Verhandlungsstrategien: Die Stirn bieten oder lieber lächeln?
Wer unvorbereitet in eine Verhandlung stürzt, mag zwar authentisch wirken, aber durchsetzen werden sich Vorbereitungsmuffel eher nicht. Die Strategen hingegen haben gute Chancen, das zu bekommen, was sie sich vorgenommen haben. Die gute Nachricht: Jeder kann zum Verhandlungsprofi werden.
Das Wichtigste zu Verhandlungsstrategien in Kürze
- Vorbereitung schlägt Spontaneität: Ziele und Minimalziele festlegen, Infos zur Gegenseite sammeln
 - Grundprinzipien kennen: Druck, Kooperation, Defensive, Kompromiss, Ausweichen, Nachgeben – situativ einsetzen
 - Konfrontativ verhandeln: Forderungen maximieren, wenig Spielraum lassen; sinnvoll bei Einmalgeschäft oder starker Position
 - Konfrontation abwehren: Ruhig bleiben, Zahlen hinterfragen, Nutzen argumentieren, notfalls Abstand vom Deal nehmen
 - Integrativ verhandeln: Gemeinsamen Nutzen schaffen, offen Ziele teilen; Harvard-Konzept: „sachlich hart, menschlich weich“
 - Strategie wählen: Machtverhältnis, Beziehungswert und gemeinsame Ziele prüfen; langfristig meist integrativ überlegen
 
 Manchen scheint das Verhandeln im Blut zu liegen: Sie führen ein lockeres Gespräch, und scheinbar mühelos bekommen sie genau das, was sie sich vorgestellt hatten. Vermutlich fragen Sie sich nun, wie diese Powertalker das anstellen. Schütteln sie einfach ein paar Verhandlungstricks aus dem Ärmel und reißen so die Gesprächsführung geschickt an sich? Nicht ganz: Auch rhetorisch besonders begabte Zeitgenossen bekommen nicht mal ebenso das, was sie wollen. Sie setzen eher auf eine Kombination aus guten Verhandlungsstrategien für den Verkauf, auf die richtige Verhandlungstechnik und auf eine gute gezielte Vorbereitung. Doch das können Sie auch! Es ist an der Zeit, diesen Verhandlungsprofis mal auf die Finger zu schauen.
Was sind Verhandlungsstrategien?
Verhandlungsprofis kennen sich gut mit den verschiedenen Verhandlungsstrategien aus und wissen, wann welche von ihnen den meisten Erfolg verspricht. Doch was ist genau mit “Verhandlungsstrategie” gemeint? Hierzu muss man wissen, dass jeder Verhandlungsstrategie ein strategisches Verhalten zugrunde liegt. Wer sich strategisch verhält, bündelt die eigenen Kräfte so, dass er oder sie der Gesprächspartnerin oder dem Gesprächspartner in entscheidenden Punkten überlegen ist. Hier ist es nicht wichtig, in wirklich allen Punkten Oberwasser zu haben. Es reichen einer oder mehrere Punkte, die für die Erreichung des Ziels nötig sind. Die Strategie muss vor dem Start der Verhandlung feststehen. Welche Verhandlungsstrategie sinnvoll ist, hängt sowohl vom Gegenüber als auch von den eigenen Verhandlungszielen ab.
Verhandlungsstrategie als Teil der Verhandlungsführung
Hartnäckige Verhandlungsmuffel mögen nun einwenden, dass es doch reichen sollte, das eigene Anliegen zu schildern und mit den Erwartungen der Gegenseite abzustimmen. Wozu die ganze Mühe mit einer Verhandlungsstrategie, Verhandlungstechniken oder gar mit Verhandlungstricks? Dieses strategielose Vorgehen setzt jedoch voraus, dass man ein wohlmeinendes Gegenüber hat. Dies mag im Privatleben der Fall sein, aber im Geschäftsleben kann man darauf nicht immer hoffen. Hier versucht die Gegenseite meistens, so viele Zugeständnisse von Ihnen zu bekommen, wie es nur geht. Lassen Sie sich nicht über den Tisch ziehen – und bieten Sie übergriffigen Verhandlungsprofis Paroli, indem Sie selbst eine Verhandlungsstrategie verfolgen.
Welche Prinzipien für Verhandlungsstrategien gibt es?
Egal, um welche Verhandlungsstrategie es sich handelt – sie alle greifen auf mindestens eine der folgenden Grundprinzipien zurück:
- Druck: Dieses Grundprinzip wird meist dann eingesetzt, wenn es sich um eine zeitlich begrenzte Zusammenarbeit handelt. Das Ziel ist es, als Sieger:in dazustehen und möglichst viele Zugeständnisse von der Gegenseite zu bekommen.
 - Partnerschaft/Kooperation: Hier verfolgen beide Seiten ein gemeinsames Ziel, das meist in Verhandlungen ausgearbeitet wird. Hierfür ist es wichtig, neben den eigenen Vorstellungen auch die der Verhandlungspartner:innen gut zu kennen.
 - Defensive: In die Defensive zu gehen, kann sinnvoll sein, wenn eine Abhängigkeit von mächtigeren Verhandlungspartner:innen besteht. Hierfür muss auf eigene, wichtige Forderungen verzichtet werden, um nicht die gesamte Zusammenarbeit zu gefährden.
 - Kompromiss: Diese Strategie eignet sich, wenn bereits ein Konflikt da ist und wenn man mit der Gegenseite längerfristig zusammenarbeiten möchte. Für einen Kompromiss müssen zwar eigene Positionen aufgegeben werden, aber dafür wird die Beziehungsebene geschont. Gerade wenn die gesamte Zusammenarbeit durch einen Konflikt gefährdet wäre, ist ein Kompromiss eine gute Option.
 - Ausweichen: Hier wird auf Zeit gespielt: Die Verhandlung wird nicht an dem vereinbarten Termin geführt, sondern aus vorgeschobenen Gründen in die Zukunft verlegt. Das Ausweichen schafft zusätzliche Zeit, um sich besser vorzubereiten und so die eigene Verhandlungsposition zu stärken.
 - Nachgeben: Wer nachgibt, verzichtet auf eigene Interessen und vermeidet so einen Konflikt – meist, um die Beziehung zum Verhandlungspartner oder zur Verhandlungspartnerin nicht zu gefährden. Diese Art von Kooperationsbereitschaft lohnt sich insbesondere dann, wenn man dabei strategisch vorgeht und bei Punkten nachgibt, die weniger wichtig sind.
 
 Welche Verhandlungsstrategien gibt es?
Manche Verhandlungsstrategien funktionieren dann am besten, wenn der Gegenseite ein bestimmtes Wissen fehlt, das den Verhandlungsgegenstand betrifft. Hier wird dessen Unwissenheit gezielt eingeplant. Meist geht es darum, die eigenen Verhandlungsziele geheim zu halten. Andere Verhandlungsstrategien bauen darauf, die eigene Strategie offenzulegen – in der Hoffnung, dass die Gegenseite dies ebenso handhabt.
Konfrontative Verhandlungsstrategien
Der militärisch geprägte Begriff “Konfrontation” meint, dass sich zwei feindliche Lager gegenüberstehen und einen Konflikt kriegerisch austragen. Dieses Verhalten ist eigentlich das Gegenteil einer Verhandlung. Dennoch hat sich der Begriff Konfrontation im Zusammenhang mit Verhandlungen eingebürgert. Gemeint ist damit der Angriff der Verhandlungspartner:innen. Da wird zum einen angegriffen, indem bestimmte Zugeständnisse gefordert werden. Die eigenen Ziele werden nicht offengelegt. Zum anderen wird die Gegenseite wie bei einer Schlacht abgewehrt. So werden auch gut begründete Argumente ohne inhaltliche Auseinandersetzung direkt abgeblockt. Bei konfrontativen Verhandlungsstrategien geht es darum, zu fordern und den eigenen Gewinn zu maximieren. Dabei wird in Kauf genommen, dass der Gewinn der Gegenseite schmaler ausfällt – auch wenn das zu Lasten der Beziehung geht.
Warum in Konfrontation gehen?
Die Konfrontationsstrategie verfolgt ein klares Ziel: Möglichst viel aus der Verhandlungsmasse herauszuholen. Der Gewinn der einen Seite geht bei diesem Nullsummenspiel immer mit dem Verlust der anderen einher. Um den Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung geht es hier nicht. Diese Strategie kann ihnen dabei helfen, von der Gegenseite möglichst viele Zugeständnisse zu bekommen. Sie
kann in den folgenden beiden Fällen hilfreich sein:
- Sie planen nur eine einmalige Zusammenarbeit für ein bestimmtes Projekt.
 - Sie sind nicht auf die Gegenseite angewiesen und verfügen entweder über ausreichende unternehmensinterne Ressourcen für die Durchführung des Projektes oder über alternative Geschäftspartner:innen.
 
Wie geht man in Konfrontation?
Vielleicht gefällt Ihnen das Wort Konfrontation nicht, denn es erinnert an Streitgespräche. Dabei bedeutet es lediglich Auseinandersetzung. Es geht darum, den eigenen Standpunkt zu kennen und zu vertreten. Nicht zuletzt wollen Sie sich ja dafür einsetzen, dass Ihr Unternehmen auch weiterhin auf wirtschaftlich sicheren Füßen steht. Bewährt haben sich bei der Konfrontationsstrategie die folgenden Tipps:
- Recherchieren Sie, ob und aus welchen Gründen die Gegenseite darauf angewiesen ist, mit Ihnen zusammenzuarbeiten. Sollte Ihr:e Verhandlungspartner:in tatsächlich in einer schwächeren Position sein, können Sie diese Tatsache für sich nutzen.
 - Definieren Sie vorab die Ziele, die Sie in der Verhandlung durchsetzen wollen. Fordern Sie ruhig das Maximum ein.
 - Halten Sie diese Ziele vor der Gegenseite geheim.
 - Stellen Sie gleich zu Beginn starre Forderungen und lassen Sie nur einen kleinen Verhandlungsspielraum zu.
 - Argumentieren Sie damit, wer bereits alles mit Ihnen zusammenarbeitet und damit, dass Sie über viele alternative Optionen verfügen.
 - Verweisen Sie – wenn es schlüssig ist – auf die wirtschaftlich angespannte Situation und den damit einhergehenden Mangel an Möglichkeiten für Ihre Gegenseite.
 - Formulieren Sie während der Verhandlungen Ihre Forderungen knapp und präzise und lassen Sie diese erstmal im Raum stehen. Auf keinen Fall sollten Sie Ihre Forderungen, wenn sie wie zu erwarten auf wenig Gegenliebe stoßen, gleich aufweichen und teilweise zurücknehmen.
 
Wie kann man die Konfrontationsstrategie abwehren?
Natürlich gibt es auch den umgekehrten Fall: Ihre Gegenseite blockiert das Gespräch massiv und arbeitet vehement daran, ihre Forderungen durchzusetzen. Gerade dann, wenn Sie auf einen Verkaufsabschluss angewiesen sind, ist das keine gute Ausgangsposition. Dennoch sollten Sie nicht gleich das Handtuch werfen. Bleiben Sie ruhig und auf Augenhöhe. Bewährt haben sich die folgenden Tipps:
- Überlegen Sie sich vorab, auf welche Ihrer Ziele Sie notfalls verzichten können und auf welche nicht.
 - Wenn die Gegenseite Druck aufbaut, etwa in Bezug auf den Preis, sollten Sie keinesfalls emotional reagieren. Stellen Sie lieber konkrete Fragen, die sich auf die Zahlen beziehen.
 - Heben Sie hervor, warum die Gegenseite von einer Zusammenarbeit mit Ihnen profitieren würde.
 - Sollte sich ein Geschäft für Sie finanziell nicht lohnen, bleibt Ihnen natürlich die Option, davon Abstand zu nehmen.
 - Sie können auch die “Defensivstrategie” anwenden, wenn die Gegenseite sehr stark ist und Sie selbst dringend auf den Vertragsabschluss angewiesen sind. Hier gehen Sie auf die Forderungen der Gegenseite ein und begnügen sich mit einem für Sie ungünstigen Abschluss. Das Problem hierbei: Haben Sie einmal mit wenig abspeisen lassen, werden Sie daran in künftigen Verhandlungen gemessen.
 
Integrative Verhandlungsstrategien
Anders als bei konfrontativen Verhandlungsstrategien steht bei integrativen Verhandlungsstrategien nicht das Durchsetzen eigener Ziele im Vordergrund. Vielmehr geht es darum, einen gemeinsamen Gewinn zu definieren, von dem beide Seiten gleichermaßen profitieren. So soll eine Basis für eine dauerhafte Zusammenarbeit geschaffen werden. Dies kann immer dann gelingen, wenn die Interessen der Vertragsparteien miteinander kompatibel sind. Die andere Seite wird nicht als Gegner:in wahrgenommen, den oder die man besiegen will, sondern als Partner:in, den oder die man für sich gewinnen will.
Die wichtigste Voraussetzung, um mit der integrativen Verhandlungsstrategie Erfolg zu haben, ist die passende Einstellung der Beteiligten. Jede Seite muss gemeinsam mit der anderen Vertragsseite etwas erreichen wollen. Überlegen Sie, ob dies ein wirkliches Anliegen von Ihnen ist. Das “Sich-einlassen” auf eine:n Vertragspartner:in funktioniert nur dann, wenn auch Sie dazu bereit sind, auf diese:n einzugehen. Das ist in der Regel mühsamer, als nur an die eigenen Interessen zu denken.
Das Gemeinsame steht auch schon bei den Vorbereitungen auf die Verhandlung im Vordergrund. Hier werden nicht die eigenen Ziele, sondern die gemeinsamen Ziele definiert. Das funktioniert natürlich nur dann, wenn man die Ziele der Gegenseite auch kennt. Deshalb ist ein offener Austausch unabdingbar. Das hört sich einfach an – ist es aber nicht für jede:n.
Die folgenden Punkte können dabei helfen, sich optimal mit Vertragspartner:innen abzustimmen:
- Zuhören ist die wichtigste Voraussetzung. So erfahren Sie, wo die andere Seite steht und welche Vorstellungen sie hat.
 - Machen Sie sich Gedanken darüber, welche Ziele Sie selbst haben und was Ihr Minimalziel ist.
 - Erläutern Sie den anderen Ihre Ziele gehen Sie hier ruhig in Details. Schließlich soll die andere Seite verstehen, was Ihnen warum wichtig ist.
 - Erarbeiten Sie in einem gemeinsamen Gespräch die Berührungspunkte, die Sie miteinander haben.
 - Daraus lassen sich dann gemeinsame Ziele entwickeln.
 
Welche integrative Verhandlungsstrategie ist am bekanntesten?
Die bekannteste der integrativen Verhandlungsstrategien ist das “Harvard-Konzept”. Auch hier liegt – wie bei allen integrativen Verhandlungsstrategien – der Fokus auf den größten gegenseitigen Nutzen. Das dieser Strategie zugrundeliegende Prinzip “In der Sache hart, zum Menschen weich” ist mittlerweile weithin bekannt und geht auf die Tatsache ein, dass wir Menschen dazu neigen, Sachprobleme auf den zwischenmenschlichen Bereich zu übertragen. Auch in Verhandlungen passiert dies schnell und so fasst jemand vielleicht einen sachlichen gemeinten Vorschlag als Vorwurf auf – schnell kommt es dann zu einem Konkurrenzgerangel. Um dem zuvorzukommen, trennt das Harvard-Konzept die Sachebene von der zwischenmenschlichen Ebene. Alles Inhaltliche soll klar benannt werden, aber ohne die Verhandlungspartnerin oder den Verhandlungspartner zu kritisieren. Gleichzeitig ist gegenseitiges Zuhören wichtig, um die Vorstellungen und Wünsche des anderen zu kennen – immer mit dem Ziel, im Laufe des Gesprächs den größten beiderseitigen Nutzen herauszuarbeiten.
Welche Verhandlungsstrategie eignet sich wann?
Schon bei der Wahl der richtigen Verhandlungsstrategie sollten Sie strategisch vorgehen. Überlegen Sie sich, wie Ihre Ausgangssituation ist und was Sie mit der Verhandlung erreichen wollen. Hierbei können die folgenden Fragen hilfreich sein:
- Welches Ziel oder welche Ziele wollen Sie erreichen?
 - Welches Ziel oder welche Ziele müssen Sie erreichen?
 - Wo ist Ihnen die Gegenseite überlegen?
 - Wo ist Ihnen die Gegenseite unterlegen?
 - Gibt es gemeinsame Ziele?
 - Wie wichtig ist die Zusammenarbeit für Sie?
 
Nehmen Sie sich genügend Zeit, um die Fragen zu beantworten. Insbesondere die Fragen zur Gegenseite sind wichtig, um sich für die richtige Strategie zu entscheiden.
Fazit: Verhandlungsprofis bereiten sich vor
Wer gut vorbereitet in eine Verhandlung geht, sieht klarer. Was wollen wir erreichen? Wo gibt es Berührungspunkte mit der Gegenseite? Wer diese Punkte für sich geklärt hat, kann sich im Vorfeld leichter für die passende Verhandlungsstrategie entscheiden und tritt auch in der Verhandlung selbst überzeugender auf.
Allgemein kann man sagen, dass meist integrative Verhandlungsstrategien die beste Option sind. Der Grund: Die meisten Geschäftsbeziehungen sind längerfristig und hier sollte die Zusammenarbeit natürlich gut funktionieren. Auf konfrontative Strategien kann man am besten dann zurückgreifen, wenn man mächtiger ist als der Verhandlungspartner, und wenn es sich nur um eine kurzfristige Zusammenarbeit handelt – ganz einfach, weil diese Art der Konfrontation oft verbrannte Erde nach sich zieht.


