Aufträge absagen: Nichts schwerer als das

Mehr Aufträge, als man schaffen kann - das erleben derzeit viele Handwerksbetriebe. Jetzt heißt es, Aufträge abzusagen. Lesen hier, wie Sie absagen können, ohne Kundinnen und Kunden für immer zu vergraulen.

Das Wichtigste zu Aufträge absagen in Kürze

  • Handwerksbetriebe müssen angesichts voller Auftragsbücher Prioritäten setzen
  • Kleinstaufträge und Vergleichsangebote können zurückgestellt werden, um Ressourcen zu sparen
  • Stammkundschaft sollte bevorzugt bedient werden, um langfristige Beziehungen zu sichern
  • Ehrlich, klar und frühzeitig kommunizieren – das schafft Vertrauen
  • Alternativen oder Partnerbetriebe vorschlagen, um Kund:innen nicht allein zu lassen
  • Auf Bewertungen reagieren, ob positiv oder negativ, um das Image zu stärken
Ungenutzte Schutzausrüstung eines Handwerk, da er Aufträge absagen musste © andrea-lehmkuhl / stock.adobe.com

Dank des Baubooms der letzten Jahre konnten sich Handwerksbetriebe über volle Auftragsbücher freuen, doch mittlerweile fühlen sich viele überfordert von den vielen Anfragen. Nehmen wir den Trend zur Photovoltaik als Beispiel: Bei Dachdeckerbetrieben und Elektrotechniker:innen trudeln immer Anfragen zu PV-Anlagen ein. Meist mehr, als sie bewältigen können. Auch wenn diese Betriebe natürlich einen qualifizierten Mitarbeiterstamm haben, reicht das nicht, um alle Aufträge abzuarbeiten. Natürlich können sie jetzt einfach neue Kollegen einstellen, doch es gibt schlichtweg nicht genug Bewerberinnen und Bewerber für offene Stellen.

Welche Aufträge wollen wir?

Das führt dazu, dass die Handwerksbetriebe oft gar nicht anders können, als Aufträge bis zum St.Nimmerleinstag hinauszuschieben oder sogar ganz abzusagen. Doch es ist unangenehm, Menschen zu vertrösten und geht man da nicht mit viel Fingerspitzengefühl ran, verprellt man leicht potentielle Kund:innen, auf die man zu einem späteren Zeitpunkt vielleicht mal angewiesen ist. Ein unwirscher Handwerksmeister, der Anfragen am Telefon barsch abweist, bleibt in schlechter Erinnerung. Deshalb sollte man die Absagen nicht einfach “aus dem Bauch heraus” formulieren, sondern sich vorab Gedanken dazu machen. Vor allem zwei Punkte sind wichtig:

  • Welchen Auftrag wollen wir annehmen? Gibt es bei Ihnen eine wahre Flut an Aufträgen? Dann sollten Sie genau die Aufträge heraussuchen, die Sie und Ihren Betrieb wirklich weiterbringen. In der Regel ist angeraten, Kleinstaufträge hintenan zu stellen. Ist eine einzelne Dachpfanne heruntergefallen? So ein Auftrag kostet Zeit, bringt aber nicht viel ein. Eine weitere Zeitfalle sind Vergleichsangebote. Fragen Sie gezielt nach, ob bereits ein Angebot von einem Konkurrenzbetrieb vorliegt und verzichten Sie gegebenenfalls darauf, Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rauszuschicken – denn das kostet Ressourcen, und genau die stehen Ihnen ja nur eingeschränkt zur Verfügung.
  • Mit welchen Kundinnen und Kunden wollen wir langfristig zusammenarbeiten? Auch über diese Frage sollten Sie sich Gedanken machen. Haben Sie Stammkundschaft, die Sie unbedingt behalten wollen? Dann setzen Sie diese ganz weit oben auf Ihre Prioritätenliste. Jeder ausgeführte Auftrag ist ein Vertrauenssignal, dass dafür sorgt, dass die Kundin oder der Kunde wiederkommt. Auch hier passiert es mal, dass ein Auftrag verschoben werden muss. Sagen Sie rechtzeitig Bescheid. Wenn die Geschäftsbeziehung schon länger besteht,sollte das kein Problem sein.
  • Stellen Sie vorab sicher, dass Sie Zusagen auch halten können. Lassen Sie sich nicht dazu verleiten, Aufträge vorschnell anzunehmen. Wenn Sie schon bei der Anfrage unsicher sind, ob Sie die Termine einhalten können, sagen Sie sie nicht zu. Es ist besser, offen abzusagen als erst zu- und dann wieder abzusagen.

Wie sage ich es am besten?

Wenn Sie dann schließlich wissen, welche Aufträge Sie verschieben oder gegebenenfalls absagen müssen, stehen Sie vor dem nächsten Problem: Wie sage ich es der Kundin oder dem Kunden? Hier haben sich die folgenden Tipps bewährt:

  • Punkten Sie mit ehrlichen und klaren Ansagen: Grundsätzlich hat jede:r für eine Terminverschiebung oder sogar eine Absage Verständnis - wenn sie nicht auf den letzten Drücker kommt. Sagen Sie frühzeitig Bescheid und bieten Sie ihren Kund:innen auf diese Weise Verlässlichkeit. Es ist verständlich, dass Unternehmer:innen mit Unruhe auf eine Absage zugehen, aber das sollte niemals dazu verleiten, das Gespräch aufzuschieben. Es muss sowieso geführt werden, bringen Sie es also so schnell wie möglich hinter sich. Bei einer Aussage wie “Ich kann momentan nicht mit Sicherheit zusagen”, fühlt sich ein:e Kund:in ernst genommen und sieht, dass Sie offen und ehrlich sind.
  • Lösungsansätze bieten: Wenn Sie Aufträge absagen müssen, sollten Sie die Kundin oder den Kunden nicht mit der Suche nach einer Lösung allein lassen. Oft haben viele ähnliche Anliegen. Legen Sie eine Liste mit möglichen Problemen an und notieren Sie, welche Lösungen und Alternativen es gibt. Sie könnten beispielsweise auf ein anderes Unternehmen verweisen, mit dem Sie kooperieren. Auf diese Weise wirken Sie verlässlich und hilfsbereit und bleiben deshalb positiv in Erinnerung.
  • Gehen Sie konstruktiv mit schlechten Rezensionen um: Egal, wie höflich Sie sind und wie gut Sie versuchen, der Kundin oder dem Kunden trotz der Absage weiter zu helfen, einige Menschen werden dennoch negativ reagieren und diese Meinung im Netz teilen. Es ist wichtig, dass Sie diese Bewertungen nicht unkommentiert stehen lassen. Entschuldigen Sie sich noch einmal und gehen Sie individuell auf die geübte Kritik ein. Heute ist es Standard, dass potenzielle Kund:innen zunächst die Bewertungen lesen, ein gutes Kritikmanagement bringt also eindeutig Pluspunkte. Ähnliches gilt natürlich aber auch für positive Kommentare. Bedanken Sie sich, damit die Kundin oder der Kunde sieht, dass er von Ihnen wertgeschätzt wird.

Fazit

Es lohnt sich, mit Ihren Kundinnen und Kunden aufrichtig zu kommunizieren. Wenn Sie sie gut begründen und sogar alternative Lösungsvorschläge anbieten, nehmen sie Ihnen eine Absage nicht übel. Wenn die Zeiten in Ihrem Betrieb dann tatsächlich ruhiger werden, können Sie gerne bei den Interessent:innen, deren Auftrag Sie ablehnen mussten, noch mal nachhaken. Vielleicht besteht ja noch oder wieder Bedarf.

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ibau Autorin Iris Jansen
Iris Jansen

Iris Jansen war von Juni 2021 bis Mai 2024 als Content-Managerin bei der ibau GmbH in Münster tätig. Sie versorgte die Leser:innen gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Rubrik „Wissenswertes“ mit neuen Inhalten: Was tut sich im Handwerk? Wie reagiert die Bauwirtschaft auf die aktuellen Herausforderungen? Themen rund um Holz und Beton mochte sie gern und freute sich über gleichgesinnte Leser:innen, die mit ihr die Baustellen streifen wollten. Als ausgebildete Technische Redakteurin interessierte sie sich für die technischen und handwerklichen Details, behielt dabei das große Ganze im Blick. Laut Iris gab es im Baubereich viele spannende Fragen, die beantwortet werden wollen – nicht zuletzt, um allen Bauinteressierten dabei zu helfen, den Überblick zu behalten.