Stornierungen beim Hausbau: Wer muss zahlen?

Schon seit Monaten kämpft die Baubranche mit Problemen. Insbesondere die gestörten Lieferketten sowie die Materialengpässe führen zu großen Preissprüngen bei Bauprojekten. Immer häufiger werden deshalb Aufträge storniert. Welche Rechte haben Bauunternehmen?

Das Wichtigste zu Stornierungen beim Hausbau in Kürze

  • Kündigungsarten: Bauherr:in kann jederzeit frei kündigen (§ 648 BGB); außerordentliche Kündigung nur bei wichtigem Grund (z. B. schuldhafter Verzug), grundsätzlich für beide Seiten möglich (§ 648a BGB)
  • Folge der freien Kündigung: Unternehmer:in behält vereinbarte Vergütung, muss sich jedoch Erspartes/anrechenbare Ersatzaufträge abziehen lassen; Vermutung: 5 % der nicht erbrachten Leistungen (§ 648 S. 3 BGB)
  • Aktuelle Lage: Lieferengpässe/Preisexplosionen allein begründen meist keinen schuldhaften Verzug—außerordentliche Kündigung durch Bauherr:in daher oft nicht möglich
  • Anpassung statt Ausstieg: Bei schwerwiegenden Änderungen kann nach § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) eine Vertragsanpassung verlangt werden; nur ausnahmsweise Rücktritt/Kündigung
  • Vergütung & Nachträge: Preissteigerungen werden einzelfallabhängig behandelt (Pauschalpreis, Gleitklausel). Bei Streit um Nachtrag dürfen Unternehmer:innen 80 % der angesetzten Vergütung verlangen (§ 650c Abs. 3 BGB); Nichtzahlung → Leistung einstellen/außerordentlich kündigen (u. a. § 273 BGB)
  • Zahlungssicherheit: Unternehmer:innen können eine Bauhandwerkersicherung verlangen—110 % des Vergütungsanspruchs (§ 650f BGB); bleibt Sicherheit aus → Kündigungsrecht (§ 650f Abs. 5 BGB) und im Kündigungsfall gilt wieder die 5 %-Regel aus § 648 BGB
Planung eines stornierten Bauauftrags © Raw / stock.adobe.com

Im Baubereich haben sich die Bedingungen in letzter Zeit stark geändert. Deshalb möchten Bauunternehmen laufende Projekte gerne an die geänderten Umstände anpassen – und in manchen Fällen auch stornieren. Im Juni 2022 lag laut einer Umfrage des ifo Instituts der Anteil der Stornierungen im Hochbau bei 11,5 Prozent. Im Vormonat waren es sogar noch 13,4 Prozent. „Die Größenordnung ist vergleichbar mit dem Corona-Schock im Frühjahr 2020”, sagt ifo-Forscher Felix Leiss. „Diesmal sehen wir im Wohnungsbau besonders häufig Stornierungen. Allerdings sind die Auftragsbücher im Mittel weiterhin prall gefüllt.“ Doch wie sind eigentlich die rechtlichen Rahmenbedingungen bei Stornierungen?

Stornierung: Den Bauvertrag kündigen

In der Verhandlungsphase ist es noch möglich, vom Abschluss eines Vertrages Abstand zu nehmen. Schwieriger wird es, wenn bereits ein Vertrag abgeschlossen wurde. Doch so manche:r Bauherr:in möchte aufgrund der steigenden Preise und Lieferschwierigkeiten ein Bauprojekt so schnell wie möglich beenden – in der Hoffnung, mögliche Verluste so gering wie möglich zu halten. Bauunternehmer:innen wiederum möchten die vereinbarten Preise und Bauzeiten gerne an die aktuellen Gegebenheiten anpassen, um Minusgeschäfte zu vermeiden. Ist eine Anpassung nicht möglich oder nicht gewollt, überlegen sie nicht, selten aus dem Vertrag auszusteigen. Dies geht nur durch Kündigung.

Grundsätzlich gilt: Laut BGB darf nur der Bauherr ohne wichtigen Grund einen Bauvertrag kündigen. Eine außerordentliche Kündigung hingegen können beide Parteien aussprechen. Allerdings muss hierfür ein wichtiger Grund vorliegen.

Der Bauherr oder die Bauherrin kündigt: Welche Folgen hat das?

Der Bauherr oder die Bauherrin kann den geschlossenen Vertrag jederzeit gemäß § 648 BGB kündigen. Bei dieser freien Kündigung steht dem Bauunternehmer oder der Bauunternehmerin weiterhin die vereinbarte Vergütung zu. Aber: Was aufgrund der Beendigung des Vertrages erspart oder anderweitig erworben wurde, muss angerechnet werden. Die Berechnung und Darlegung ist selten einfach. Deshalb sieht §648 S. 3 BGB eine Vermutung in Höhe von fünf Prozent der Vergütung vor. Für Unternehmer:innen bedeutet dies, dass sie für die wegen der Kündigung nicht mehr erbrachten Teile der Leistung eine Vergütung in Höhe von fünf Prozent des Vereinbarten erwarten können.

Darüber hinaus können Bauherr:innen bei Lieferengpässen Verträge unter Umständen außerordentlich kündigen – so sieht es der § 648a BGB vor. Aufgrund der Materialknappheit können Bauunternehmer:innen häufig die vereinbarten Termine nicht einhalten. Manche Auftragnehmer:innen geraten infolgedessen mit der Leistung in Verzug. Werden Sie dann mit Fristsetzung und unter Androhung einer außerordentlichen Kündigung zur Leistungserbringung aufgefordert, entsteht bei erfolglosem Ablauf ein Kündigungsrecht für den Bauherrn oder die Bauherrin. Dies gilt allerdings nur, wenn der Auftragnehmer oder die Auftragnehmerin mit seiner Leistung schuldhaft in Verzug geraten ist – und dies ist in Zeiten von Lieferschwierigkeiten häufig nicht der Fall.

Arbeiter am Bau © Michael Flippo / stock.adobe.com

Kann auch das Bauunternehmen kündigen?

Auch Bauunternehmer:innen können unter Umständen aufgrund der derzeitigen Situation Bauverträge außerordentlich kündigen.

Die benachteiligte Partei kann Umständen gemäß § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage) eine Anpassung des Vertrages verlangen. Der Paragraph greift dann, wenn sich die Umstände nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag in Kenntnis dieser Umstände so nicht geschlossen hätten. Voraussetzung ist, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag für die benachteiligte Partei unzumutbar wäre.

Wenn im jeweiligen Fall auch eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder nicht zumutbar ist, hat die benachteiligte Partei die Möglichkeit, vom Vertrag zurückzutreten. Der § 313 BGB soll nur für besondere Ausnahmefälle gelten, also wenn schwerwiegende Veränderungen eingetreten sind. Doch was gilt „als schwerwiegende Veränderung“? Diese kann gegeben sein, wenn nach Abschluss des Vertrags ein Krieg ausbricht – aber auch nur dann, wenn er Auswirkungen auf die vertraglich vereinbarte Leistung hat. Ein Beispiel sind Sanktionen.

Zu beachten ist, dass an einen Anspruch nach § 313 BGB sehr hohe Anforderungen gestellt werden. Der Paragraph zielt auf besondere Ausnahmefälle ab. Nicht jede Erschwernis führt zu einem Recht auf Anpassung oder gar Rücktritt. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Bauvertrag nach Beginn des Krieges abgeschlossen wurde. Hier war es absehbar, dass Schwierigkeiten eintreten können.

Können Unternehmen nachträglich eine höhere Vergütung fordern?

Wesentlich öfter als eine Vertragskündigung kommt in der Praxis eine nachträgliche Anpassung der Vergütung vor, gerade in Zeiten gestiegener Materialpreisen ein häufiger Fall. Jedoch ist am Einzelfall zu entscheiden, ob dem Auftragnehmer oder der Auftragnehmerin ein Recht auf Anpassung der Vergütung zusteht. Wichtige Punkte sind hierbei, ob die Parteien einen Pauschalpreis vereinbart haben oder ob ein Vertrag mit einer Stoffpreisgleitklausel geschlossen wurde. Diese Punkte helfen bei der Frage, wie Mehrkosten zu verteilen sind. Das Gesetz selbst enthält diesbezüglich keine Regelung.

Genauso oft versuchen Auftragnehmer:innen mit Nachträgen, den Bauherren und den Bauherrinnen die erhöhten Materialpreise in Rechnung zu stellen. Dies führt meist dazu, dass die beteiligten Parteien über die Höhe des Nachtrags diskutieren – und nicht immer können sie sich einigen. In dem Fall kann der Unternehmer oder die Unternehmerin laut § 650c Abs. 3 BGB 80 Prozent der im Nachtrag angesetzten Vergütung fordern. Diese Summe muss zunächst gezahlt werden. Die endgültige Abrechnung findet aber bei der Schlussrechnung statt.

Doch manche Bauherr:innen zahlen diese vorgeschriebenen 80 Prozent nicht. In diesem Fall können Auftragnehmer:innen nach erfolgloser Mahnung die Leistung einstellen und außerordentlich kündigen. Bei ausbleibenden Zahlungen steht neben einem Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB auch ein Recht auf außerordentliche Kündigung zu, da der Besteller seiner Hauptleistungspflicht nicht nachkommt.

Eine Bauhandwerkersicherung fordern

Gemäß § 650f BGB können Unternehmer:innen eine Bauhandwerkersicherung fordern. Hierbei handelt es sich um eine Sicherheit, die der Unternehmer zu jedem Zeitpunkt fordern kann und die der Bauherr oder die Bauherrin dann in Höhe von 110 Prozent des zu sichernden Vergütungsanspruchs zu stellen hat. In der Praxis wird diese Sicherheit meist in Form einer Bürgschaft geleistet. Verstreicht die Frist zur Leistung der Sicherheit erfolglos, hat der Unternehmer oder die Unternehmerin das Recht, den Vertrag nach § 650f Abs. 5 BGB zu kündigen. Übrigens: Kommt es zu einer Kündigung, greift die Vergütungsregelung aus § 648 BGB, wonach dem Unternehmer fünf Prozent der ausstehenden Vergütung zustehen.

Abonnieren Sie jetzt den ibau Newsletter!

Ähnliche Artikel

21.07.2025 15:28 | ibau Redaktion Veröffentlicht in: Wissenswertes
Auf deutschen Baustellen werden viele Rohstoffe verbaut, die von weither importiert wurden. In Zeiten instabiler Lieferketten wird der Ruf nach Alternativen immer lauter.
30.06.2025 10:35 | ibau Redaktion Veröffentlicht in: Wissenswertes
Besonders gefährdet für Hautkrebs und Hitzeerkrankungen sind Personen, die im Freien arbeiten. Dabei gibt es viele Möglichkeiten, sich vor der Sonneneinstrahlung zu schützen. Erfahren Sie wie!
26.05.2025 14:22 | ibau Redaktion Veröffentlicht in: Wissenswertes
In einigen Bundesländern ist es bereits Pflicht, bei Neubauten eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren. Doch wen betrifft diese Pflicht? 
29.11.2024 13:20 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Die neue KfW-Förderung “Klimafreundlicher Neubau” soll energieeffizientes Bauen fördern. Das klappt nicht, sagt die Baubranche und verweist auf die Schwachstellen der KfW-Förderung 2023.
25.11.2024 14:10 | Lorena Lawniczak Veröffentlicht in: Wissenswertes
Materialknappheit und steigende Preise dominierten die Bauwirtschaft in den vergangenen Jahren besonders. Welche Entwicklung hat sich gezeigt und was wird künftig erwartet? 
26.07.2024 09:41 | Lorena Lawniczak Veröffentlicht in: Wissenswertes
Die Bauindustrie steckt in der Krise, die Aufträge brechen zunehmend weg und manch einer sieht schon seine Existenz gefährdet. Der Rückgang im privaten Wohnungsbau verschärft die Lage nur. Öffentliche Ausschreibungen können die Lösung sein.
ibau Autorin Iris Jansen
Iris Jansen

Iris Jansen war von Juni 2021 bis Mai 2024 als Content-Managerin bei der ibau GmbH in Münster tätig. Sie versorgte die Leser:innen gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Rubrik „Wissenswertes“ mit neuen Inhalten: Was tut sich im Handwerk? Wie reagiert die Bauwirtschaft auf die aktuellen Herausforderungen? Themen rund um Holz und Beton mochte sie gern und freute sich über gleichgesinnte Leser:innen, die mit ihr die Baustellen streifen wollten. Als ausgebildete Technische Redakteurin interessierte sie sich für die technischen und handwerklichen Details, behielt dabei das große Ganze im Blick. Laut Iris gab es im Baubereich viele spannende Fragen, die beantwortet werden wollen – nicht zuletzt, um allen Bauinteressierten dabei zu helfen, den Überblick zu behalten.