Hauptsache schön! Wenn Fassadenfarbe mit Gift angereichert wird

Erstveröffentlichung: 02.06.2021 16:56 |

Damit sich keine Moose und Algen bilden, tragen viele Biozide auf ihre Hauswände auf. Doch die Chemikalien werden nach und nach vom Regen abgewaschen. Wo landen sie, und welche Folgen hat das Ganze? 

Biozide in Fassadenfarbe stellen Umweltrisiko dar © Stefan Körber / stock.adobe.com

Neubauten haben in der Regel eine gute Dämmung, was natürlich prima fürs Klima ist. Doch die Dämmung bringt auch einen Nachteil mit sich: Gut gedämmte Hausfassaden speichern weder Sonnenwärme, noch lassen sie Wärme von innen durch. So kommt es, dass sie länger feucht bleiben als andere Fassaden – und Algen und Schimmelpilzen einen idealen Nährboden bieten. Eigentlich ist das nicht weiter tragisch, denn die Fassaden sind dadurch in keiner Weise in ihrer Funktionalität eingeschränkt. Doch Hausbesitzer stören sich in der Regel an den grünlichen und gräulichen Verfärbungen. Sie wollen möglichst schöne und saubere Fassaden. Wenn es ihnen im wahrsten Sinne des Wortes zu bunt wird, greifen sie schnell zur Chemiekeule in Form von Bioziden. Oder sie entscheiden sich schon beim Erstanstrich für Farben, die Biozide enthalten. Biozide töten Algen, Pilze und Bakterien. Auch im Kampf gegen Insekten, Mäuse und Ratten werden sie erfolgreich eingesetzt – und da sollten alle Alarmglocken angehen. Denn was für diese Säugetiere schädlich ist, kann auch dem Menschen schaden! Biozide lähmen das Nervensystem oder beeinträchtigen die Fruchtbarkeit. Das macht sie auch für Mensch und Umwelt potentiell gefährlich.

Einmal an der Fassade, immer an der Fassade?

Regen und Tauwasser sorgen dafür, dass Fassaden immer wieder nass werden. Dabei spült das Wasser nach und nach Schmutz, Staub heraus – und auch die Giftstoffe. Doch wo bleiben diese, wenn sie einmal von der Fassade gelöst wurden? Dies haben Wissenschaftler der Universitäten Lüneburg, Lübeck und Freiburg untersucht und Erschreckendes festgestellt. Demnach landen die Gifte im Erdreich, der Kanalisation und in siedlungs nahen Gewässern und sogar im Grundwasser. Die Wissenschaftler fanden alle derzeit auf dem Markt erhältlichen Biozide.
Neben den Bioziden an sich machten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler noch eine weitere beunruhigende Entdeckung: In den Gewässern befanden sich auch eine ganze Reihe von Abbauprodukten, die entstehen, wenn die Sonne auf Biozide einwirkt. Wie sich diese auf das Ökosystem auswirken werden, ist noch nicht erforscht.

Biozide als Konservierungsmittel

Biozide sind nicht nur gut darin, die Fassaden frei von Algen und Pilzen zu halten. Die Farb- und Lackbranche gibt auch gerne eine gewisse Menge davon in die Farbtöpfe. Diese sogenannten Topfkonservierungsmittel schützen Farben und Lacke vor mikrobieller Schädigung. Dadurch bleiben sie länger haltbar. Wenn Biozide als Konservierungsmittel und nicht als Anti-Algen-und Pilzmittel genommen werden, ist die Konzentration niedriger. Dennoch gehen Forscherinnen und Forscher davon aus, dass auch diese als Konservierungsmittel verwendeten Biozide nach und nach aus der Fassade ausgewaschen werden.

Eine schöne Fassade auch ohne Chemie

Bei aller Liebe zur Umwelt: Einer Hausfassade mit grünlichen Algenflecken und Pilzbefall können nur die wenigsten etwas abgewinnen. Doch zum Glück gibt es umweltfreundliche Alternativen zu Fassadenfarben mit Biozid. Alkalische Silikatanstriche oder Kalkputze punkten durch ihren hohen PH-Wert. Algen und Pilze haben praktisch keine Chance sich auszubreiten. Der hohe PH-Wert macht auch eine Topfkonservierung überflüssig.
Außerdem gibt es noch Fassadenfarbe, die komplett ohne Biozide auskommt. Sie enthalten stattdessen Titandioxid, welches alle organischen Stoffe mithilfe des photokatalytischen Effekts in Schach hält. Hierbei setzt das Titandioxid unter Lichteinwirkung Sauerstoff aus der Umgebung frei. Dieser wiederum lässt alle organischen Stoffe oxidieren und eliminiert sie auf diese Weise.
Aber auch ein überstehendes Dach kann sehr hilfreich sein. Es hält den Regen von der Fassade ab, so dass Algen und Pilze schlechtere Chancen haben, sich anzusiedeln. Eine weitere Möglichkeit ist eine dunkle Fassadenfarbe: Dann fallen Flecken nicht so sehr auf – denn letztendlich handelt es sich ja nur ein optisches Manko.

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ibau Autorin Iris Jansen
Iris Jansen

Iris Jansen war von Juni 2021 bis Mai 2024 als Content-Managerin bei der ibau GmbH in Münster tätig. Sie versorgte die Leser:innen gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Rubrik „Wissenswertes“ mit neuen Inhalten: Was tut sich im Handwerk? Wie reagiert die Bauwirtschaft auf die aktuellen Herausforderungen? Themen rund um Holz und Beton mochte sie gern und freute sich über gleichgesinnte Leser:innen, die mit ihr die Baustellen streifen wollten. Als ausgebildete Technische Redakteurin interessierte sie sich für die technischen und handwerklichen Details, behielt dabei das große Ganze im Blick. Laut Iris gab es im Baubereich viele spannende Fragen, die beantwortet werden wollen – nicht zuletzt, um allen Bauinteressierten dabei zu helfen, den Überblick zu behalten.