Mauerwerk: Klimafreundlich und wirtschaftlich in die Zukunft?

Mauerwerk ist die favorisierte Bauweise der Deutschen – weil es günstig ist. Aber in einer Gesellschaft, in der Klimaschutz immer wichtiger wird, müssen Aspekte der Nachhaltigkeit mit einbezogen werden. 

Mauerwerk als Bauweise der Zukunft? © Romeofoto / stock.adobe.com

Mauerwerk wird immer beliebter: 2020 hatte das Mauerwerk einen Marktanteil von 70,9 Prozent bei den Wohnbauten und auch beim öffentlichen und gewerblichen Bau wird das Mauerwerk immer mehr eingesetzt. Der Markt für die 200 Mauersteinhersteller in Deutschland boomt also!
Aber warum? Ja, es ist günstig. Aber während tausende Menschen ständig für Umweltschutz demonstrieren, sollte man meinen, dass dieser Aspekt stärker ins Gewicht fällt. Und wenn es um das Thema Umweltschutz beim Wohnungsbau geht, wird in der Regel von Holzbauten gesprochen. Doch ist das Mauerwerk wirklich umwelttechnisch schlechter aufgestellt? Nein!

Anteil Mauerwerk bei Wohnbauten in Deutschland

Einfamilienhäuser

Doppelhäuser

Mehrfamilienhäuser

Studierendenwohnheime

Wohnbauten insgesamt

Anteil 2020

72,4 Prozent

74,4 Prozent

68,9 Prozent

54,3 Prozent

70,9 Prozent

Zuwachs seit 2011

7,2 Prozent

30,3 Prozent

114 Prozent

97,5 Prozent

38,5 Prozent

Was ist Mauerwerk:

Mauerwerk ist eine Massivbauweise, bei der die einzelnen Bauteile aus Mauersteinen und gegebenenfalls mithilfe von Mörtel zusammengefügt werden. Dabei können Natursteine oder künstliche Steine, wie Lehmziegel, Mauerziegel oder Hohlblocksteine zum Einsatz kommen. Entgegen einem weit verbreiteten Irrglaubens sind Bauteile aus Stahlbeton kein Mauerwerk. Per Definition besteht Mauerwerk aus einzelnen Steinen, während aus Beton monolithische Bauteile gegossen werden. Alternativen zum Mauerwerk sind Holzbau oder Stahlbau. Die verschiedenen Bauweisen dürfen allerdings nicht zu getrennt voneinander betrachtet werden: Oft werden sie in Kombination eingesetzt. Bei Stahlbetonbau oder Holzbau wird beispielsweise Mauerwerk eingesetzt, um die Lücken der tragenden Konstruktion zu schließen, diese zu verstärken oder zu verblenden. Von bewehrtem Mauerwerk spricht man, wenn man das traditionelle Mauerwerk durch eine vertikal oder horizontal eingelegte Bewehrung verstärkt, um die Zugfestigkeit zu vergrößern.

Mauerwerk kann auf unterschiedliche Weisen klassifiziert werden:

Aspekt

Beispiel

Steine

Bruchsteinmauerwerk, Natursteinmauerwerk, Ziegelmauerwerk etc.

Material für die Verfugung

Trockenmauerwerk, Mörtelmauerwerk, homogenes oder inhomogenes Mauerwerk

Sichtbarkeit

Sichtmauerwerk, Verblendmauerwerk

statische Funktion

tragendes oder nicht tragendes Mauerwerk

Vorteile von Mauerwerk

Die Deutsche Gesellschaft für Mauerwerks- und Wohnungsbau (DGfM) sieht die führende Marktposition darin begründet, dass Mauerwerk die einzige Bauweise sei, die sowohl bei der Klimaverträglichkeit als auch bei der Wirtschaftlichkeit überzeugt und somit einen wichtigen Beitrag zur Schaffung von bezahlbarem und klimaverträglichen Wohnraum leiste.

Wirtschaftlichkeit

Eine Studie der Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e.V. (ARGE) hat ergeben, dass der typisierte Mauerwerksbau mit 1.950 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche die kostengünstigste Bauweise ist. Nach Auswertungen in Schleswig-Holstein kamen sogar noch geringere Bauwerkskosten von 1.800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche heraus. In Zeiten, in denen händeringend bezahlbarer Wohnraum gebraucht wird, ein enormer Vorteil. Bei einem realen Lebenszyklus von 80 Jahren liefert das Mauerwerk also einen wichtigen Beitrag zur sozialen Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Die Kosten unterbieten die von Stahlbetonbauten um zehn Prozent und die von Holzbauten um bis zu 25 Prozent. Dies liegt an der schnelleren und einfacheren bautechnischen Verarbeitung und niedrigen Nutzungskosten. Zudem ermöglichen Mauerwerke in der Regel eine hohe Nutzungsflexibilität, da sie Grundrissänderungen ermöglichen und eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber Schadensereignissen aufweisen.

Klimafreundlichkeit

Doch das Mauerwerk hat, über einen Lebenszyklus von 80 Jahren gerechnet, auch den kleinsten ökologischen Fußabdruck. Einer Studie der LCEE zufolge verursachen Mauerbauten rund vier Prozent weniger CO2-Äquivalente als vergleichbare Holzbauten, denn sie sind enorm langlebig und haben einen geringen Wartungsbedarf.
Das große Problem beim Mauerwerk aus ökologischer Sicht ist die Mauersteinproduktion. Mauersteine müssen energieintensiv in Autoklaven gehärtet oder bei hohen Temperaturen gebrannt werden. Das hat natürlich Auswirkungen auf die CO2-Bilanz. Noch problematischer sind die in der Wertschöpfungskette vorgelagerten Akteure, etwa die Kalk- und Zementherstellung. Doch ein Teil davon kann direkt wieder kompensiert werden: Mauersteine aus Kalksandstein, Porenbeton und Leichtbeton sind in der Lage, CO2 zu speichern. Dabei gilt, dass die Menge an eingelagerten CO2 steigt, je größer die Oberfläche des unverputzten Mauerwerkes ist. Das Gas wird über den gesamten Lebenszyklus des Hauses gespeichert. Es lohnt sich also, möglichst langlebige Gebäude zu bauen.
Während des Lebenszyklus schneidet Mauerwerk umso besser ab. Dank einer hohen Masse und Trägheit bei Temperaturveränderungen kann Mauerwerk Wärme aufnehmen und zeitverzögert wieder abgeben. So kommt es in der Übergangszeit zu einem bis zu zehn Prozent geringeren Heizenergiebedarf. Im Sommer profitieren die Bewohner von Massivhäusern zudem davon, dass die Gebäude deutlich seltener überhitzen und die Spitzentemperaturen sehr niedrig ausfallen. Wenn ein Gebäude aus Mauerwerk nach sehr vielen Jahren doch abgerissen werden muss, wird überdurchschnittlich viel recycelt. Mauerwerk wird heute bereits zu 94 Prozent stofflich verwertet und zu 78 Prozent recycelt, sodass es gegenüber anderen Baustoffen eine hochwertige Abfallhierarchiestufe erreicht.

Mauerwerk oder Holz?

Dass Mauerwerk im Vergleich der Baustoffe bezüglich ihrer CO2-Bilanz so gut abschneidet, dürfte viele überraschen. In der Regel ist es der Baustoff Holz, auf den viele tippen. Allerdings erfordert die Weiterverarbeitung des Rohstoffes Holz den Einsatz von Energie, was die Klimabilanz der Baustoffe deutlich negativ beeinflusst. Außerdem muss für die Ermittlung der CO2-Bilanz der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes einbezogen werden. Aufgrund des deutlich längeren Lebenszyklus von Gebäuden aus Mauerwerk, im Vergleich zu solchen aus Holz, verursachen Mauerwerksbauten vier Prozent weniger CO2-Äquivalente. Vergleicht man nur die CO2-Bilanz bis zur Fertigstellung des Gebäudes, ist Holzbau deutlich attraktiver. Lesen Sie jetzt mehr über Vor- und Nachteile des Holzbaus.

Geht das Mauerwerk noch umweltfreundlicher?

Wie auch beim Beton ist auch beim Mauerwerk die Zementherstellung der wesentliche Treiber der CO2-Emissionen. Dieser ist also eine zentrale Stellschraube auf dem Weg zu einer noch besseren Klimabilanz. Erreicht werden kann diese durch eine Erhöhung der Packungsdichten des Steingefüges oder Einsparungen beim Einsatz von Bindemitteln.
Weiteres Einsparpotential liegt in der energie- und ressourceneffizienten Gestaltung der Produktionsprozesse. Das wird erreicht, indem beispielsweise die Anlagentechnik modernisiert und Methoden zur CO2-Abscheidung entwickelt werden. Durch Abbau produktionstechnologischer, verfahrenstechnischer und konstruktionsbezogener Hemmnisse wird zudem eine weitreichende hochwertige stoffliche Verwertung ermöglicht. Eventuell ist es sogar bald möglich, ganze Bauteile wieder zu verwenden.

Nachteile

Neben dem bereits problematisierten Betonanteil von Mauerwerk gibt es auch ein paar Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines Massivhauses aus Mauerwerk.

Problem: Keine hohe Festigkeit, Tragfähigkeit

Wände aus Mauerwerk, Mauern, haben keine so hohe Festigkeit oder tragende Wirkung wie Beton- oder Stahlbetonwände. Da das Errichten von Betonwände deutlich zeitaufwändiger ist, werden oft die tragenden Wände aus Beton errichtet und die nicht tragenden Wände errichten Maurer:innen.

Verankerungen im Mauerwerk

Insbesondere bei der Planung von Dübelgruppen stehen Planer:innen und Handwerker:innen vor Schwierigkeiten. Die Maße der Achsabstände sind stark abhängig von den Merkmalen des jeweils verwendeten Mauersteins, etwa von der Art, dem Format, Lochbild, der Füllung, Festigkeit, Rohdichte, Temperatur und Feuchtigkeit oder den Nutzungsbedingungen. Die Ankerplatten fallen in der Regel größer aus als etwa bei Beton.
In der Europäischen Technischen Bewertung (ETA) sind deswegen viele Steinarten hinsichtlich der charakteristischen Tragfähigkeit von Dübeln abhängig vom Gewindedurchmesser, der Verankerungstiefe sowie Achs- oder Randabständen geregelt.
Bei älteren Bauwerken fehlen aber oft die nötigen Informationen. Aufgrund der immer höheren Ansprüche an die Wärmedämmung, müssen Steine mit einer filigranen Struktur und geringen Standfestigkeit gewählt werden. Dies sind zugleich aber genau die Faktoren, die dafür sorgen, dass ein Mauerwerk weniger Lasten tragen kann.

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ibau Autorin Hannah Simons
Hannah Simons

Als Redakteurin produziert Hannah Simons verschiedene informative Inhalte für die Kund:innen von ibau, insbesondere im Glossar- und Wissenswert-Bereich. Als studierte Germanistin und Philosophin klärt sie schwerpunktmäßig über die Themen Umwelt, Gesellschaft und Vergaberecht auf. Dabei ist es ihr besonders wichtig, komplexe Inhalte einfach und gut verständlich aufzubereiten. Sie möchte, dass sich Leser:innen problemlos über die wichtigsten Themen der Branche informieren können und ihnen dabei genug Zeit und Kapazitäten bleiben, sich auf die Kernaufgaben ihres Gewebes zu konzentrieren.