Sanieren oder besser neu bauen?

Erstveröffentlichung: 04.01.2023 11:05 |

Wer ein altes Haus erbt oder kauft, muss sich entscheiden: Sanieren oder abreißen und neu bauen? Meist wird die günstigere Variante gewählt. Aber auch der Umweltschutz sollte bei den Überlegungen eine Rolle spielen. 

Das Wichtigste zu Sanierung oder Neubau in Kürze

  • Kosten sind stark vom Gebäudezustand abhängig; Sanieren kann ähnlich teuer wie Neubau werden und erfordert genaue Prüfung von Bausubstanz, Technik und Nebenkosten
  • Beispielhafte Rechnungen zeigen leichte Kostenvorteile beim ökologischen Neubau nach Förderung, gleichzeitig bleibt jede Sanierung ein Einzelfall mit großer Streuung
  • Ökobilanz spricht häufig für den Bestand: Sanieren spart graue Emissionen aus Abriss und Neubau und reduziert Materialverschwendung
  • Neubau punktet bei Energieeffizienz im Betrieb, vernachlässigt aber die Emissionen der Bauphase; insgesamt wird verstärkte Weiternutzung von Bestandsgebäuden empfohlen
  • Viele wählen trotzdem den Neubau wegen komplexer Vorschriften, Unsicherheiten bei Altlasten und fehlender Umbauordnung, die Sanierungen rechtlich einfacher machen würde
  • Fazit für Bauherr:innen: Zustand professionell prüfen, Förderungen von KfW/BAFA einplanen und Klimaeffekte mitdenken
Ansicht einer alten und neuen Fassade zum Artikel "Sanieren oder neu bauen?"

Viele Menschen träumen davon, ein romantisches altes Haus wieder schön herzurichten, und später das Farbenspiel der einfachverglasten Buntglasfenster auf dem alten, wiederhergestellten Dielenboden zu beobachten. Doch dann kommt der Schock: Abriss und Neubau sind viel günstiger! Schnell sind die sentimentalen Gründe vergessen und es wird, verständlicherweise, eine ökonomische Entscheidung getroffen. Doch wie schneidet die Sanierung wirklich ab? Ist es tatsächlich so viel teurer? Und noch wichtiger: Wie sieht die Umweltbilanz beider Maßnahmen aus? Freut sich das Klima mehr über einen perfekt isolierten Neubau oder ein aufwändig und niemals ideal renoviertes Bestandsgebäude?

Wie hoch sind die Kosten für eine Sanierung?

Ein paar neue Fenster rein, die Heizung erneuern und auf die Wand ein bisschen Farbe: So einfach stellen sich das nicht wenige Käufer:innen vor, wenn sie einen Altbau kaufen. Doch eins ist sicher: Es fallen viel mehr Aufgaben an und damit wachsen natürlich auch die nötigen Investitionen. Also doch besser abreißen und neu bauen? Die Frage, welche Variante günstiger ist, lässt sich nicht so einfach beantworten und muss individuell und für jeden Einzelfall betrachtet werden. Elementar für die Sanierungskosten ist, wie gut das Haus noch in Schuss ist.

Den Altbau unter die Lupe nehmen

In welchem baulichen Zustand befindet sich der Altbau? Natürlich empfiehlt es sich, Immobiliensachverständige hinzuzuziehen, doch auch Sie selbst können sich einen guten Eindruck verschaffen. Gehen Sie durch die Räume und lassen Sie das Haus auf sich wirken. Auch ohne vom Fach zu sein, können Sie so einen ersten Eindruck gewinnen und die wichtigsten Punkte in Erfahrung bringen. Unter anderem sind die folgenden Fakten interessant:

  • In welchem Jahr wurde das Haus gebaut? Die Frage ist wichtig, denn in jeder Dekade wurde anders gebaut. In den 50er Jahren beispielsweise, war aufgrund der Materialknappheit sparsames Bauen angesagt. Oft sind in den Häusern aus diesem Jahrzehnt die Wände sehr dünn.
  • Wie gut ist die Bausubstanz? Dazu gehören das Dach und die Wände, die Geschossdecken, sowie die Fundamente und die Bodenplatten. Bei so manchem alten Haus sind die Mauern und Wänden feucht oder rissig. Auch die Fenster sind oft undicht; der Dachstuhl ist nicht selten ungedämmt.
  • Mit etwas Pech wurde auch Asbest verbaut. Finden Sie das auf jeden Fall vor der Kaufentscheidung heraus, denn es ist teuer, den verbotenen und gesundheitsschädlichen Baustoff auszutauschen.
  • Prüfen Sie die Haustechnik. Dazu gehören Heizungs-, Sanitär- und Elektroinstallationen. Wie alt sind die Anlagen, und wie hoch ist der Verbrauch?
  • Bringen Sie in Erfahrung, ob bereits Sanierungen durchgeführt wurden.

Alle Kosten mit einbeziehen

Jetzt haben Sie schon mal einen Überblick darüber gewonnen, was im Falle einer Sanierung zu tun wäre und können kalkulieren, was das Ganze ungefähr kosten würde. Um die Gesamtkosten zu ermitteln, müssen Sie die Nebenkosten auch mit einbeziehen. Damit sind die Kosten für die Planung gemeint, aber auch Maklergebühren und Notarkosten sowie die Grunderwerbsteuer. Gleichzeitig sollten Sie sich darüber schlau machen, welche Fördermöglichkeiten in Form von Zuschüssen, Krediten oder Steuervergünstigungen Ihnen zur Verfügung stehen würden. Wenden Sie sich hierfür an die Kreditanstalt für Wiederaufbau (kurz KfW) und an das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (kurz BAFA).

Ansicht eines illustrierten Hauses mit möglichen Sanierungskosten
Mobile Ansicht eines illustrierten Hauses mit möglichen Sanierungskosten

Der Kostenvergleich: Sanierung versus Neubau

Anhand einer Beispielrechnung, die sich auf ein 140 Quadratmeter-Gebäude im Bundesland Hessen bezieht, zeigt sich: Nachhaltiges Bauen ist mit rund 20 Prozent für die Baumaterialien teurer als energetische Sanierung. Allerdings sind hier die Fördermittel noch nicht berücksichtigt. Laut Angaben des Statistischen Bundesamtes kostet der Neubau eines konventionellen Gebäudes rund 245.000 Euro, für einen ökologischen Neubau muss man mit einer Steigerung von rund 49.000 Euro rechnen. Für den Bau eines Effizienzhaus 40 erhalten private Bauherren eine Förderung in Höhe von 24.000 Euro, sodass die Mehrkosten für den ökologischen Neubau nur noch bei rund 25.000 Euro liegen. Damit liegen die Gesamtkosten bei 270.000 Euro. Kauft man eine Bestandsimmobilie, sind für die energetische Sanierung zu einem Effizienzhaus 85 rund 115.000 Euro veranschlagt, von denen 36.000 Euro gefördert werden. Zum Kaufpreis kommen somit rund 79.000 Euro hinzu. Im Allgemeinen kann man also sagen, dass die Sanierung teurer ist als der ökologische Neubau. Doch das muss nicht in jedem Fall so sein. Der Aufwand und die Kosten für eine Sanierung sind sehr individuell und vom jeweiligen Gebäude abhängig.

Was ist umweltfreundlicher?

Eine Beispielrechnung über den CO2-Rechner des Umweltbundesamtes zeigt: In einem energetisch voll sanierten Einfamilienhaus (124 Quadratmeter, vier Personen, Baujahr zwischen 1949 und 2001, inklusive Solarthermie) führt das Wohnen zu einem Ausstoß von 0,40 Tonnen CO2 im Jahr. In einem vergleichbaren Neubau aus dem Jahr 2012 werden von Anfang an nur 0,38 Tonnen CO2 jährlich ausgestoßen. Also ist der Neubau besser, oder? So schnell kann kein Urteil gefällt werden. Ein Neubau hat zwar den eindeutigen Vorteil, dass er von Beginn seiner Nutzungsdauer an einen geringeren CO2-Ausstoß verursacht. Doch dabei wird schnell vergessen, dass auch die Bauphase an sich eine Belastung für die Umwelt darstellt.

Laut einer Hochrechnung der Deutschen Umwelthilfe aus August 2023 spart die Sanierung eines bestehenden Gebäudes ein Drittel der CO2-Emissionen im Vergleich zum Abriss und Neubau. Durch mehr Sanierungen und wenn nur noch dann abgerissen würde, wenn es dringend erforderlich ist, ließen sich allein in Deutschland 1,1 Millionen Tonnen CO2 einsparen. Neben dem hohen Ausstoß an Treibhausgasen gibt es noch andere Aspekte, die den Neubau zur Klimasünde machen. Bei vermeidbaren Abrissen werden zahlreiche Materialien verschwendet, die man noch hätte nutzen können. Auch, wenn die Ersatzbaustoffverordnung die Wiederverwendung von Materialien erleichtert, beziehungsweise bundesweit vereinheitlicht hat, werden noch lange nicht alle Materialien wiederverwendet und landen stattdessen auf den Deponien.

Ein Bericht des UN-Umweltprogramms (UNEO) und des Zentrums für Ökosysteme und Architektur (CEA) der US-Universtität Yale, schlüsselt auf, wie die Baubranche weltweit bis 2050 klimaneutral werden könnte. Einer der wichtigsten Ansätze sei es, Neubauten möglichst zu vermeiden. Zudem müsse die Wiederverwendung von Bausubstanzen gefördert werde, biologische Rohstoffe genutzt und Baustoffe wie Beton, Stahl oder Glas klimafreundlicher produziert werden.

Warum wird lieber neu gebaut als saniert?

Ein Neubau verschlingt viele Ressourcen, gleichzeitig sind diese in den letzten Jahren knapp und teuer geworden. Was liegt da näher, als zu sanieren statt neu zu bauen? Warum sind nicht schon viel mehr Bauherrinnen und Bauherren auf diese Idee gekommen? Das hat viel mit den aktuellen Bauvorschriften zu tun. Ein älteres Haus genießt Bestandsschutz, aber wenn es saniert wird, muss es nach der Sanierung die Anforderungen erfüllen, die in den Bauordnungen der Länder geregelt sind. Das betrifft beispielsweise die Wärme- und Lärmdämmung. Ein saniertes Haus muss hier die neuesten Standards aufweisen, doch das gibt die Bausubstanz oft nicht her. Manchmal müssen auch nachträglich Fluchttreppen oder Aufzüge eingebaut werden, wie im Fall von Mehrfamilienhäusern. Hinzu kommt, dass man bei der Vielzahl an Bauvorschriften schnell mal etwas übersieht. Da ist es einfacher, ein Gebäude abzureißen und neu zu bauen, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein. Außerdem haben Bauherrinnen und Bauherren oft die Sorge, bei Sanierungsarbeiten auf Überraschungen zu stoßen, die das Bauvorhaben in die Länge ziehen und verteuern könnten. Auch der Umweltschutz ist manchen nicht so wichtig. Viele entscheiden sich auch deshalb für einen Abriss, weil man hierzulande abreißen kann, ohne eine Genehmigung zu benötigen. In anderen Ländern ist das nur mit einer solchen Genehmigung möglich.

Fazit: Abriss und Neubau möglichst vermeiden

Eine Sanierung kostet ähnlich viel wie ein Neubau. Hinzu kommen die vielen Bauvorschriften, die zwar für Bestandsgebäude nicht gelten, für einen sanierten Altbau aber schon. Hier müssen Bauherrinnen und Bauherren vieles im Blick behalten, auch weil es bisher keine gesonderte Umbauordnung gibt, die auf Sanierungen zugeschnitten ist. Ein sanierter Altbau muss zurzeit dieselben Anforderungen wie ein Neubau erfüllen. Das alles ist aufwändig und macht die Kosten schwerer kalkulierbar. Viele Bauherrinnen und Bauherren reißen deshalb lieber ab und bauen neu. Doch wenn Umweltschutz gelingen soll, müssen Bestandsgebäude verstärkt genutzt und umgebaut, statt abgerissen werden.

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ibau Autorin Hannah Simons
Hannah Simons

Als Redakteurin produzierte Hannah Simons verschiedene informative Inhalte für die Kund:innen von ibau, insbesondere im Glossar- und Wissenswert-Bereich. In ihren Artikel klärte Sie schwerpunktmäßig über die Themen Umwelt, Gesellschaft und Vergaberecht auf. Dabei war es ihr besonders wichtig, komplexe Inhalte einfach und gut verständlich aufzubereiten. Ihr Ziel war es, dass sich Leser:innen problemlos über die wichtigsten Themen der Branche informieren können und ihnen dabei genug Zeit und Kapazitäten bleiben, sich auf die Kernaufgaben ihres Gewebes zu konzentrieren.