Drohende Insolvenzen am Bau frühzeitig erkennen
Die Baubranche erlebt im letzten Jahr ein Insolvenzwelle ungekannten Ausmaßes, von der sogar Mega-Player der Branche betroffen sind. Wie können Unternehmen Insolvenzen der Auftraggeber frühzeitig erkennen und welche Möglichkeiten haben sie?
Das Wichtigste zur frühzeitigen Erkennung von drohenden Insolvenzen am Bau in Kürze
- 2024 hohe Insolvenzquote im Bau, getrieben durch mangelnde Planbarkeit, Zinsen, teure Materialien, Lieferkettenprobleme, Förderlücken, Bürokratie und schwachen Wohnungsbau
- Prominente Fälle wie Signa und D.i.i. zeigen Kettenreaktionen bis hin zu Projektstopps bei Großvorhaben
- Frühwarnsignale umfassen externe Unwelt-, Markt- und Politikfaktoren sowie interne Anzeichen wie Sitzverlagerung, Stundungen, Rechtsformwechsel und Massenentlassungen
- Bei Auftraggeberinsolvenz stehen rechtliche Sicherungen zur Verfügung, besonders die Bauhandwerkersicherungshypothek mit Vorrangwirkung bei rechtzeitiger Eintragung
- Eigentumslage bei Materialien ist entscheidend, eingebaute Teile gehören dem Auftraggeber, nicht eingebaute lassen sich nur nach geklärtem Eigentum zurückholen
- Leistungsverweigerung ist möglich bei Zahlungsverzug oder erkennbarer Zahlungsunfähigkeit, Mängelbeseitigung aus bereits erbrachter Leistung bleibt geschuldet
- Offene Kommunikation und frühzeitige Klärung der Liquiditätslage reduzieren Risiken, bei Täuschung droht persönliche Haftung der Geschäftsführung

Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland befindet sich in diesem Jahr auf einem Höchststand, davon ist auch oder vor allem die Baubranche betroffen. Allein in der ersten Aprilwoche 2024 wurden über 30 Insolvenzverfahren in der Bau- und Immobilienbranche eröffnet - Insolvenzverwalter und Gerichte haben also Grund zu feiern! Anders sieht das natürlich die Bau- und Immobilienbranche selbst.
Inhaltsverzeichnis
Die Gründe für die Insolvenzwelle Bau
Alle Bereiche der Branche sind betroffen: Projektentwickler:innen, Planer:innen, die Bauunternehmen selbst bis hin zu den Grundstücks- und Immobilienverwaltern. Und auch die Größe der Unternehmen ist egal. Die Gründe für die Insolvenzen sind im Detail natürlich vielfältig, doch lassen sich gemeinsame Nenner finden: Die Auswirkungen vergangener und aktueller Krisen haben zu erheblichen Belastungen der Immobilienwirtschaft geführt. Mangelnde Planbarkeit und Zuverlässigkeit auf politischer Seite halten sowohl öffentliche als auch private Investoren:innen und Kund:innen von Investitionen ab. Dazu kommen gestiegene Zinsen, die Verteuerung von Baumaterialien, abgerissene Lieferketten und Materialengpässe, mangelnde staatliche Förderungen sowie bürokratische Herausforderungen. Die Liste ist also lang und sicher noch nicht abschließend. Kein Wunder also, dass das Statistische Bundesamt Destatis Anfang des Jahres einen Anstieg der angemeldeten Regelinsolvenzen um 26,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr registriert hat. Am Bau trifft die Insolvenz den Wohnungsbau besonders. Denn obwohl akute Wohnungsnot besteht, ist die Zurückhaltung für Investitionen hier besonders groß und entsprechend auch die Unterauslastung, was das Risiko für Insolvenz steigert. Neben der Baubranche sind auch der Einzelhandel und Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich besonders betroffen.
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Das Desaster um Signa
Die Pleitewelle beschränkt sich nicht auf Deutschland. In den letzten zwei Jahren sind beispielsweise auch in Österreich mehr Insolvenzverfahren angelaufen. Besonders bemerkenswert war die Pleite des österreichischen Immobilienkonzerns Signa im November 2023. Viele Auftragnehmer:innen, die an den Bauprojekten der Gruppe beteiligt waren, spüren die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens deutlich. In Deutschland merkt man die Auswirkungen besonders am Hamburger Elbtower, aber auch in Berlin, wo am Karstadt-Areal am Kurfürstendamm zwei neue Hochhäuser entstehen sollten. Die Signa Holding GmbH stellte den Insolvenzantrag einen Tag bevor eine 200-Millionen-Euro-Anleihe fällig wurde. Bis zum Ende 2023 fehlten dem Unternehmen schätzungsweise eine halbe Milliarden Euro für Kredite mit Fälligkeit.
Allerdings ist Signa nicht der einzige Mega-Player in der Baubranche, der in Folge der letzten Jahre Insolvenz anmelden musste. Betroffen ist beispielsweise auch die Immobiliengruppe Deutsche Invest Immobilien AG (D.i.i.), mit einem Portfolio von Objekten im Wert von vier Milliarden Euro an 50 verschiedenen Standorten.
Drohende Insolvenz am Bau erkennen
Meldet ein Unternehmen Insolvenz an, hat das Auswirkungen auf alle Beteiligten, etwa die Planungsbüros, Architekt:innen, Roh- und Tiefbaufirmen. Damit Sie nicht von Insolvenzen anderer Unternehmen überrascht werden, können Sie auf verschiedene interne wie externe Warnsignale achten. Externe Warnsignale sind etwa ungünstige Umweltbedingungen oder Branchenüberkapazitäten durch Auftragseinbrüche bei den Baustoffherstellern. Auch erhöhen Änderungen der Verbrauchergewohnheiten das Insolvenzrisiko, etwa wenn Unsicherheiten entstehen, wie durch Gesetzesänderungen oder der Umstellung von Förderprogrammen. Aber auch wirtschaftliche und steuerpolitische Maßnahmen der Regierung können Auslöser sein.
Diese externen Warnsignale betreffen in der Regel eine sehr große Menge an Unternehmen, die man als Geschäftspartner nicht alle umgehen kann. Doch wenn mehrere dieser Punkte gegeben sind, empfiehlt es sich, bevor man eine neue Geschäftsbeziehung eingeht, das Unternehmen noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und nach internen Warnsignalen Ausschau zu halten. Das kann etwa eine grundlose Verlagerung des Firmensitzes sein, Stundungsversuchungen sowie der Wechsel der Gesellschaftsform und letztlich Massenentlassungen.
Was tun bei einer Insolvenz des Auftraggebers?
Hat ein Bauunternehmen den Verdacht, dass der oder die Auftraggeber:in insolvent ist, sollte es das Vorliegen einer Krise ansprechen. Diese sind zwar nicht dazu verpflichtet, einen Krisenmodus zu offenbaren, bei Schweigen oder wahrheitswidriger Antwort haftet die Geschäftsführung unter Umständen jedoch persönlich auf Schadensersatz.
Ist die Insolvenz des Auftraggebers bereits im Gange, haben Auftragnehmer:innen verschiedene Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten. Besonders zu erwähnen ist hier eine “Bauhandwerker-Sicherungshypothek”, die die Forderungen gegenüber der Auftraggeberseite absichert. Auch bei einem unvollendeten Werk kann der Auftragnehmer oder die Auftragnehmerin die Einräumung dieser Sicherungshypothek für die Vergütung und die erbrachten Auslagen der geleisteten Arbeit verlangen. Die Sicherung gewährt der Auftragnehmerseite ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Das ist wichtig, da es dafür sorgt, dass die Schuld Vorrang hat, vor den Forderungen anderer Gläubiger. Allerdings wird die Sicherung unwirksam, wenn sie im letzten Monat vor dem Insolvenzantrag oder sogar erst danach eingereicht wurde.

Auftraggeber-Insolvenz: Können Baustoffe und Bauteile zurückgenommen werden?
Selbstverständlich stellen sich Auftragnehmer bei der Insolvenz des Auftraggebers die Frage, wie sie mit Bauteilen und Baustoffen umgehen sollten. Bei der Frage ist wichtig zu unterscheiden, ob das Bauelement bereits eingebaut wurde oder nicht. Ist ein Element bereits eingebaut, ist ganz eindeutig der oder die Auftraggeber:in Eigentümer:in. Dann steht der Auftragnehmerseite allerdings auch die vereinbarte Vergütung zu. Die bereits eingebauten Teile dürfen auf keinen Fall demontiert und entfernt werden, da so das Eigentum des Auftraggebers beziehungsweise der Auftraggeberin verletzt wird und sich der oder die Auftragnehmer:in schadensersatzpflichtig und möglicherweise sogar strafbar macht. Anders sieht das bei noch nicht eingebauten Bauteilen aus. Die Frage, ob ein Bauelement zurückgenommen werden kann, hängt nämlich davon ab, wer Eigentümer ist. In der Regel ist der Auftraggeber oder die Auftraggeberin erst mit Einbau des Elements Eigentümer:in. Bei nicht eingebauten Teilen bedarf es in der Regel eines Übertragungsaktes. Die Anlieferung an die Baustelle allein ist keine Eigentumsübertragung. Bei nicht eingebauten Elementen gilt es also sorgfältig zu prüfen, wer das Eigentum an diesen trägt.
Leistungsverweigerung bei Insolvenzverfahren des Auftraggebers
Grundsätzlich gilt, dass die Auftragnehmer:innen die Leistungserbringung verweigern können, wenn Auftraggeber:innen die fällige Zahlung nicht innerhalb einer gesetzten Nachfrist leisten. Ein Leistungsverweigerungsrecht besteht auch, wenn nach Vertragsschluss erkennbar wird, dass die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des Auftraggebers oder der Auftraggeberin gefährdet ist. Das ist bei einer Insolvenz der Fall. Wichtig ist allerdings, dass dieses Recht bei noch nicht ausgeführten Teilen der Leistung besteht. Mängelbeseitigungsansprüche des Auftraggebers beziehungsweise der Auftraggeberin müssen erfüllt werden, da der oder die Auftragnehmer:in vorleistungspflichtig ist.