Helmpflicht auf der Baustelle

Erstveröffentlichung: 25.11.2020 12:20 |

Auf Baustellen gibt es zahlreiche Unfälle. Um die Gefahr für Gesundheit und Leben zu minimieren, gibt es die Helmpflicht. Doch wann muss ein Helm getragen werden? Und was gibt es noch zu beachten? 

Das Wichtigste zur Helmpflicht auf der Baustelle in Kürze

  • Helmpflicht wird durch die Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG §§ 4–5 festgelegt – Arbeitgeber:innen müssen Helme stellen, Beschäftigte sie tragen
  • Empfohlen, wo Gefahr durch herabfallende, pendelnde oder umfallende Gegenstände besteht (GUV-R 193)
  • TOP-Prinzip: erst technische, dann organisatorische, zuletzt persönliche Schutzmaßnahmen umsetzen
  • Normgerechte Helme: DIN EN 397 (Industrie) oder EN 14052 (High-Performance), auf Passform, Komfort, Sichtbarkeit und ggf. Zusatzschutz achten
  • Haltbarkeit: Thermoplast-Helme 4 Jahre, Duroplast-Helme 8 Jahre; nach Schlag oder Schaden sofort ersetzen
  • Kontrolle durch BG BAU & Landesämter für Arbeitsschutz – Verstöße können mit Bußgeldern geahndet werden
Handwerker hält einen Helm © Kuzmaphoto / stock.adobe.com

Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung hat allein 2019 44.200 meldepflichtige Arbeitsunfälle mit Kopfverletzungen (Augenverletzungen ausgenommen) sowie 91 tödliche Unfälle registriert. Und eines steht fest: Helme können Leben retten! Eigentlich weiß das jeder, doch oft wird das Risiko einer Situation unterschätzt, der Helm ist unbequem oder einfach zu uncool, um ihn dauerhaft zu tragen. Aber mit Sicherheit hätte in einigen dieser Fälle ein Helm schlimmeres verhindern können, an manchen Unfallorten bestand sogar Helmpflicht, doch es wurde sich darüber hinweggesetzt.

Wo gilt eine Helmpflicht?

Es gibt keine generelle Helmpflicht und auch keine grundsätzliche Verordnung darüber, wann das Tragen eines Schutzhelmes verpflichtend ist. Aber Arbeitgeber:innen sind dazu verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung nach §§ 4 und 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) durchzuführen, in der Maßnahmen zur Arbeitssicherheit festgelegt werden müssen. Dazu gehört gegebenenfalls auch eine Helmpflicht. Letzt ist es also der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin, der oder die eine Helmpflicht festlegt.

In den berufsgenossenschaftlichen Regeln GUV-R 193 „Benutzung von Kopfschutz“ wird eine Helmpflicht empfohlen, wenn Gefahr durch herabfallende, pendelnde, umfallende oder wegfallende Gegenstände sowie durch den Anstoß an Gegenstände besteht. Auch wenn man ein Baustellenfahrzeug wie einen Bagger führt, ist ein Helm in der Regel sinnvoll, aber kein generelles Muss. Dementsprechend wird das Fazit sehr häufig zugunsten einer Helmpflicht durch den oder die Arbeitgeberin ausfallen. Diese:r muss die Helme kostenfrei zur Verfügung stellen und die Arbeitnehmer:innen sind nach § 15 Abs. 2 ArbSchG dazu verpflichtet, die Schutzausrüstung bestimmungsgemäß zu verwenden. Jedes Mal, wenn sich die Arbeitsbedingungen ändern, müssen Arbeitnehmer:innen die Gefährdungsbeurteilung neu prüfen und damit auch, ob das Tragen eines Helmes oder anderer Schutzkleidung verpflichtend sein sollte oder nicht.

Technische oder organisatorische Maßnahmen

Ein Helm bietet großen Schutz für den Kopf, aber er befreit nicht von anderen Schutzmaßnahmen. Bevor ein Schutzhelm vor einem Sturz oder herabfallenden Gegenstand schützen muss, gilt es, den Sturz oder das Herabfallen zu verhindern. Die Schutzmaßnahmen, die in der Gefährdungsbeurteilung beschlossen wurden, sind nach dem TOP-Prinzip umzusetzen. Das bedeutet, als erstes sollten die technischen Maßnahmen umgesetzt werden, dann die organisatorischen und persönliche Schutzmaßnahmen, wie das Tragen von Schutzkleidung, sind der letzte Schritt.
Zu den technischen Maßnahmen gehört:

  • Alle Absturzkanten und Boden- oder Wandöffnungen sichern
  • Bauteile und Materialien vor Umsturz sichern
  • mobile Hebebühnen und Rüstungen statt Leitern nutzen

Zu den organisatorischen Maßnahmen gehört:

  • Verkehrswege hindernisfrei halten
  • Material ordnungsgemäß lagern
  • Lasten an Kränen bestimmungsgemäß transportieren und regelgerecht anschlagen

Schutzausrüstung

Wenn all diese Maßnahmen getroffen wurden, gilt es zu überlegen, welche persönlichen Schutzmaßnahmen notwendig sind, um den Arbeitnehmer:innen ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen. Dazu gehört neben dem Tragen eines angemessenen Helmes – was angemessen bedeutet, führen wir im Anschluss aus – auch andere Schutzkleidung, etwa
Sicherheitsschuhe. Aber auch wenn die Arbeitgeber:innen im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung zu dem Schluss kommen, dass persönliche Schutzkleidung nicht verpflichtend ist, empfiehlt es sich, den Arbeitnehmer:innen diese zur Verfügung zu stellen, damit sie sich freiwillig noch besser schützen können. Denn auch bei den technischen und organisatorischen Maßnahmen kann es zu Fehlern kommen, so dass Materialien doch einmal im Weg stehen oder eine instabile Fläche, die nicht begangen werden darf, nicht ausreichend sichtbar markiert ist. Besonders sollte man daher auf den Arbeitsschutz im Tiefbau und den Umgang mit Gefahrstoffen achten. Wenn Sie sich darüber weiter informieren möchten, lesen Sie gerne in unseren Ratgebern weiter.

Den richtigen Helm wählen

Für die Arbeit auf der Baustelle kommen nach DIN EN 397 und EN 14052 zwei Arten von Schutzhelmen in Frage, wobei Industrieschutzhelme nach DIN EN 397 zu den Gängigsten gehören. Welcher Helm getragen werden muss, geht aus der Gefährdungsbeurteilung hervor. Bei der Auswahl des Helmes müssen mehrere Faktoren berücksichtigt werden. Die wichtigsten Stichpunkte sind:

  • Stoßdämpfung
  • Widerstandsfähigkeit gegen äußere EInflüsse
  • Durchdringsungsfestigkeit
  • Sicherheit des Sitzes
  • Haltbarkeit

Helme können darüber hinaus auch für mehr Sichtbarkeit auf der Baustelle sorgen. Helle und auffällige Farben sorgen dafür, dass Menschen leichter gesehen werden. Die meisten Bauhelme sind gelb. Durch andere Farben werden wichtige Personen erkennbar gemacht, etwa wenn der oder die Vorarbeiter:in rot oder orange trägt. Besucher:innen tragen oft weiße Helme und grüne Helme sind vor allem im Gartenbau zu sehen.

Für ausreichend Tragekomfort sorgen

Damit ein Helm die nötige Sicherheit bietet und nicht stört, muss er gut passen. Um die passende Größe zu ermitteln, gilt es zunächst, den Kopfumfang zu messen. In der Regel bieten Hersteller:innen drei Größen an, unter denen gewählt werden kann. Es gibt aber auch von den Standardmaßen abweichende Helme. Mit der Wahl der richtigen Helmgröße ist es aber nicht getan. Dies bietet nur eine Orientierung. Daraufhin muss der Helm an die individuelle Kopfform und -größe angepasst werden. Es ist zu empfehlen, einen Helm mit Kinnriemen zu wählen, denn dieser fällt nicht herunter, wenn der Träger oder die Trägerin stolpert. Auch der Riemen muss angepasst werden.
Auch die Form der Helmschale kann wichtig sein. Arbeitet man beispielsweise überwiegend draußen, bietet ein breiter Rand Schutz vor Witterung. Sie haben typischerweise einen umlaufenden Rand mit Regenrinne und Nackenteil oder schützen die Augen vor zu viel Sonne. In anderen Arbeitssituationen können auch Helme mit einstellbarem Visier, integriertem Gehör- und/oder Sichtschutz eine Bereicherung sein. Wenn die Gefahr des Herabstürzens besonders schwerer Gegenstände besteht, sollte ein besonders robuster Helm mit Glasfaserverstärkung gewählt werden. Zudem trägt eine gute Belüftung erheblich zum Tragekomfort bei, gleichzeitig muss aber darauf geachtet werden, dass die Öffnungen für die Belüftung nicht größer sind als die potentiell herabfallenden Gegenstände, etwa Schrauben.

Haltbarkeit von Helmen

Die „Haltbarkeit“ von Helmen aus thermoplastischem Kunststoff beträgt vier Jahre. Handelt es sich um einen dieser Stoffe, befindet sich eine der Kennzeichnungen PE, PC, ABS, HDPE, PP, PP-GF oder PC-GF an der Unterseite des Helmschilds. Helme aus duroplastischem Kunststoff sind durch PF-SF oder UP-GF markiert und müssen nach acht Jahren ausgetauscht werden. Nach einem harten Schlag oder sichtbaren Schäden müssen Helme grundsätzlich ersetzt werden. Zwischendurch sollte immer mal ein Knacktest durchgeführt werden, um den Zustand des Helmes grob einschätzen zu können. Dafür drückt man, bei aufgelegtem Ohr, die Helmschale mit den Händen seitlich leicht ein oder biegt den Schirm leicht. Hört man Knister- oder Knackgeräusche, sollte der Helm nicht mehr verwendet werden. § 15 des Arbeitsschutzgesetzes regelt, dass Arbeitnehmer:innen ihre Helme selbständig auf Schäden überprüfen müssen, nachdem sie vor der ersten Benutzung unterwiesen wurden, wie man Schäden erkennt, den Helm richtig trägt, anpasst und aufbewahrt.

Wer kontrolliert die Einhaltung der Helmpflicht?

Die Einhaltung der Helmpflicht wird in Deutschland zweifach kontrolliert. Mitarbeiter:innen der BG BAU und Vertreter:innen der Landesämter für Arbeitsschutz sind dazu auf den Baustellen unterwegs. Sie kontrollieren unangekündigt im Betrieb oder auf den Baustellen. Bei Zuwiderhandlung der Helmpflicht können Bußgelder von mehreren Tausend Euro fällig werden.

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Hannah Simons

Als Redakteurin produzierte Hannah Simons verschiedene informative Inhalte für die Kund:innen von ibau, insbesondere im Glossar- und Wissenswert-Bereich. In ihren Artikel klärte Sie schwerpunktmäßig über die Themen Umwelt, Gesellschaft und Vergaberecht auf. Dabei war es ihr besonders wichtig, komplexe Inhalte einfach und gut verständlich aufzubereiten. Ihr Ziel war es, dass sich Leser:innen problemlos über die wichtigsten Themen der Branche informieren können und ihnen dabei genug Zeit und Kapazitäten bleiben, sich auf die Kernaufgaben ihres Gewebes zu konzentrieren.