Ist ein Gericht oder eine Behörde verpflichtet, einen Sachverhalt zu untersuchen, ohne dass ein:e Betroffene:r einen entsprechenden Antrag stellen muss, spricht man vom Amtsermittlungsgrundsatz.
Der Amtsermittlungsgrundsatz findet sich in unterschiedlichen Ausprägungen mit entsprechend variierenden Bezeichnungen. Grundsätzlich gilt für die Definition: Eine Behörde oder Gericht untersucht einen Sachverhalt von Amts wegen. Dies wiederum bedeutet, dass eine Handlung vorgenommen wird, ohne dass es eines Antrags oder einer sonstigen Maßnahme zur Einleitung eines Verfahrens bedarf.
Abweichende Bezeichnungen für die unterschiedlichen Ausprägungen des Amtsermittlungsgrundsatzes sind die folgenden: Im Verwaltungsverfahren lautet die übliche Bezeichnung "Untersuchungsgrundsatz"; in der allgemeinen und besonderen Verwaltungsgerichtsbarkeit wird die Bezeichnung "Ermittlungsgrundsatz" verwendet.
Besonders hohen Stellenwert hat der Amtsermittlungsgrundsatz im Strafverfahren. Hier gilt das Legalitätsprinzip. Als Erklärung zum Amtsermittlungsgrundsatz im Strafverfahren ist zu betonen, dass die strafverfolgenden Behörden verpflichtet sind, Straftaten bereits bei einem Anfangsverdacht von Amts wegen zu verfolgen.
Zu den deutschen Strafverfolgungsbehörden gehören die Staatsanwaltschaft, die Polizei, die Finanzbehörden und das Hauptzollamt. Bei Bestehen eines Anfangsverdachts sind sie verpflichtet, einzuschreiten und mögliche Straftaten zu verfolgen. Antragsdelikten wird dagegen nur nachgegangen, wenn der Geschädigte Antrag auf Strafverfolgung stellt. Eine Ausnahme kann das besondere öffentliche Interesse darstellen.
Bei einem Vergehen bestehen zusätzliche Möglichkeiten. Unter einem Vergehen ist eine minder schwere Straftat zu verstehen, die mit einer Geldstrafe oder einer moderaten Freiheitsstrafe geahndet wird. In diesen Fällen können Staatsanwaltschaft und Gericht die Verfahren ohne Auflage einstellen, wenn nach § 163 StPO Geringfügigkeit besteht. Steht die Schwere der Schuld dem nicht entgegen, können sie die Verfahren auch gegen Weisungen oder Auflagen einstellen.
Zentrales Anliegen des Strafprozesses ist die Ermittlung des tatsächlichen Sachverhalts. Entsprechend ist das Gericht laut § 244 Abs. 2 StPO dazu verpflichtet, in der Hauptverhandlung alle Tatsachen und Beweismittel für die Beweisaufnahme zu berücksichtigen, die für die Entscheidung bedeutend sind. Um den Sachverhalt aufzuklären, ist allen sinnvollen und erkennbaren Möglichkeiten nachzugehen.
In zivilgerichtlichen Verfahren gilt der Beibringungsgrundsatz, sofern die Zivilprozessordnung angewendet wird. Gemeint ist damit das "Prinzip der formellen Wahrheit". Die Gerichte legen für die Entscheidungsfindung grundsätzlich nur die Sachverhalte zugrunde, die
Die Parteien vor Gericht steuern sozusagen das Verfahren, unterliegen jedoch sogenannten Editionspflichten. Diese haben zum Ziel, eine möglichst wahrheitsgetreue und umfassende Feststellung der Tatsachen zu ermöglichen.
Die Zivilgerichte sind außerdem unter anderem für folgende Angelegenheiten zuständig:
Gemäß § 26 FamFG sind in diesen Fällen von Amts wegen die erforderlichen Ermittlungen durchzuführen, um entscheidungsrelevante Tatsachen feststellen zu können.
§ 13 InsO regelt die einzuhaltenden Vorgaben des Antrags auf Insolvenzeröffnung. Ist der Antrag beim Gericht eingegangen, ermittelt dieses die jeweils relevanten Umstände von Amts wegen.
In den genannten Gerichts- und Verwaltungsverfahren liegen der zu bewertende Sachverhalt und die zu treffende Entscheidung im besonderen öffentlichen Interesse. Es geht im Verwaltungsprozess somit nicht nur um den Schutz des Klägers beziehungsweise der Klägerin, sondern auch um die Kontrolle der Behördentätigkeit. In der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist daher gemäß §§ 35-37 VwGO grundsätzlich ein "Vertreter des öffentlichen Interesses" Teilnehmer:in des Verfahrens.
Seit dem 01.09.2009 sind Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit im FamFG geregelt. In diesem Bereich gilt von jeher der Amtsermittlungsgrundsatz.