Nachunternehmerhaftung: So minimieren Sie das Haftungsrisiko
Beauftragt ein Unternehmen andere Firmen mit Werk- oder Dienstleistungen, haften sie beim Thema Mindestlohn wie ein selbstschuldnerischer Bürge. Dies gilt grundsätzlich für alle Branchen und somit auch für den Bau. Doch es gibt Möglichkeiten, das Haftungsrisiko zu minimieren.

Die Beauftragung von Subunternehmen ist in der Baubranche weit verbreitet. Daher ist die Subunternehmerhaftung hier ein geläufiger Begriff. In den Blickpunkt der Öffentlichkeit geriet der Begriff aber in erster Linie im Zusammenhang mit Paketdiensten. Diese vergaben oft Aufträge an viele kleinere Transportfirmen und achteten oftmals nicht darauf, ob die beauftragten Firmen alle Bestimmungen einhalten. Aus diesem Grund trat am 23. November 2019 ein Gesetz in Kraft, das für bessere Arbeitsbedingungen in der Paketbranche sorgen sollte. Seither haften große Paketdienste für die Verstöße ihrer Auftragnehmer:innen. Das gilt auch für den Fall, dass Sozialversicherungsbeiträge nicht korrekt gezahlt wurden. Deshalb sollten Unternehmen Ihre Subunternehmer:innen sorgfältig auswählen. Die folgenden Punkte können dabei helfen, das Haftungsrisiko möglichst gering zu halten:
- Fordern Sie bei Krankenkassen eine Unbedenklichkeitsbescheinigung an. Diese zeigt, wie zuverlässig das potentielle Subunternehmen seinen Zahlungspflichten nachkommt.
- Prüfen Sie Angebote genau - besonders die Kalkulation. Gibt es Anhaltspunkte dafür, dass der Mindestlohn nicht gezahlt wird?
- Lassen Sie sich von Ihren Auftragnehmer:innen schriftlich zusichern, dass diese ihren Beschäftigten den Mindestlohn zahlen.
- Schließen Sie mit dem Subunternehmen einen Vertrag zur Minimierung des Haftungsrisikos ab. Dieser sollte Prüf- und Kontrollrechte beinhalten.
Mindestlohnhaftung: Wie ist die gesetzliche Grundlage?
Zum Thema Mindestlohn gab es auch vorher schon gesetzliche Vorschriften – nicht nur für den Baubereich, sondern auch für alle anderen Branchen. Hier ein Überblick, wie die Nachunternehmerhaftung beim Thema Mindestlohn geregelt ist:
Das Mindestlohngesetz (MiLoG) beinhaltet keine eigenständige Haftungsregelung für Auftraggeber:innen. Das kommt erst durch die Verbindung von § 13 MiLoG mit § 14 Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) zustande. Die Paragrafen gelten für alle Branchen. Laut § 13 MiLoG in Verbindung mit § 14 AEntG haftet nie eine Privatperson. Es haftet allein ein:e Unternehmer:in, die oder der eine:n andere:n Unternehmer:in mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt hat. Die oder der Unternehmer:in haftet sogar für Subunternehmer:innen des beauftragten Unternehmens. Die Haftung erstreckt sich auch noch auf Verstöße von Sub-Subunternehmer:innen und Sub-Sub-Subunternehmer:innen, worauf der Arbeitsrechtsexperte Daniel Hund von der Kanzlei Beiten Burkhardt hinweist. Für die Verpflichtungen der Subunternehmen zur Zahlung des Mindestlohns haften Auftraggeber:innen wie Bürg:innen, die auf die Einrede der Vorausklage verzichtet haben.
Dies hat zur Folge, dass hier die Vorschriften der §§ 765 ff. Bürgerliches Gesetzbuch angewendet werden. Dadurch ist die Auftraggeberhaftung verschuldensunabhängig. Auftraggeber:innen haften auch dann, wenn die Nichtleistung des Mindestlohns für Auftraggeber:innen weder erkennbar noch vermeidbar war. Zwar müssten sie dann kein Bußgeld befürchten, wie es der Fall wäre, wenn sie fahrlässig in Unkenntnis von der Lohnunterschreitung geblieben wären. Arbeitnehmer:innen könnten ihn jedoch auf dem zivilrechtlichen Weg verklagen. Diese können ihre Mindestlohnforderung aber auch direkt an die oder den Hauptunternehmer:in adressieren, ohne zuvor den Rechtsweg gegen die oder den Subunternehmer:in beschreiten zu müssen.
Worauf müssen sich Hauptunternehmer:innen einstellen?
Die verschuldensunabhängige Haftung beschränkt sich auf den Nettoentgeltanspruch (Bruttoentgelt unter Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen) der Arbeitnehmer:innen. Jede:r von ihnen kann in der Subunternehmerkette bis zu den Sub-Sub-Subunternehmer:innen von jeder Auftraggeberin beziehungsweise jedem Auftraggeber der Kette die Differenz zwischen dem tatsächlich gezahlten Lohn und dem Mindestlohn fordern.
Arbeitnehmer:innen können einen Lohnausgleich verlangen in dem zeitlichen Umfang, wie diese für die oder den Auftraggeber:in tätig waren. Dabei müssen sie allerdings gesetzliche, tarifliche oder arbeitsvertragliche Ausschlussfristen beachten. Standardmäßig sind das drei bis sechs Monate nach Fälligkeit. Wenn keine Ausschlussfristen vereinbart wurden, findet die regelmäßige Verjährung von drei Jahren Anwendung.
Wenn ein:e Auftraggeber:in von den Arbeitnehmer:innen eines Subunternehmens aufgefordert wird, die Differenz zum Mindestlohn auszuzahlen, kann er sich wiederum an die oder den Auftragnehmer:in wenden und diesen intern in Regress nehmen. "In der Praxis", sagt Rechtsanwalt Hund, "geht dieser Regressanspruch allerdings ins Leere, wenn der Auftragnehmer insolvent ist und sich die Arbeitnehmer deshalb an den Auftraggeber wenden."
Muss ein Unternehmen immer haften, wenn es eine Firma beauftragt?
Sieht man sich den § 14 AEntG an, kann der Eindruck entstehen, die Mindestlohnhaftung würde sich auf jede Firma erstrecken, die von einem Unternehmen mit Werk- oder Dienstleistungen beauftragt wird. Doch so ist das nicht. Wie ist das beispielsweise, wenn ein:e Unternehmer:in eine Reinigungsfirma beauftragt, ihre oder seine Büroräume zu putzen? Haftet sie oder er dann dafür, dass das eingesetzte Personal seinen Mindestlohn erhält? Das ist gemäß der Rechtsprechung jedoch nicht der Fall. Der Grund: Der oder die Unternehmer:in befriedigt mit den beauftragten Reinigungsarbeiten nur den Eigenbedarf. Haften muss ein Unternehmen nur, wenn es mit Hilfe von Auftraggeber:innen eine vertragliche Leistungspflicht gegenüber anderen Auftraggeber:innen erfüllt.
Wie lässt sich das Haftungsrisiko minimieren?
Unternehmen sollten ihre Subunternehmen sorgfältig auswählen. Sie können beispielsweise bei Krankenkassen und Unfallversicherern eine Unbedenklichkeitsbescheinigung anfordern, die zeigt, wie zuverlässig das potenzielle Subunternehmen seinen Zahlungspflichten nachkommt. "Diese Bescheinigung bietet aber nur sehr begrenzte Rechtssicherheit", warnt Arbeitsrechtsexperte Hund. "Trotz zuvor unbedenklichem Verhalten kann es künftig zu Verstößen kommen, etwa wenn ein ehemals liquides Unternehmen plötzlich zahlungsunfähig wird." Eine gute Möglichkeit, um eine:n Subunternehmer:in besser einschätzen zu können, ist es, dessen Angebot näher in Augenschein zu nehmen. Lässt die Kalkulation den Verdacht aufkommen, dass der Mindestlohn nicht gezahlt wird, sollte man eine mögliche Zusammenarbeit überdenken.
Es gibt noch weitere Möglichkeiten, einem Bußgeld wegen fahrlässiger Unkenntnis vorzubeugen: Auftraggeber:innen können sich die Zahlung des Mindestlohns von den Auftragnehmer:innen schriftlich zusichern lassen. Hierdurch wird das Risiko für Auftraggeber:innen etwas minimiert. Doch allein auf diese Zusicherung können sie sich nicht verlassen. Besonders dann nicht, wenn es starke Indizien dafür gibt, dass eine:e Auftragnehmer:in den Mindestlohn nicht zahlt – beispielsweise, wenn Beschwerden von Arbeitnehmer:innen vorliegen.
Sinnvoll ist auch ein Vertrag zur Minimierung des Haftungsrisikos. Dieser sollte Prüf- und Kontrollrechte beinhalten. Die Parteien können auch vereinbaren, dass regelmäßig Lohnabrechnungen vorgelegt und kontrolliert werden. Das geht allerdings nur, wenn die Arbeitnehmer:innen ihre Zustimmung gegeben haben. Ansonsten verstößt dies gegen das Datenschutzgesetz. Eine weitere Möglichkeit ist, die monatliche Lohnsumme und die Zahl der insgesamt geleisteten Arbeitsstunden darzulegen. Auftraggeber:innen können sich aber auch monatlich die Zahlung des Mindestlohns durch eine:n Steuerberater:in, der regelmäßig die Lohnbuchhaltung für diese:n Auftragnehmer:in macht, bestätigen lassen. Darüber hinaus können noch weitere Vereinbarungen getroffen werden:
- Die oder der Auftragnehmer:in muss nachweisen, welche weiteren Subunternehmer:innen beauftragt wurden (inklusive Zustimmungsvorbehalt der Auftraggeberin oder des Auftraggebers)
- Die oder der Auftragnehmer:in muss die nachgeordneten Subunternehmen kontrollieren
- Freistellung der Auftraggeberin beziehungsweise des Auftraggebers durch das Subunternehmen von Haftungsansprüchen bei Verstößen gegen den Mindestlohn
- Außerordentliches Kündigungsrecht für die Auftraggeber:in beziehungsweise den Auftraggeber
- Zurückbehaltungsrecht für fällige Zahlungen oder Vertragsstrafen, falls die Auftragnehmerin beziehungsweise der Auftragnehmer den geschuldeten Mindestlohn nicht oder nicht rechtzeitig vergütet
Hierbei dürfen Auftragnehmer:innen nicht unangemessen benachteiligt werden. Standardisierte Musterschreiben oder entsprechend erweiterte Allgemeine Geschäftsbedingungen können hier manchmal problematisch sein. Dies ist immer dann der Fall, wenn sie zu sehr und zu viel im Sinne der Auftraggeberin beziehungsweise des Auftraggebers regeln sollen, und damit unangemessen benachteiligen und nicht auf den Einzelfall abgestellt sind.
Die empfohlenen Zusicherungen und Vorlagen helfen Auftragsunternehmen, das Risiko zu minimieren. Doch Nachunternehmer:innen sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, diese zu unterschreiben. Von Rechtswegen sind diese Vereinbarungen stets freiwillig. Darüber hinaus ist auch noch nicht für jeden Einzelfall abschließend geklärt, inwieweit eine solche Regelung überhaupt wirksam ist. Um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, sollten Auftraggeber:innen immer rechtsanwältlichen Rat hinzuziehen.