Heimische Rohstoffe: Welche Möglichkeiten hat Deutschland?

Erstveröffentlichung: 21.12.2022 17:13 |

Auf deutschen Baustellen werden viele Rohstoffe verbaut, die von weither importiert wurden. In Zeiten instabiler Lieferketten wird der Ruf nach Alternativen immer lauter.

Lieferengpässe Ukraine © roswitha wesiak / stock.adobe.com

Bis vor wenigen Jahren haben sich die Mehrzahl der Menschen keine Gedanken über Lieferketten gemacht, denn es lief ja meist alles reibungslos. Auch auf den Baustellen wurde überwiegend pünktlich geliefert, und hier sind fristgerechte Lieferungen besonders wichtig, da bestimmte Baustoffe nun mal zu einem bestimmten Zeitpunkt gebraucht werden. Mit der Coronakrise funktionierten erstmals die Lieferketten nicht mehr wie gewohnt. Baustoffe und Rohstoffe wurden zur Mangelware und sind es heute noch. Die Situation verschärfte sich durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine noch zusätzlich. Vorher sind jährlich etwa fünf Millionen Tonnen Rohstoffe aus der Ukraine und aus Russland in die EU importiert worden. Diese fehlen nun und sie zu ersetzen ist nicht einfach. Als sei das noch nicht genug, sind auch die Preise für Kraftstoffe stark angestiegen, was die Preisspirale insgesamt weiter hochschraubt. Da die deutsche Bauwirtschaft viele der benötigten Rohstoffe importiere, habe sie sich zu sehr von Lieferungen abhängig gemacht, sagt der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB). Doch welche Möglichkeiten für heimische Rohstoffe hat Deutschland? Und wie können sie am besten genutzt werden?

Welche Rohstoffe gibt es in Deutschland?

Tatsächlich hat Deutschland gute Chancen, sich von Rohstoffimporten unabhängiger zu machen. 60 Prozent aller in Deutschland genutzten Rohstoffe können auch hierzulande abgebaut und produziert werden. Dies umfasst heimische Rohstoffe, die eine wichtige Rolle in der Baubranche und in verschiedenen Industrien spielen.

1) Heimisches Holz als nachhaltigere Alternative

Holz kann vielseitig als Baumaterial im Hausbau, bei Sanierungen oder bei der Gestaltung von Außenanlagen eingesetzt werden. Je nach Funktionalität und Projekt eigenen sich verschiedene heimische Varianten wie Fichte, Kiefer, Eiche oder Buche.

Besonderheiten: Setzt man auf die Versorgung mit heimischem Holz in Verbindung mit Umweltsiegeln wie dem PEFC, unterstützt man eine nachhaltige und kontrollierte Forstwirtschaft. Durch heimisches Holz werden Tropenhölzer und Raubbau auf vermieden.

2) Sand und Kies werden immer rarer

Diese Rohstoffe werden vorwiegend in der Bauindustrie genutzt. Nicht nur dienen sie als Zuschläge für Beton und Kalksandstein, sondern werden auch für verschiedene Bereiche im Straßen-, Tief- und Garten-/Landschaftsbau verwendet.

Besonderheiten: Heimischer Sand und Kies sparen auch hier Transportkosten und –zeit, insbesondere wenn man das hohe Gewicht mitbedenkt. Aber: Die Inlandbeschaffung wird zunehmend schwieriger. Abbauflächen werden durch konkurrierende Nutzungen, Flächenbebauung oder Naturschutzgebiete immer weniger zugänglich, so BGR-Experte Dr. Harald Elsner. Die Knappheit ist auch in anderen Ländern ein Problem: Dort entstehen Gruppen an illegalen Rohstoff-Händler:innen, die auch als die Sand-Mafia bezeichnet werden. Sie bedienen sich an Sand vom Meeresgrund, was ökologische Folgen mit sich zieht, aber auch die Gefährdung von Menschenleben aufgrund von Gewalttaten innerhalb des organisierten Verbrechens.

3) Kalk- und Naturstein auf schonende Weise abgebaut

Verschiedene Karbonatgesteine, wie Kalk-, Dolomit- oder Mergelstein, kommen ebenfalls in vielen Industrien zum Einsatz. Ob die Produktion von Zement oder Eisen, Stahl und Glas, Wasseraufbereitung oder als Füllstoff für Kunststoffe und Klebstoffe – der Einsatzbereich ist weitreichend.

Besonderheiten: Beim Abbau von Kalk- und Naturstein werden Natur und Lebensräume geschädigt. Die strengen Umweltauflagen in Deutschland verhindern allerdings, dass diese dauerhaft zerstört werden, und sorgen dafür, dass Naturräume nach dem Abbau wiederhergestellt werden. Der heimische Rohstoff ist damit weitaus schonender für die Natur als der importierte. Importierter Naturstein bietet wiederum ästhetische Vorteile in der Architektur, da er sich je nach Vorkommen in der Maserung oder Farbvielfalt unterscheiden kann.

4) Witterungsbeständiger Schiefer für die Restauration

Schiefer wird in Deutschland vor allem in der Denkmalpflege und der Restauration von denkmalgeschützten Bauten eingesetzt. Aber auch im normalen Hausbau findet er seine Verwendung, da er durch seine Festigkeit besonders witterungsbeständig ist. In Deutschland wird er mittlerweile nur noch im Sauerland abgebaut.

Besonderheiten: Die Schieferproduktion in Deutschland geht zurück. Importierter Schiefer, beispielsweise aus Spanien, ist aufgrund der weiten Verfügbarkeit und Arbeitskosten günstiger und bietet vielfältige Eigenschaften wie unterschiedliche Farben, Dichte und Widerstandsfähigkeit.

5) Qualitativer Ton durch moderne Aufbereitung

Keramischer und feuerfester Ton ist besonders wichtig für die Herstellung von Glas, Stahl und anderen Werkstoffen. So werden daraus Fliesen, Ziegel und auch Sanitärprodukte produziert. Ton und andere keramische Rohstoffe haben in den letzten 30 Jahren stark an Nachfrage gewonnen.

Besonderheiten: Die Bereitstellung von keramischen Rohstoffen in der heimischen Produktion hat sich qualitativ gesteigert: Neue, moderne Aufbereitungsanlagen und strenge Qualitätsauflagen ermöglichen eine standardisierte Weiterverarbeitung, die durch Importe schwierig zu gewährleisten wäre.

Recyclete Rohstoffe: Unterstützung bei der Versorgung

Auch wenn eine Vollversorgung durch recyclete Materialien nicht zu erreichen ist, wird immer mehr auf Recycling gesetzt. Denn auch Primärrohstoffe sind nur endlich verfügbar. Neben der primären Rohstoffgewinnung unter oder über Tage wird also vermehrt auf die Wiederaufarbeitung von Rückstandsmaterial, das bei der Verarbeitung von Primärrohstoffen entstanden ist, geachtet. Heutzutage ist eine erneute Aufarbeitung besser möglich. Leider können nicht alle Rohstoffe gleich gut erneut aufarbeitet werden: So kann zum Beispiel aus gebrannten Tonziegeln kein Ton gewonnen werden.

Heimische Rohstoffe: Vorteile und Chancen

Im Sinne der Klimaziele und der Unabhängigkeit von Importen können die Lieferketten, die sich zurzeit neu ausrichten, als Chance für die deutsche Bauwende genutzt werden. Für die Bauwirtschaft wäre das eine erhebliche Möglichkeit, um mit dem Rückgang der notwendigen Ressourcen umzugehen und sich auf eine einheimische Gewinnung und Kreislaufwirtschaft zu fokussieren.

Versorgungssicherheit

Wenn auf heimische Rohstoffe zurückgegriffen wird, entfällt die Abhängigkeit von externen Lieferketten und Importen. Gerade bei wachsender Materialknappheit und steigenden Kosten erweist sich die Selbstversorgung als besonders wichtig.

Kosten

Transportkosten können, insbesondere bei schweren Materialien wie Sand, eingespart werden, indem Inland abgebaut und produziert wird.

Klimaschutz

Transportwege werden kürzer, wodurch der Kraftstoffverbrauch niedriger gehalten wird. Aber auch strengere Auflagen für den Abbau und die Regenerierung von nicht-genutzten Flächen sorgen für die Erhaltung von Lebensräumen.

Garantierte Qualitätsstandards

Da Rohstoffe im eigenen Land gesichert werden, kann die Herkunft rückverfolgt und von hohen Umwelt- und Sozialstandards bei der Gewinnung ausgegangen werden.

Was steht der Versorgung mit heimischen Rohstoffen im Weg?

Leider ist es nicht so einfach, den gesamten Bedarf an mineralischen Rohstoffen wie Kies, Sand oder Gips aus heimischen Vorkommen zu decken. Wie bereits erwähnt sind Vorkommen nicht nur beschränkt, sondern sind teilweise wegen anderweitigem Bedarf nicht zugänglich. Gleichzeitig machen viele Regularien den Gewinnungsprozess schwierig. Langwierige Genehmigungsverfahren erschweren Abbauprozesse und die hohen Sicherheits- und Arbeitsschutzstandards sorgen ebenfalls für eine teurere Weiterverarbeitung.

Was muss passieren?

Die Versorgung mit heimischen Rohstoffen ist präsent und wird in Zukunft noch wichtiger. Die Verknappung von natürlich vorhandenen Rohstoffen ist weltweit ein großes Problem, welches ein zielgerichtetes und konkretes Vorgehen erfordert. So sollen nicht nur auf die Gewinnung von neuen Rohstoffen gesetzt werden, sondern auch in Kombination mit recycelbaren Materialien in Richtung einer Kreislaufwirtschaft gearbeitet werden.

Die hessischen Unternehmen – vertreten durch die Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände (VhU) – haben konkrete Forderungen an die Politik:

  • Heimische Rohstoffe wie Sand, Kies und Steine müssen stärker als bisher genutzt werden können. Dafür müssen die Genehmigungsverfahren für Steinbrüche und Gruben beschleunigt werden.
  • Es müssen mehr Flächen für die Rohstoffgewinnung ausgewiesen werden. Momentan werden Abbaugebiete häufig als Freizeitareal genutzt.
  • Bauschutt muss stärker als bisher recycelt werden und auch ortsnah entsorgt werden können.

Auf der einen Seite müssen diese Prozesse schneller genehmigt werden und vereinfacht werden, um das gesamte Rohstoffvorkommen ausschöpfen zu können. Auf der anderen Seite ermöglichen die vorhandenen Regulationen hohe Qualitätsstandards. Der Abbau von Rohstoffen greift nämlich in natürliche Lebensräume von Tieren und Pflanzen ein. Auch für die Menschen fallen dadurch Naherholungsgebiete weg.

Heimische Rohstoffe: Holzplatte mit Holzspänen. © Fiedels / stock.adobe.com

Fazit

Die Baubranche muss sich nicht von Rohstoffimporten abhängig machen. Wir haben auch hierzulande Bodenschätze und darüber hinaus die Möglichkeit, mit recycelten Baustoffen zu arbeiten. Daraus ergeben sich auch kürzere Transportwege und somit ein geringerer Kraftstoffverbrauch – das schont das Portemonnaie und sorgt dafür, dass weniger Abgase in die Luft geblasen werden. Ob das Ganze aber wirklich ein Gewinn für die Umwelt ist, bleibt zu diskutieren. Wenn hierzulande verstärkt Rohstoffe abgebaut werden, werden dabei auch immer ein Stück weit die Natur und Naherholungsgebiete zerstört. Andererseits gilt dasselbe ja auch für die Länder, aus denen wir Rohstoffe importieren. Es gilt abzuwägen, was wirtschaftlich nötig ist und wie dabei gleichzeitig die Umwelt bestmöglich geschont werden kann.

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