Auf dem Bau zu arbeiten muss cool werden
Am Bau sind derzeit 60 Prozent der Ausbildungsplätze unbesetzt - und das hat Auswirkungen. Viele Handwerksbetriebe können ihre Aufträge kaum abarbeiten und überlegen, wie sie junge Menschen fürs Handwerk begeistern können.
Das Wichtigste zur Nachwuchskrise am Bau in Kürze
- 60 % der Ausbildungsplätze im Bauhandwerk bleiben unbesetzt – 15.000 Stellen konnten 2022 nicht besetzt werden
- Viele Azubis verlassen den Bau nach wenigen Jahren und wechseln in Industrie oder andere Berufe
- Besonders betroffen: Hoch-, Tief-, Straßenbau sowie Ausbau-, SHK- und Elektrogewerke
- Gründe: schlechtes Image, rauer Umgangston, viele Überstunden, lange Pendelwege, schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben
- IG Bau fordert höhere Ausbildungsvergütung und Bezahlung der Fahrzeiten
- Imagekampagnen in Social Media könnten junge Menschen besser erreichen als klassische Stellenanzeigen

Der Baubranche geht es derzeit nicht besser als vielen anderen Branchen. Personal ist knapp und Nachwuchs nicht in Sicht. Während woanders Automatisierung und Digitalisierung helfen können, bringt das auf dem Bau nichts.
Derzeit lernen 38.000 Azubis das Bauhandwerk, so die Deutsche Arbeitsagentur. Das sind zu wenige; für etwa 15.000 Ausbildungsplätze fand sich niemand. Leider bleiben die jungen Menschen der Baubranche auch nicht lange treu – etwa die Hälfte von ihnen ist nach fünf Jahren nicht mehr auf der Baustelle anzutreffen. Sie wechseln in die Industrie oder machen eine neue Ausbildung, erklärt die Industriegewerkschaft Bau (IG Bau).
Wohin der Handwerkermangel führt, weiß jeder, der in den letzten Wochen versucht hat, eine Handwerkerin oder einen Handwerker zu bekommen. Wartezeiten von neun oder sogar elf Wochen sind keine Seltenheit.
Welche Gewerke sind besonders betroffen?
Laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen derzeit 54.000 Gesellinnen und Gesellen. In einigen Bereichen ist die Situation schlimmer als in anderen. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks sagt, dass der Hochbau, Tiefbau und der Straßenbau besonders leiden. Aber auch in den Ausbaugewerken sowie im Bereich Sanitär, Heizung und Elektro sieht es düster aus.
Warum wollen zu wenige auf den Bau?
Leider ist es um das Image der Baubranche nicht gut bestellt. Auf dem Bau herrscht ein rauer Ton – so lautet die gängige Meinung. Oft stimmt das auch. Außerdem müssen die Beschäftigten viele Überstunden leisten und lange zu den Baustellen pendeln.
Das ist insofern ein Problem, als dass vielen Jüngeren die Work-Life-Balance besonders wichtig ist. Hinzu kommt, dass das Handwerk um dieselben Bewerber:innen buhlt wie die Industrie. Letztere bietet oft geregelte Arbeitszeiten, und einen Betriebsrat, der bei Konflikten vermittelt, gibt es auch.
Doch wie lässt sich das Problem angehen?
Den Handwerksbetrieben muss es dringend gelingen, junge Menschen für ihre Ausbildungsplätze zu gewinnen. Es gibt durchaus Dinge, die verbessert werden können. Die IG Bau schlägt vor, allen Auszubildenden monatlich hundert Euro mehr zu zahlen und auch die Fahrerei zu den Baustellen endlich zu vergüten. Bislang sehen die Beschäftigten dafür meist keinen Pfennig.
Das Image muss aufpoliert werden, so die IG Bau. Noch immer streben viele lieber in akademische Berufe, obwohl man als Handwerksmeisterin oder ein Handwerksmeister ähnlich gut verdient und spannende Aufgaben hat. Die bei den jungen Generationen viel diskutierte Energiewende lässt sich in Handwerksberufen aktiv voranbringen, während andere nur darüber reden können. Warum nicht mal in sozialen Medien wie TikTok oder Instagram darüber berichten, wie spannend der Berufsalltag im Handwerk sein kann? Oder welche zukunftsträchtigen Baustoffe es gibt und wie diese den Umweltschutz voranbringen?
Das kann sich mehr lohnen als eine Stellenanzeige in einer Zeitung, denn dort informieren sich Jugendliche eher selten über Jobangebote.