Bachelor im Handwerk? Die neue Bezeichnung des Meistertitels
"Bachelor Professional” - so dürfen sich die Absolvent:innen der Meisterprüfung im Handwerk mittlerweile nennen. Welches Ziel verfolgt die Handwerkskammer damit und wer darf davon Gebrauch machen?
Das Wichtigste zum Bachelor im Handwerk in Kürze
- Seit Januar 2020 neue Bezeichnung „Bachelor Professional“ für Handwerksmeister:innen, Ziel mehr Gleichstellung und internationale Vergleichbarkeit
- Einführung mit Novelle des Berufsbildungsgesetzes, Einstufung auf Stufe 6 des DQR/EQR, gleichwertig zum akademischen Bachelor
- Alle Meister:innen dürfen sich so nennen, rückwirkend per Antrag bei der HWK (ca. 25 €), auch für andere Fortbildungsabschlüsse wie Bilanzbuchhalter:in oder Fachwirt:in
- Nutzung freiwillig, kein Rangunterschied zum Meistertitel, auch international einsetzbar
- Kritik wegen möglicher Verwirrung, inzwischen breite Akzeptanz in der Praxis
- Chancen für Employer Branding und Recruiting, macht Qualifikationen sichtbarer
- Langfristig Beitrag zur Attraktivität der beruflichen Bildung und gegen Fachkräftemangel

Im Rahmen der Modernisierung des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) wurden ergänzende Berufsbezeichnungen eingeführt. Und auch das Handwerk ist davon betroffen. Die unzähligen verschiedenen Abschlüsse im beruflichen Kontext stellen eine Herausforderung im Personalwesen dar, wenn es um die Bewertung der Kompetenzen und Fähigkeiten von neuen Mitarbeitenden geht. Ob akademischer Bachelor, Master oder der Meistertitel im Handwerk – kaum jemand kann noch beurteilen, welche Qualifikationen damit einhergehen. Deshalb wurde im Januar 2020 eine neue Abschlussbezeichnung für all diejenigen eingeführt, die die Meisterprüfung im Handwerk erfolgreich absolviert haben: Der “Bachelor Professional”. Doch diese Änderungen sind nicht nur auf Zuspruch gestoßen. Viele Kritiker:innen haben befürchtet, dass durch die ähnlichen Begrifflichkeiten von akademischem und beruflichem Bachelor nur noch mehr Verwirrung entsteht. Wer soll da noch erkennen, welche Fähigkeiten und Kompetenzen mit dem jeweiligen Abschluss nachgewiesen werden? Doch die Befürwortenden haben sich durchgesetzt mit ihrer Ansicht, dass so für mehr Gleichstellung zwischen akademischen und beruflichen Ausbildungen gesorgt wird. Wie Sie den Titel richtig nutzen und wer davon betroffen ist erfahren Sie in diesem Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis
- Rechtlicher Hintergrund
- Wer darf sich Bachelor Professional nennen?
- Wann und wo ist der Bachelor Professional gültig?
- Wie Sie den Bachelor im Handwerk richtig nutzen
- Welches Ziel wird mit der neuen Abschlussbezeichnung verfolgt?
- Diskussionen um den Bachelor im Handwerk
- Fazit: Führt dies wirklich zur Gleichberechtigung oder eher einer Abwertung der Abschlüsse?
Rechtlicher Hintergrund
Um den Problemen bei der Bewertung von Kompetenzen sowie Fähigkeiten von Mitarbeitenden entgegenzuwirken, wurde im Jahr 2008 ein offizieller Rahmen geschaffen: der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR). Diese einheitliche Regelung stellt nicht nur Vergleichbarkeit und Transparenz her, wenn es um die verschiedenen Abschlüsse im beruflichen und akademischen Kontext geht, sie erleichtert auch die Mobilität von Arbeitskräften in Europa. Daran angelehnt wurde 2013 der Deutsche Qualifikationsrahmen (DQR) eingeführt. In beiden Rahmenwerken erfolgt die Einstufung aller Aus-, Fort- und Weiterbildungen in eine der acht Niveaustufen, abhängig von der Handlungsfähigkeit und den Lernergebnissen. In diesem Zusammenhang wurde für das Gesetz zur Modernisierung und Stärkung der beruflichen Bildung (BBiMoG) 2020 schließlich eine Novellierung durchgeführt, mit welcher auch die Einführung des Bachelor Professionals für den Meistertitel im Handwerk einherging. Dadurch wurde Kompatibilität im europäischen und deutschen Qualifikationsrahmen geschaffen. Sowohl der Bachelor Professional im Handwerk als auch der Meistertitel werden der sechsten Stufe zugeordnet und sind somit hinsichtlich ihrer Komplexität gleichwertig. Darüber hinaus ist auch der akademische Bachelorabschluss auf Stufe sechs der Qualifikationsrahmen. Auf rechtlicher Ebene ist dieser also ebenfalls dem beruflichen Bachelor gleichgestellt. Trotzdem dürfen die Begriffe nicht beliebig vertauscht werden – auf die Unterschiede zwischen dem beruflichen Bachelor und einem akademischen Studium gehen wir jedoch im späteren Verlauf ein. Neben dem Bachelor Professional können Meister im Handwerk außerdem eine Zusatzausbildung zum Betriebswirt machen, der nun auch als “Master Professional” bezeichnet wird.
Wer darf sich Bachelor Professional nennen?
Als Bachelor Professional im Handwerk darf sich jeder bezeichnen, der die entsprechende Meisterprüfung erfolgreich bestanden hat. Der Abschluss beziehungsweise die Bezeichnungen „Meister“ und „Bachelor Professional“ werden dann automatisch auf dem Zeugnis ausgewiesen.
All diejenigen, die Ihren Handwerksmeister bereits vor der Einführung des Bachelorbegriffs absolviert haben, beispielsweise schon im Jahr 1970, können ebenfalls einen Bachelor Professional beantragen. Dafür müssen sie lediglich einen formlosen Antrag per Mail oder per Post an die zuständige Handwerkskammer (HWK) senden. Dort erhält man zwar keinen neuen Meisterbrief für den Bachelor oder ein neues Zeugnis, die Handwerkskammer stellt jedoch eine Zweitschrift aus, auf der die neue Bezeichnung für den Meister ausgewiesen wird. Dieses Dokument ist dem Meistertitel gleichgestellt und kann für etwa 25 Euro beantragt werden.
Wann und wo ist der Bachelor Professional gültig?
Die Gültigkeit des Bachelor Professionals beginnt jeweils nach erfolgreicher Absolvierung der Meisterprüfung. Diese Änderung ist zudem nicht nur auf das Handwerk beschränkt. Sofern die Fortbildungsverordnungen an die Novellierung des Berufsbildungsgesetzes angepasst wurden, können auch andere Berufssparten davon Gebrauch machen. Die folgende Übersicht zeigt beispielhaft, in welchen Bereichen der Bachelor Professional ebenfalls gültig ist:
Klassische Berufsbezeichnung | Neue Berufsbezeichnung |
---|---|
Geprüfter Bilanzbuchhalter/ Geprüfte Bilanzbuchhalterin | Bachelor Professional in Bilanzbuchhaltung |
Geprüfter Fachwirt für Einkauf und Geprüfte Fachwirtin für Einkauf | Bachelor Professional in Procurement |
Geprüfter Medienfachwirt oder Geprüfte Medienfachwirtin | Bachelor Professional in Media |
Geprüfter Meister für Veranstaltungstechnik oder Geprüfte Meisterin für Veranstaltungstechnik | Bachelor Professional für Veranstaltungstechnik |
Geprüfter Restaurator im Handwerk oder Geprüfte Restauratorin im Handwerk | Master Professional für Restaurierung im Handwerk |
Geprüfter Betriebswirt nach dem Berufsbildungsgesetz oder Geprüfte Betriebswirtin nach dem Berufsbildungsgesetz | Master Professional in Business Management nach dem Berufsbildungsgesetz |
Geprüfter Kaufmännischer Fachwirt nach der Handwerksordnung und Geprüfte Kaufmännische Fachwirtin nach der Handwerksordnung | Bachelor Professional für Kaufmännisches Management nach der Handwerksordnung |
Geprüfter Industriemeister – Fachrichtung Printmedien oder Geprüfte Industriemeisterin – Fachrichtung Printmedien | Bachelor Professional in Print |
Wie Sie den Bachelor im Handwerk richtig nutzen
Die Änderungen in den Abschlussbezeichnungen werfen bei vielen Leuten noch Fragen auf. Wie genau kann der Bachelor Professional genutzt werden? Ist der Meistertitel dem Bachelor im Handwerk vorangestellt und wann darf ich was verwenden?
Die Nutzung des Bachelor Professionals ist nach der HWK grundsätzlich nicht verpflichtend. Jeder kann frei entscheiden, welche Bezeichnung er oder sie bevorzugt, oder ob sogar beide Begriffe verwendet werden sollen. In diesem Fall gilt: es gibt kein Rangverhältnis zwischen dem Meistertitel und dem Bachelor Professional. Beide Abschlussbezeichnungen sind gleichermaßen anerkannt und aussagekräftig. Das heißt, die Reihenfolge der beiden Titel kann individuell variiert werden und ist zum Beispiel bei Bewerbungen nicht ausschlaggebend. Wichtig ist: Der Bachelor Professional ersetzt nicht den Meistertitel, sondern stellt eine Ergänzung zu diesem dar. Gleichermaßen ersetzt ein Abschluss in der Fortbildungsstufe Bachelor Professional außerdem nicht die Meisterprüfung.
Bei der Verwendung des Bachelors hat die Handwerkskammer jedoch eine Empfehlung ausgesprochen. So bietet es sich an, den Ausdruck “Bachelor Professional im Beispielhandwerk” zu nutzen. Absolvent:innen der Tischler-Meisterprüfung gelten demnach beispielsweise als Bachelor Professional im Tischlerhandwerk. Verpflichtend ist diese Ausdrucksweise jedoch nicht.
Bisher gibt es für die neue Abschlussbezeichnung im Handwerk noch keine Abkürzung. Für den Meister gilt nach wie vor das Kürzel “me.”, der Bachelor hat jedoch noch keine entsprechende Kurzschreibweise. Darüber hinaus kann der Handwerksmeister mit dem Bachelor auch im Englischen verwendet werden. Dafür kann die HWK eine Übersetzung des Meisterbriefs aushändigen, wodurch sich Vorteile in Verhandlungen mit internationalen Geschäftspartner:innen ergeben. Berufe, die keinen Handwerksbezug haben müssen die Übersetzung bei der HWK beantragen.
Die Nutzung des Bachelor Professionals im Studium
Absolvent:innen der Meisterprüfung im Handwerk können sich nun auch als Bachelor am Arbeitsmarkt bewerben – genauer gesagt als Bachelor Professional. Aber bedeutet das auch, dass die betroffenen Personen mit diesem Abschluss ein Masterstudium beginnen können? Die Antwort ist nein. Die Gleichstellung der akademischen und der beruflichen Ausbildung erfolgt im rechtlichen Sinn. Beide Abschlüsse erhalten Stufe 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens. Ein Studium weist jedoch besonders die wissenschaftlichen Fähigkeiten von Studierenden nach und basiert demnach vor allem auf theoretischen Anwendungen und übergeordneten Kompetenzen. Das erworbene Wissen soll anschließend in die berufliche Praxis umgesetzt werden, um auch komplexe Probleme im Job angehen sowie lösen zu können. Der Bachelor Professional als beruflicher Abschluss hat inhaltlich jedoch eher wenig mit dem klassischen akademischen Studium zu tun und gilt demnach nicht als Ersatz. Hier liegt der Fokus verstärkt auf den praktischen Anwendungen im Berufsalltag. Die Absolvent:innen der Meisterprüfung können sich jedoch auch nach Abschluss des Bachelor Professionals noch für ein Studium entscheiden und sich an einer Universität für den akademischen Bachelor bewerben. Inhaber:innen beruflicher Fortbildungsabschlüsse wie zum Beispiel einem Meistertitel erhalten nämlich auch ohne Abitur die allgemeine Hochschulzugangsberechtigung. Der Studienplatz ist dadurch jedoch nicht fest zugesichert – jede Universität oder Hochschule hat individuelle Zulassungsvoraussetzungen, die bei der Bewerbung nachgewiesen werden müssen.
Welches Ziel wird mit der neuen Abschlussbezeichnung verfolgt?
Mit der Einführung des Bachelor Professionals verfolgt die Handwerkskammer das Ziel, die akademische sowie die berufliche Ausbildung gleichzustellen und Absolvent:innen der Meisterprüfung im Handwerk in Ihrer beruflichen Anerkennung zu unterstützen. Dadurch erhalten diese nicht nur mehr Chancengleichheit, sondern können auch von den Vorteilen auf dem globalen Arbeitsmarkt profitieren. Im Gegensatz zum Meistertitel, findet der Bachelor des Handwerks auch im internationalen Sprachgebrauch Anwendung. Der Bachelor Professional sorgt dafür, dass der Deutsche und der Europäische Qualifikationsrahmen vereint, beziehungsweise kompatibel gestaltet werden. So können die Vorteile des deutschen Ausbildungssystems auch auf internationaler Ebene vermittelt und internationale Geschäftsbeziehungen ausgebaut werden.
Darüber hinaus sorgt die Anerkennung des Meistertitels für eine Steigerung der Attraktivität in der höheren Berufsausbildung. Den Teilnehmenden entstehen weder Mehr- noch Minderkosten und auch die rechtliche Stellung des Abschlusses verändert sich nicht. Mit der Novelle des Berufsbildungsgesetzes wurde jedoch eine Mindestausbildungsvergütung festgelegt, die sich nach dem jeweiligen Handwerksbereich ermitteln lässt. So kann die Handwerkstätigkeit ansprechender gestaltet und dem Fachkräftemangel langfristig entgegengewirkt werden.
Diskussionen um den Bachelor im Handwerk
Im Handwerk herrscht bereits seit einigen Jahren ein enormer Fachkräftemangel. Bereits in den Schulen werden den Lernenden die akademischen Studiengänge nähergebracht und der Fokus auf den klassischen Bachelorabschluss gelegt. Doch kaum jemand setzt sich dafür ein, den Kindern auch die beruflichen Ausbildungen vorzustellen – dazu gehören insbesondere Tätigkeiten im Handwerk. Aber auch dort stehen interessierten Fachkräften Fortbildungsmöglichkeiten zum Meister oder Betriebswirt zur Verfügung, die mit guten Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven verbunden sind. Durch die Gleichstellung des Meisters, oder nun auch “Bachelor Professionals” mit dem akademischen Bachelor soll dem entgegengewirkt werden. Auf der anderen Seite wurde allerdings gerade zu Beginn auch damit argumentiert, dass die Einführung der neuen Abschlussbezeichnung nicht zielführend sei. Damit werden stattdessen zwei völlig verschiedene Bildungswege mit fast identischen Begriffen versehen. Die Kritiker:innen befürchten sogar, dass die praktischen Fähigkeiten eines Meisters dadurch herabgewertet werden können und die unterschiedlichen Theorie- und Praxisbezüge der verschiedenen Ausbildungen mehr und mehr untergehen.
Fazit: Führt dies wirklich zur Gleichberechtigung oder eher einer Abwertung der Abschlüsse?
Die Änderungen vom Meister zum Bachelor Professional im Handwerk beziehungsweise die Möglichkeit zwischen den beiden Abschlussbezeichnungen wählen zu können haben viele verschiedene Meinungen ausgelöst. Die Novellierung verfolgt das Ziel, mehr Gleichwertigkeit zwischen dem beruflichen und einem akademischen Abschluss herzustellen. Der Meister gehört zu den höchsten Abschlüssen im Handwerk und soll dadurch anerkannt und zudem attraktiver gestaltet werden. Dennoch gab es besonders zu Beginn vermehrt Kritik darüber, dass die Änderungen zu Verwirrungen führen oder gar eine Abwertung der verschiedenen Bildungsmöglichkeiten verursachen würden. Mittlerweile sind diese Stimmen gedoch leiser geworden, da die Praxis bereits zeigt, dass der Bachelor Professional in verschiedenen Berufssparten erfolgreich eingesetzt wird. Weitere Vorschläge zur Einführung eines “Junior Professionals” wurden jedoch abgelehnt, um die Verwechslungsgefahr der Abschlüsse gering zu halten.