Die EU-Kommission will die Gebäuderichtlinien verschärfen – Durch eine Neufassung soll das Ziel eines klimaneutralen Gebäudesektors bis 2050 realisiert werden. Aber wer soll für die Sanierungskosten aufkommen? Und woher soll man die Fachkräfte nehmen?
Der Gebäudesektor schadet dem Klima neben der Energiewirtschaft, der Industrie und dem Verkehr am meisten. Für das Heizen und die Warmwasserversorgung wird noch immer überwiegend Energie aus fossilen Brennstoffen genutzt. Mehr als ein Drittel der Treibhausgasemissionen in Europa gehen auf Immobilien zurück. Bei der aktuellen Sanierungsrate ist die Klimaneutralität im Gebäudesektor bis 2050 ein unerreichbares Ziel. Deshalb macht sich die Kommission für eine Renovierungswelle stark: Mit dem Entwurf zu einer neuen Gebäuderichtlinie würden die Vorschriften zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden mit dem europäischen „Green Deal“ in Einklang gebracht und es würde konkretisiert, wie die Modernisierungswelle in Schwung kommen soll. Doch wie genau soll diese Richtlinie aussehen? Der Bund hat nun die ersten Entscheidungen zum energieeffizienten Heizen getroffen.
Mithilfe der Energieeffizienzrichtlinie (EnEff-RL) sollen Maßnahmen festgelegt werden, die den Klimawandel und die negativen Folgen der Energienutzung in der Baubranche eindämmen. Die Richtlinie beinhaltet Aspekte, wie die Modernisierung der Energieerzeugung oder auch eine Energieeinsparungsquote. Dadurch soll der Energieverbrauch reduziert werden und die Regierungen Strategien ausbauen, um die Energieeffizienz zu erhöhen. Die umstrittenste Maßnahme wäre die Einführung von „Minimum Energy Performance Standards“, kurz MEPs. Die Mitgliedsländer müssten bis 2035 energetische Mindeststandards definieren, die von den Gebäudeeigentümer:innen erfüllt werden müssen. Daraus würde dann resultieren, dass Eigentümer:innen von Gebäuden mit schlechter Ausstattung zur Sanierung verpflichtet werden. Auf diese Weise werden die besonders energieineffizienten Gebäude als erstes saniert, was der Tatsache Rechnung tragen würde, dass das energieineffizienteste Drittel der Gebäude in Deutschland für die Hälfte des CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Mithilfe der Richtlinie werden die Investitionen und die Zahl der Sanierungen erhöht und gleichzeitig das Klimaziel schneller erreicht.
Aktuell gibt es noch keinen unmittelbaren gesetzlichen Sanierungszwang in Deutschland, der für alle einheitlich gilt. Dennoch kann es unter bestimmten Voraussetzungen für einzelne Eigentümer:innen von Gebäuden zu einer Sanierungspflicht kommen. Beispielsweise müssen Gebäude, die keine allgemeine Sicherheit bieten, saniert werden, um die Verletzungsgefahr zu beseitigen. Das gilt auch für Häuser und Wohnungen, die über einen langen Zeitraum leer standen und nun anderweitig Verwendung finden sollen, oder solche, die in bestimmten Städten von besonderer Bedeutung sind, etwa aus Gründen des Denkmalschutzes. Darüber hinaus müssen auch die Dämmwerte von Hausdächern, besonders von Altbauten, auf ein bestimmtes Niveau fallen – andernfalls bedarf es einer Sanierung. Diese Anordnungen sind jedoch auf den Einzelfall individuell anzuwenden und können unter Umständen rechtlich abgewehrt werden.
Doch das soll sich nun ändern: Es wurde ein Plan für eine allgemeine Sanierungspflicht entwickelt. Je nach Art des Gebäudes müssen diese innerhalb einer gewissen Zeit auf ein bestimmtes Niveau gebracht werden. Um diese Niveaus zu definieren, sollen Energieeffizienzklassen verwendet werden. Solche Effizienzklassen existieren bereits in Großbritannien oder den Niederlanden. In Deutschland gilt dies derzeit nur für Waschmaschinen und Kühlschränke. Nun soll das Prinzip jedoch europaweit auch für Gebäude durchgesetzt werden. Die Effizienzklassen sind in den Energieeffizienzausweisen gegeben und reichen, in einer absteigenden Spanne, von A bis H. Hierbei soll die oberste Gebäudeklasse A für Nullemissionshäuser (“Plusenergiehäuser“) reserviert werden. Die weiteren Klassen werden schließlich so abgestuft, dass maximal 20 Prozent der Gebäude in eine Kategorie fallen. Derzeit plant man die Einführung eines neuen Gesetzes zur Erreichung der einzelnen Effizienzklassen. Demnach sollen voraussichtlich bis 2030 alle Wohngebäude mindestens die Effizienzklasse E und bis 2033 schließlich die Effizienzklasse D erreichen. Die Gebäudeinhaber:innen sollen, laut dem Plan, für jedes bestehende Gebäude, einen Renovierungspass erhalten, in dem schrittweise erläutert wird, wie das Gebäude dem Sanierungsziel bis 2050 näher kommt. Der Besitz eines solchen Passes ist verpflichtend und er enthält konkrete Hinweise, was saniert werden muss, um die Mindestanforderungen zu erfüllen und die jeweilige Effizienzklasse zu erreichen. Die Einstufung in die jeweiligen Klassen erfolgt jedoch nach und nach, um die Eigentümer:innen der Gebäude nicht zu überfordern. Für Mehrfamilienhäuser gelten außerdem strengere Regelungen. Das genaue Vorhaben lautet folgendermaßen:
Jahr | Öffentliche Gebäude und Nichtwohngebäude | Wohngebäude | Mehrfamilienhäuser |
---|---|---|---|
bis 2027 | Energieeffizienzklasse F | - | - |
bis 2030 | Energieeffizienzklasse E | Energieeffizienzklasse F | Energieeffizienzklasse E |
bis 2033 | - | Energieeffizienzklasse E | - |
bis 2035 | - | - | Energieeffizienzklasse D |
bis 2040 | - | - | Energieeffizienzklasse C |
Grundsätzlich kann die Effizienzklasse einer Immobilie durch energetische Sanierung verbessert werden. Dabei spielen insbesondere die Dämmung von Dächern, Fensternund der Fassadeoder die Nutzung der Heizungsanlage eine wichtige Rolle. In einigen Fällen können diese entweder optimiert oder alternativ ausgetauscht werden. Zusätzlich bietet sich die Möglichkeit, Photovoltaikanlagen oder Solarthermien zu installieren. Die Kosten dafür können durch verschiedene Förderungen gedeckt werden. So bietet beispielsweise die KfW mit der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG Wohngebäude) zinsgünstige Kredite für Sanierungen und Neubauten an. Die Höhe des Zuschusses hängt dabei von der angestrebten Effizienzklasse ab.
Mit der Sanierungspflicht würden verschiedene Aufgaben für die Eigentümer:innen von Gebäuden einhergehen. Diese sind übersichtlich im Gebäudeenergiegesetz (GEG) dargestellt:
Die Ziele, die mit der geplanten Sanierungspflicht verfolgt werden sollen, sind langfristig betrachtet förderlich für das Klimavorhaben. Durch Sanierungen kann Energie gespart werden, da durch gute Dämmungen das Heizvolumen reduziert wird. Das resultiert einerseits in niedrigeren Kosten und führt andererseits zu weniger Ausstoßen. Dadurch kann auf lange Sicht mehr Nutzen für die Umwelt generiert und die Energiearmut bekämpft werden.
Da die Mitgliedstaaten ganz unterschiedliche Systematiken zur Klassifizierung der Gebäude anwenden, wäre ein erster Schritt die Harmonisierung der Systeme. Die EU unterteilt Immobilien aktuell in sieben Effizienzklassen, von A bis G, wohingegen das Spektrum in Deutschland von A+ bis H reicht. Deswegen ist zurzeit nicht genau kalkulierbar, wie viele Gebäude in Deutschland instand gesetzt werden müssen. Fachleute schätzen allerdings, dass aufgrund des noch immer hohen Einsatzes fossiler Energien in Deutschland weitaus mehr Gebäude betroffen sein werden, als in den Niederlanden. Aktuell wird hierzulande fast die Hälfte der Heizungen mit Erdgas betrieben, in knapp einem Drittel wird sogar noch Öl verbrannt. Expert:innen nehmen an, dass etwa 35 Millionen von insgesamt 220 Millionen Gebäuden betroffen sein werden, das entspricht einem Anteil von rund 15 Prozent des jeweiligen Landes. Darunter fallen, laut Schätzungen der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz (Deneff), größtenteils Gebäude aus der Nachkriegszeit.
Die Maßnahmen zur Sanierungspflicht stehen aktuell noch einigen Kritiker:innen gegenüber, so auch dem Eigentümerverband Haus und Grund Deutschland. Er erwartet, dass die Umsetzung für 40 Millionen Gebäude europaweit, drei Millionen davon in Deutschland, das Aus bedeute, da eine entsprechende Sanierung technisch nicht umsetzbar und ein Ersatzbau zu teuer sei. Der Präsident des Verbandes ist der Meinung, dass die Maßnahmen nicht nur gut, sondern auch realisierbar sein sollten. Dabei lagen die anfänglichen Ziele der Brüsseler Kommission auf einem noch höheren Niveau. Ab 2027 sollten bereits alle Häuser die Effizienzklasse E erreichen, andernfalls stünden sie nicht mehr dem Verkauf zu. Doch die starke Kritik aus den Mitgliedsstaaten hatte dieses Vorhaben gekippt. Zudem sind die Kosten, die dabei entstehen, beachtlich. Laut einer Studie, die das Verbändebündnis Wohnungsbau in Auftrag gegeben hat, kommen auf Deutschland dann Kosten von bis zu 150 Milliarden Euro pro Jahr zu. Außerdem warnen Wohnungsbauverbände auch vor steigenden Mieten.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland hingegen begrüßt die Kommissionsvorschläge, da so endlich Tempo in die Bewältigung von Klimakrise und Energiearmut kommen würde. Auch der Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle erachtet eine solche Neuerung als wichtigen und überfälligen Schritt. Die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz sieht in der Maßnahme zudem eine Chance, die Bürger auf lange Sicht von steigenden Gas- und CO2-Preisen zu entlasten. Deswegen sei nun die Bundesregierung gefordert, sich im Europäischen Rat für eine schnelle und ambitionierte Umsetzung einzusetzen. Noch mehr Potential würde die Richtlinie jedoch haben, wenn sie auch eine nachhaltige Elektrifizierung und Digitalisierung berücksichtigen würde, kritisiert der Verband der Elektro- und Digitalindustrie ZVEI. Lösungen für digitales Planen und Bauen, wie das Building Information Modeling (BIM), die auch die Möglichkeit zum Einsparen großer Mengen CO2 bürgen, seien derzeit noch nicht ausreichend von der Kommission berücksichtigt worden.
Es müsste demnach eine Lösung gefunden werden, die beide Seiten der Kritiker:innen berücksichtigt. Die Gebäude können in keinem Fall auf dem aktuellen Stand gelassen werden, dennoch sind die Pläne des Bundes aktuell auch zu teuer. Das Verbändebündnis Wohnungsbau und die Gewerkschaft IG Bau werben für einen Mittelweg. Es müsse reichen, nach mittleren Standards zu sanieren, um wirtschaftliche Aspekte und Umweltschutz miteinander in Einklang zu bringen. Wenn man dann beim Heizen und beim Strom erneuerbare Energien verwendet, sei das ein guter Kompromiss.
Eine der größten Herausforderungen zur Umsetzung der Richtlinie wird jedoch die Verfügbarkeit von Fachkräften sein. Der große Mangel an ausgebildeten Arbeitskräften verursacht schon heute Wartezeiten von drei Monaten. Die Tatsache, dass viele Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, verschärft die Lage weiter. Dazu kommt der anhaltende Materialmangel, sei es bei Dämmplatten, Baustoffen oder Maschinenteilen.
Als Redakteurin bei ibau kümmert sich Lorena Lawniczak um die Erstellung von qualitativem Content für unsere Leser:innen. Sie beschäftigt sich speziell mit Themen zur Leadgenerierung und Sales und verfasst hilfreiche Ratgeber für Unternehmen. Neben diesen Themen setzt sie sich intensiv mit dem Vergaberecht auseinander und schreibt Glossarartikel zu Begriffen rund um Ausschreibungen und Vergaben. Durch ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre hat sie außerdem großes Interesse an digitalen Bereichen, wie dem Online-Marketing.