Materialmangel und Klimawandel: Ist Stroh die Antwort?
Dämmstoffe sind sowohl knapp als auch teuer – und belasten das Klima. Dies rückt alternative Baustoffe wie Stroh ins Rampenlicht, denn es ist günstig, isoliert gut und wächst schnell nach.
Das Wichtigste zu Stroh als Dämmstoff in Kürze
- Jährlich fallen 4 Mio. Tonnen nutzbares Stroh an – als Ballen, Platten oder Einblasstroh
- Gepresstes Baustroh ist nur „normal entflammbar“ (Klasse E)
- Bietet guten Schall- und Wärmeschutz, reguliert Feuchtigkeit, braucht aber dicke Wände (ab ca. 28 cm)
- Nachhaltig: lokal verfügbar, energiearm hergestellt, CO₂-speichernd, kompostierbar
- Häufig in Holzständerbau, Fassaden und Dächern genutzt; rechtliche Basis: Strohbaurichtlinie
- Nachteile: Schimmel- und Feuchterisiko, mittlere Brennbarkeit, kleinerer Wohnraum durch Wandstärke

Wenn Altbauten und Fachwerkhäuser renoviert werden, kommt oft ein Baustoff zum Vorschein, der früher oft genutzt wurde, dann aber in Vergessenheit geriet. Stroh wurde in der Vergangenheit gerne genutzt, um Gebäude zu dämmen. Als synthetische industrielle Baustoffe auf den Markt kamen, dämmte kaum jemand noch mit Stroh. Doch das ändert sich zurzeit. Zum einen wird nachhaltiges Bauen immer wichtiger. Gleichzeitig ist Dämmmaterial derzeit ein knappes Gut, und diese Knappheit bringt viele dazu, sich über Alternativen Gedanken zu machen.
Es ist genug da
In Deutschland wird viel Getreide angebaut, und als Abfallprodukt fällt jede Menge Stroh an. 20 Millionen Tonnen Stroh werden in Deutschland jährlich geerntet. Auch wenn man das abzieht, was für die Tierhaltung benötigt wird, bleiben noch etwa 20 Prozent davon übrig. Das sind vier Millionen Tonnen!
Man kann die normalen Strohballen verwenden, oder auch mit Strohbauplatten oder Einblasstroh arbeiten. Bei letzterem wird das Stroh speziell geschnitten und gereinigt und dann in Wände und Decken geblasen, aber auch in Dächer, Fußböden oder Fassaden. Stroh wird auch in Verbundbaustoffen eingesetzt, gerne gemeinsam mit Lehm.
Was ist mit dem Brandschutz?
Viele schrecken zunächst vor Stroh als Baustoff zurück, weil sie wissen, wie schnell dieses abbrennen kann. Doch leicht entflammbar ist nur loses Stroh, und das wird ja nicht verbaut. Stattdessen kommt gepresstes Stroh in Form von Strohballen oder Strohplatten zum Einsatz. Durch den Pressvorgang entweicht Sauerstoff, der ja zum Entflammen benötigt wird. Stroh ist daher nicht leicht, sondern „normal“ entflammbar. Die Strohballen haben die Brandschutzeigenschaft E.
Warum ist Stroh ein toller Baustoff?
Doch Stroh punktet nicht allein durch Nachhaltigkeit. Auch bauphysikalisch gesehen ist es ein hervorragender Baustoff.
Strohdämmungen liegen ganz weit vorne, wenn es um den Schallschutz geht. Das ist so, weil Strohballen eine hohe Dichte haben und somit weniger Schall durchlassen. Gesetzlich wird ja ein RW-Schallschutzwert von 50 dB vorgeschrieben. Dies übertrifft Stroh bei weitem. Die guten Schallschutzeigenschaften machen ihn auch für die Trittschalldämmung von Fußböden interessant.
Auch fürs Raumklima ist der Baustoff Stroh ideal, weil er auf natürliche Art die Feuchtigkeit im Raum reguliert. Es ist diffusionsoffen, also offen für die Diffusion des Dampfes und kapillaraktiv. Letzteres bedeutet, dass es Wasser aufsaugen und wieder abgeben kann. Stroh nimmt Feuchtigkeit aus dem Raum auf und gibt sie nach und nach wieder ab, wenn die Luft zu trocken ist. Das ist nicht nur gut fürs Raumklima, sondern verhindert auch, dass sich Schimmel bildet.
Zudem isoliert Stroh hervorragend. So bleibt es im Sommer kühl und im Winter angenehm warm. Allerdings gibt es da einen Wermutstropfen. Damit der Wohnraum optimal gedämmt wird, müssen die mit Stroh gedämmten Wände dicker sein als andere Wände. Sie sollten mindestens 28 cm dick sein. Leider verkleinert sich dadurch der Wohnraum, wenn es um die Innendämmung geht. Hier gilt es abzuwägen, wie dick die Wand werden soll. Denn je dicker eine Strohschicht ist, desto besser kann sie vor Lärm, Kälte und Hitze schützen.
Stroh kann beim Hausbau vielfältig eingesetzt werden. Man kann damit sowohl Böden und Wände dämmen als auch Decken und Dächer.
Wie nachhaltig ist Stroh als Dämmstoff?
Stroh liegt ganz weit vorne, wenn es um Nachhaltigkeit geht. Getreide wird deutschlandweit angebaut und ist daher fast überall lokal verfügbar. Lange Transportwege entfallen daher.
Auch was den Energieverbrauch angeht, ist dieser natürliche Baustoff ein Musterschüler. Strohdämmstoffe lassen sich mit nur wenig zusätzlicher Energie herstellen. Bei konventionellen Dämmstoffen hingegen wird für die Herstellung eine Menge Energie benötigt.
Außerdem entstehen keine umweltschädlichen Säge- und Schnittspäne. Bei konventionellen Dämmstoffen ist dies leider der Fall. Je nachdem, welches Dämmmaterial bearbeitet wird, können schädliche Späne in die Umwelt gelangen. Manchmal dauert es mehrere Hundert Jahre, bis sie sich wieder abgebaut haben.
Auch chemische Zusatzstoffe sind hierfür nicht nötig. Dies ist auch von Vorteil, wenn das Haus später abgerissen wird. Das Stroh kann dann kompostiert oder auch zu Biogas weiterverarbeitet werden.
Nicht zuletzt profitiert auch das Klima vom Bauen mit Stroh. Getreide speichert in der Wachstumsperiode CO2, und dieses bleibt dauerhaft gespeichert. Auch wenn es zum Dämmstoff weiterverarbeitet wird, entsteht durch diesen Arbeitsprozess keine nennenswerte Menge an CO2. Auch indirekt trägt Stroh dazu bei, CO2 einzusparen. Denn wenn ein Haus über Strohdämmung verfügt, reduziert sich dadurch der Heizbedarf. Also alles ziemlich prima fürs Klima.
Wo wird Stroh derzeit häufig eingesetzt?
Stroh wird gerne in Leichtbaukonstruktionen als Dämmung eingesetzt. Hierbei handelt es sich um Gebäude, die in der Holzständerbauweise errichtet wurden. Es eignet sich für die Fassade und auch fürs Dämmen des Daches. Oft wird das umweltfreundliche Dämmmaterial in nicht tragenden Wänden eingesetzt, etwa zur Außendämmung. Möchte man es für tragende Wände nehmen, ist das mit Aufwand verbunden, weil hier erst die Bauaufsicht zustimmen muss. Jeder Einzelfall muss gesondert entschieden werden. Bei Wänden wird der Putz direkt auf die Dämmschicht aufgebracht. Möglich ist aber auch eine Außenverkleidung auf der Basis von Holz.
In der Fassade wird die Strohdämmung in erster Linie bei geneigten Dächern verwendet, die eine gute Hinterlüftung haben. Das schützt gut vor Feuchtigkeit. Darüber wird gerne eine außenseitige Überdämmung angebracht. Stroh wird auch oft eingesetzt, um den Raum zwischen den Sparren oder Hohlräume zu dämmen.
Wie wirkt sich eine Strohdämmung auf die Gesundheit aus?
Bei Stroh handelt es sich um einen natürlichen Stoff, daher gehen von ihm keine Gesundheitsgefahren aus. Deshalb gibt es auch keine Vorsichtsmaßnahmen oder Bestimmungen, die beim Ein- und Ausbau beachtet werden müssen.
Gibt es auch Nachteile?
Natürlich bringt das Bauen mit Stroh auch Nachteile mit sich. Zum einen kann es schimmeln, wenn es feucht wird. Dies kann insbesondere passieren, wenn Außenwände mit Stroh gedämmt werden, weil hier immer wieder Regen an die Wände kommt. Hier kann ein wasserabweisender Anstrich wie beispielsweise ein Luftkalkputz helfen. Wenn eine Wand starken Regenbelastungen ausgesetzt ist, kann auch ein Dachüberstand oder ein Balkon sinnvoll sein. Grundsätzlich sollte Baustroh so trocken wie möglich sein. Darauf muss man schon bei der Ernte und bei der Lagerung achten. Auch beim Transport und beim Einbau muss man darauf achten, dass es nicht feucht wird.
Eine weitere Schwachstelle ist die Brennbarkeit von Stroh. Baustrohballen sind aufgrund der Kompression bei weitem nicht so brennbar wie loses Stroh. Sie liegen in puncto Brennbarkeit im Mittelfeld – aber eben auch nur da. Gegen schwer entflammbare Dämmstoffe wie Glaswolle oder PU-Dämmplatten kommen sie nicht an.
Auch wenn es um die Wärmeleitfähigkeit geht, liegt Stroh leider nur im Mittelfeld. Um diese zu verbessern, muss mehr Material genutzt werden, sprich: Die Wände müssen dicker sein. Dadurch fällt der Wohnraum kleiner aus.
Ein weiteres Problemfeld ist die Schimmelbildung. Sobald Feuchtigkeit an das Stroh gerät, kann dies zu Schimmel führen.
Auch auf Schädlinge muss man ein Auge haben, wenn man auf Strohdämmung setzt. Eigentlich wird Baustroh so stark gepresst, dass Schädlinge keine Nisthöhle finden können. Außerdem gibt es keine Getreidekörner, so dass sie auch keine Nahrung finden. Das reine Stroh weist keine Nährstoffe auf und scheidet deshalb als Nahrungsquelle aus. Dennoch empfiehlt es sich, das Thema auf dem Radar zu haben. Denn wenn Baustroh nicht sorgfältig verarbeitet wird, können sich Schädlinge einnisten.
Rechtliches
Wichtige rechtliche Fragen zum Bauen mit Stroh regeln die Strohbaurichtlinie des Fachverband Strohballenbau (FASBA). Diese wurde vom Fachverband Strohballenbau als Grundlagenwerk geschaffen. Er hat für den Baustroh europäische Zulassung mit CE-Zertifizierung erreicht.
Fazit
Das Dämmen mit Stroh führt derzeit noch ein Nischendasein. Der Fachverband Strohballenbau Deutschland sagt, dass deutschlandweit etwa 50 Häuser pro Jahr mit Stroh gedämmt werden - Tendenz steigend. Immer mehr Menschen lassen sich von den guten Dämmeigenschaften des natürlichen Baustoffes überzeugen. Auch fürs Klima ist das Bauen mit Stroh ein Segen. Es speichert CO2, für die Verarbeitung wird nur wenig Energie benötigt und es dämmt gut. Das sind Aspekte, die in Zeiten des Klimawandels immer wichtiger werden.
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