Nutzwertanalyse

Bei der Nutzwertanalyse handelt es sich um eine Bewertungsmethode zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots in einem Vergabeverfahren. Dieses Verfahren eignet sich für komplexe Entscheidungssituationen, da hier im Gegensatz zu herkömmlichen Investitionsrechnungen auch nicht messbare Kriterien einbezogen werden. Die Verwendung gewichteter Bewertungskriterien ermöglicht zudem einen Vergleich stark unterschiedlicher Handlungsoptionen, damit das ganzheitlich betrachtet sinnvollste und bestmögliche Ergebnis erreicht wird.

Was ist eine Nutzwertanalyse?

Die Nutzwertanalyse wird auch als Punktwertverfahren oder Scoring-Modell bezeichnet. Da die Bewertungskriterien weit über den reinen Geldnutzen hinaus gehen und auch die primären Zielvorgaben des Auftraggebers oder der Auftraggeberin einbeziehen, kann aus allen Alternativen nach subjektiven Kriterien die beste Option berechnet werden. Die Nutzwertanalyse wird sowohl für persönliche als auch für volkswirtschaftliche, betriebliche und technische Entscheidungen herangezogen.

Eine bekannte Formel für die Berechnung ist die UfAB II-Formel, bei der der Angebotspreis des zu betrachtenden Angebots im Verhältnis zum günstigsten Angebotspreis aller wertbaren Angebote betrachtet wird.

Was ist das Ziel der Nutzwertanalyse?

Wenn man eine rein objektive Entscheidung treffen möchte, können nicht monetäre Bewertungskriterien darin nicht einbezogen werden. Spätestens aber, wenn Fragen nach Menschenrechten oder zum Umweltschutz einbezogen werden, werden subjektive Aspekte integriert. Aber auch schon weniger problematische Aspekte wie die Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung sind subjektiv gefärbt. Mithilfe der Nutzwertanalyse sollen diese subjektiven Kriterien möglichst stark objektiviert werden.

Anwendungsbereich der Nutzwertanalyse

Es gibt einige Bereiche, in denen die Nutzwertanalyse besonders häufig zum Einsatz kommt. Dazu gehören:

  • Investitionscontrolling
  • Standortsuche und -bewertung
  • Personalauswahl
  • Konkurrenzanalyse
  • Auswahl und Bewertung mehrere Projektalternativen
  • Evaluation von Geschäftspartner:innen

Die sechs Schritte zur Durchführung der Nutzwertanalyse

1. Erläuterung der Ausgangslage und Entscheidungssituation

Zunächst muss festgelegt werden, was überhaupt entschieden werden soll. Dazu werden zwei bis sieben (in Ausnahmefällen bis zu zehn) Handlungsoptionen festgelegt, für die ermittelt werden soll, welche von ihnen den höchsten Gesamtnutzen hat. Die Optionen sollten möglichst klar formuliert werden, um die jeweiligen Differenzen hervorzuheben.

2. Bewertungskriterien zusammenstellen

Danach wird definiert, hinsichtlich welcher Kriterien die Optionen betrachtet werden. Anhand der Kriterien wird im Laufe der Analyse die Bewertung der Handlungsoptionen durchgeführt und ermittelt, inwiefern die genannten Handlungsoptionen diese Kriterien erfüllen. Beispiele für Bewertungskriterien sind:

  • Preis
  • Qualität
  • Akzeptanz
  • Versorgungssicherheit
  • Lieferdauer
  • Aufwand bei der Umsetzung

3. Gewichtung der Kriterien

Natürlich ist nicht jedes Kriterium für jedes Unternehmen gleich wichtig. Profitorientierte Unternehmen werden den Preis beispielsweise deutlich höher gewichten als Unternehmen, die sich Umweltschutz auf die Fahne schreiben. Um die Kriterien zu gewichten, können unterschiedliche Methoden genutzt werden. In der Regel besitzen alle Stakeholder das gleiche Stimmrecht, doch auch eine Gewichtung der Stimmrechte ist möglich. Für die resultierende Gesamtgewichtung eignet sich eine prozentuale Verteilung und Darstellung, wobei die Summe der Einzelgewichtungen aller Kriterien 100 Prozent ergibt.

4. Bewertungsmaßstab je nach Kriterium festlegen

Damit die Kriterien messbar und miteinander vergleichbar sind, gilt es nun zu bewerten, in welchem Maße das jeweilige Kriterium bei der zu bewertenden Handlungsoption erfüllt ist. Eine gängige Skala ist ein Punktesystem von 1 bis 10, wobei 1 Punkt bedeutet, dass das Kriterium gar nicht erfüllt ist und 10 Punkte, dass es vollständig erfüllt ist. Zudem sollte festgelegt werden, wann ein Kriterium als voll erfüllt gilt, etwa wenn es sich um die Beschaffungskosten handelt. Auch eine Definition der anderen Punkte kann sinnvoll sein.

Unter Umständen ist es sinnvoll, die Skala und die Definition der einzelnen Punktwerte vor der Gewichtung der Kriterien festzulegen. So können die Stakeholder besser entscheiden, welche Relevanz sie den einzelnen Ausprägungen eines Kriteriums zuordnen, um Verfälschungen der Punktevergabe zu umgehen. Jedoch macht es die Gewichtung komplizierter.

5. Bewertung der Handlungsoptionen

Nun werden pro Kriterium und Handlungsoption Punkte gemäß der zuvor definierten Skala vergeben. Werden diese Bewertungen wiederum mit dem Gewichtungsfaktor multipliziert, erhält man die finale Bewertung.

6. Summieren und Auswertung der Nutzwertanalyse

Um die Ergebnisse für die Handlungsoptionen zu erhalten, werden die Bewertungen der einzelnen Kriterien aufsummiert. Die Handlungsoption mit der höchsten Gesamtpunktzahl erfüllt die zuvor definierten Kriterien am besten und weist somit den größten Gesamtnutzen auf.

Durchführung der Nutzwertanalyse

Was sagt der Nutzwert aus?

Der Nutzenwert sagt aus, wie gut eine Handlungsoption zuvor definierte Kriterien erfüllt. Je höher der Nutzwert, desto größter der Gesamtnutzen – jedenfalls in der Theorie. Es sollte jedoch nicht blind auf die Ergebnisse der Nutzwertanalyse vertraut werden. Stattdessen sollte nochmals kritisch reflektiert werden, ob wirklich die Alternative mit dem höchsten Nutzwert oder besser eine andere alternative Anwendung finden sollte. Die Bewertungsmatrix zeigt nämlich, wo die Stärken und Schwächen der einzelnen Handlungsoptionen liegen, sodass einzelne Handlungsoptionen dahingehend angepasst und somit verbessert werden können.

Vorteile einer Nutzwertanalyse

Transparenz: Indem im Rahmen der Nutzwertanalyse subjektive Kriterien so gut wie möglich objektiviert und alle Entscheidungskriterien aufgeschlüsselt werden, wird für alle Beteiligten sichtbar, warum sich für eine bestimmte Option entschieden wurde.

Quantitative und qualitative Kriterien: Herkömmliche Investitionsrechnungen verlaufen auf Basis messbarer Kriterien. Die Nutzwertanalyse erlaubt es, dass auch nicht messbare Kriterien in die Entscheidung integriert werden. Trotz ihres Umfangs bleibt sie bei richtiger Anwendung gut durchführbar.

Teamentscheidung: Die Gewichtung kann im Team diskutiert werden, ebenso wie die Ergebnisse und wie mit diesen umgegangen wird, da alle Teammitglieder:innen in die Lage versetzt werden, die Rechnung nachzuvollziehen. So werden diese in die Entscheidungsfindung integriert, was zu einer höheren intrinsischen Motivation führt.

Nachteile und Grenzen einer Nutzwertanalyse

Aufwand: Eine Nutzwertanalyse kann bei zu vielen Handlungsoptionen und Anforderungskriterien unübersichtlich werden. Wenn das der Fall ist, zeigt es in erster Linie, dass man seine Optionen und Kriterien noch einmal kritisch hinterfragen und reduzieren sollte. Aber selbst bei einer übersichtlichen Liste an Optionen und Kriterien ist es anspruchsvoll, Handlungsoptionen und Bewertungsskalen unmissverständlich zu definieren.

Subjektivität: Die Bezugnahme auf nicht messbare Kriterien inkludiert immer eine gewisse Subjektivität. Dass diese Kriterien einbezogen werden, ist gerade der Vorteil dieser Berechnungsmethode, doch sollte versucht werden, das einzelne Subjekt und seine Ansichten möglichst gering zu halten. Das gelingt, indem mehrere Personen am Prozess beteiligt sind.

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