich zwischen 15 und 25 Prozent. Sie gehen also recht weit auseinander, und das ergibt Sinn. Grundsätzlich gilt zwar: Je höher der Autarkiegrad, desto höher sind die Baukosten. Pauschalpreise anzugeben geht allerdings nicht, denn die Kosten sind sehr stark abhängig von den gewählten technischen Anlagen, der Größe, da von dieser auch die Größe von Photovoltaikanlagen oder die zu dämmende Fläche abhängt und der Frage, wie viel Energie man selber produziert.
Viel wichtiger als die Frage, wie hoch die Mehrkosten sind, ist deswegen die Frage, wann sich diese amortisieren, also ausgleichen. Bei einem energieautarken Haus werden bis zu 6.000 Euro jährlich eingespart, Tendenz steigend. Nach zehn bis maximal 30 Jahren hat sich der finanzielle Mehraufwand gelohnt. Die Mehrkosten bei einem EH40 im Vergleich zum EH55 amortisieren sich deutlich schneller. Nach spätestens zehn Jahren haben sich die höheren Baukosten in der Regel amortisiert.

Förderungen

Wann sich die Mehrausgaben amortisieren, hängt aber natürlich auch davon ab, welche Förderungen in Anspruch genommen werden. Es gibt mehrere Fördertöpfe für energieeffizientes Planen und Bauen. Am bekanntesten ist wohl die KFW. Das ist die bundeseigene Förderbank, die neben dem Neubau auch die energetische Sanierung von Gebäuden fördert. Seit März 2023 greift das neue Förderprogramm “Klimafreundliches Bauen”. Je nach Effizienzstufe fällt die Förderung unterschiedlich hoch aus. In unserem Artikel über die neue KfW-Förderung Neubauerfahren Sie die wichtigsten Aspekte der Neuerung.
Neben der KfW gibt es die Landesförderinstitute. Sowohl die Institute selbst als auch die Förderungen unterscheiden sich aber sehr deutlich je nach Bundesland.
Abhängig vom Autarkiegrad unterstützt auch die Bundesförderung für effiziente Wohngebäude (BEG) durch günstige Kredite und Zuschüsse.

Lohnt es sich, ein energieeffizientes Haus zu bauen?

Die Frage ist nicht, ob sich ein möglichst energieeffizientes Haus lohnt, sondern wann. Staatliche Förderungen und das hohe Energieeinsparungspotential sorgen dafür, dass sich ein energieeffizientes Haus auf lange Sicht lohnt. Und dabei gilt: Je mehr die Energiepreise steigen, desto schneller amortisiert sich die Investition.
Durch die höhere Unabhängigkeit vom Energiemarkt lassen sich die künftigen Kosten zudem viel besser kalkulieren. Wer ein Haus baut, am besten mit Festpreisgarantie, zahlt das, was dafür vereinbart wurde. Wenn Sie kalkulieren, wie viel sie in Zukunft bezahlen werden, sind die variablen Kosten immer mit Unsicherheiten verbunden. Wenn Sie die Energiekosten so gering wie möglich halten, minimieren Sie auch die Schwankungen, die unerwartet auf Sie zukommen.

Energie verkaufen statt kaufen

Wer etwa durch eine Photovoltaikanlage mehr Energie erzeugt, als er selbst verbraucht, kann die überschüssige Energie ins Netz einspeisen und erhält eine Energieeinspeisevergütung. Auch kann der Strom an der Strombörse über eine:n Anbieter:in direkt vermarktet oder an andere Verbraucher:innen verkauft werden.

Besseres Klima - auch Zuhause

Wer energieeffizient baut, kann es sich zwar eher leisten, die Klimaanlage anzuschalten – muss es aber gar nicht. Denn ein energieeffizientes Haus, insbesondere in Kombination mit ökologischen Baustoffen, sorgt für ein angenehmes Wohnklima.

Vor- und Nachteile eines energieeffizienten Hauses auf einen Blick

Vorteile von energieeffizientem Bauen und Wohnen

Nachteile von energieeffizientem Bauen und Wohnen

Kosteneinsparungen beim Bau durch Förderdarlehen und Zuschüsse

hohe Baukosten - je höher der Grad der Autarkie, desto höher die Baukosten

Energiekosten sparen

Anhängigkeit von den technischen Anlagen und bei einem Ausfall muss auf jeden Fall ein Techniker kontaktiert werden

Unabhängig von Energiepreisen oder Schwankungen auf dem Strom-, Öl- oder Gasmarkt

Instandhaltungskosten durch Wartung und eventuelle Erneuerungen der technischen Anlagen

Unberührt von Stromausfällen

Positiver Einfluss auf Umwelt und Klima

Gutes Raumklima und hoher Wohnkomfort

Hoher Wiederverkaufswert

Fazit: Warum energieeffizient Planen und Bauen so wichtig ist

Der Trend zum nachhaltigen Wohnen kann kaum noch als Trend bezeichnet werden – Nachhaltigkeit ist und bleibt ein Muss. In Zeiten des Klimawandels, den wir durch immer mehr Extremwetterereignisse zu spüren bekommen, muss sich unsere Art zu Bauen und zu Wohnen ändern, denn 35 bis 40 Prozent unserer Energie verbrauchen wir in Gebäuden und 90 Prozent davon fließen in die Erzeugung von Raumwärme und Warmwasser – und es gibt zahlreiche bauliche Maßnahmen, um das zu reduzieren.
Deswegen gibt es verschiedene gesetzliche Regelungen, wie Umweltschutz beim Bau berücksichtigt werden muss. Wer umweltfreundlicher bauen möchte, als gesetzlich vorgeschrieben, muss erstmal etwas tiefer ins Portemonnaie greifen. Doch so schont man nicht nur die Umwelt, sondern langfristig auch den Geldbeutel. Zudem ist nachhaltige Sanierung um einiges teurer, als von Anfang an energieeffizient zu bauen.
Energieeffizient ist allerdings kein statischer Begriff. Die Energiestandards werden seit Jahren verschärft und das wird auch in den nächsten Jahren so weitergehen. Ein Haus, das vor zehn Jahren als energieeffizient deklariert wurde, wird das heute wahrscheinlich nicht mehr. Das bedeutet aber auch, dass es sinnvoll ist, auch heute mehr zu machen als die Mindestanforderungen. Dabei gilt: Neue Fliesen oder Türen können Sie jederzeit einbauen, aber die komplette Gebäudehülle auszutauschen ist eine ganz andere Nummer. Wenn Sie also überlegen, welche Maßnahmen zu einem energieeffizienten Gebäude Sie umsetzen wollen und in Ihr Budget passen, sollten Sie auch berücksichtigen, wie leicht oder schwer es wäre, diese Maßnahmen in einigen Jahren noch nachträglich umzusetzen.
Das Wichtigste zum Schluss: Energieeffizienz ist finanziell attraktiv und bietet Planungssicherheit.

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ibau Autorin Hannah Simons
Hannah Simons

Als Redakteurin produzierte Hannah Simons verschiedene informative Inhalte für die Kund:innen von ibau, insbesondere im Glossar- und Wissenswert-Bereich. In ihren Artikel klärte Sie schwerpunktmäßig über die Themen Umwelt, Gesellschaft und Vergaberecht auf. Dabei war es ihr besonders wichtig, komplexe Inhalte einfach und gut verständlich aufzubereiten. Ihr Ziel war es, dass sich Leser:innen problemlos über die wichtigsten Themen der Branche informieren können und ihnen dabei genug Zeit und Kapazitäten bleiben, sich auf die Kernaufgaben ihres Gewebes zu konzentrieren.