Bauen ohne Klimasünde – geht das?
Gebäude sind für rund 40 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Das liegt insbesondere an der Herstellung von Zement – aber auch Ziegel sind ein Problem.
Das Wichtigste zu Bauen ohne Klimasünde in Kürze
- Haupttreiber: Zement verursacht hohe CO₂-Emissionen (global ~8 %); auch Ziegel durch energieintensives Brennen problematisch
- Hebel 1 – Zement ersetzen/reduzieren: z. B. chemisch gebundener Sand, Ton-Beton (für nichttragende Wände), Recycling-Beton, CO₂-arme/-negative Zemente & Industrie-Nebenprodukte
- Hebel 2 – Ziegel optimieren: Carbonatfreie/mineralische Additive senken Emissionen beim Brand
- Lebenszyklus denken: „Graue Energie“ der Bauphase macht ~50 % aus – Sanierung oft klimafreundlicher als Neubau; sortenreines Rückbauen planen
- Materialien mit Pluspunkten: Holz, Lehm, Stroh – regional, gute Dämmung, teils CO₂-Speicher; Materialpässe & Standards sichern Qualität
- Holz & Lehm richtig einsetzen: Holzbau (ggf. Hybrid) für größere Gebäude; Lehm sorgt für Raumklima, braucht Feuchte-/Frostschutz und Normbeachtung (DIN 18945–47)
Bei der Verbrennung von Kalkstein zu Zement werden 8 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen freigesetzt. In der deutschen Industrie ist die Zementherstellung sogar für 11 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Aus diesem Grund wird vermehrt in die Forschung investiert, um mit innovativen Materialien und Baumethoden den CO2-Ausstoß beim Neubau zu reduzieren. Dabei stellt sich die Frage, ob Beton auch ohne Zement hergestellt werden kann.
Den Klimakiller Zement ersetzen
Zement wird verwendet, um Sand und Kies zu verbinden. Einer der zahlreichen Ansätze, diese Schwierigkeit zementfrei anzugehen, stammt von Forschern der University of Tokyo (Institute of Industrial Science). Sie haben Sandpartikel durch eine Reaktion in Alkohol mit einem Katalysator direkt miteinander verbunden. Dabei musste das richtige Verhältnis von Sand und Chemikalie gefunden werden, um ein Produkt mit ausreichender Festigkeit zu erhalten. Schließlich wurde ein Gemisch mit Quarzsand, Wüstensand und simuliertem Mondsand entdeckt, das sogar bessere Eigenschaften als herkömmlicher Beton hat.
Ein weiterer Ansatz ist die Betonherstellung mit Ton statt Zement. Dabei müssen jedoch Abstriche bei der Festigkeit gemacht werden. Für nichttragende Innenwände ist dieses Gemisch ausreichend, sodass der Zementverbrauch bereits signifikant reduziert werden könnte. Aktuell wird versucht, ob sich durch chemische Optimierung und Veränderung auch bei Beton mit Ton die Festigkeit von Beton mit Zement erreichen lässt. Durch die Forschungszulage wird die experimentelle Erforschung weiterer Verfahren zur alternativen Betonherstellung förderfähig.
Da ein Bauwesen ohne Zement für die Klimabilanz von Gebäuden zentral ist, wird sogar an Zementarten geforscht, die nicht nur CO2-neutral, sondern CO2-negativ sind. In der Schweiz wurde ein sogenannter Öko-Zement auf der Basis von Magnesiumsulfat entwickelt. Auch das Recycling von Festbeton oder Frischbeton kann einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Die Herstellung von Recycling-Beton ist bereits technisch möglich, allerdings sind zahlreiche Maßnahmen hinsichtlich der Schwind- und Kriecheigenschaften nötig, um die gleiche Konsistenz wie Beton zu erhalten. Auch Forschung in diesem Gebiet ist förderfähig, wenn das Ergebnis unsicher ist und der konkrete Ansatz erstmals erforscht wird. Ein weiterer Ansatz ist die Verwendung von anderen Industrieabfallprodukten zur Betonherstellung, etwa aus der Stahl- und Kohleindustrie. Allerdings muss bei der Forschung auch berücksichtigt werden, dass der Zement auch dafür verantwortlich ist, dass das Rosten des Stahls bei Stahlbeton verzögert wird. Andererseits besteht bei den innovativen Ansätzen die Möglichkeit, dass weitere negative Eigenschaften des Betons, etwa der geringe Wärmeschutz, ausgebessert werden.
Auch Ziegel sind fürs Klima ein Problem
Allerdings ist Beton nicht der einzige geläufige Baustoff, der durch eine besonders negative Ökobilanz auffällt. Ziegel werden bei etwa einem Drittel der Neubauten als Wandmaterial verwendet und bei der Produktion wird viel CO2 freigesetzt. So müssen Ziegelsteine aus Ton bei etwa 1000 Grad und Lehmziegel bei etwa 900 Grad gebrannt werden. Eine Senkung der CO2-Emission ist durch die Zugabe mineralischer Additive möglich, wie das Institut für Ziegelforschung (IZF) nachweisen könnte. Hintermauerziegeltone enthalten für gewöhnlich große Mengen an Carbonaten, die beim Brand CO2 freisetzen. Der teilweise Ersatz des Tons durch carbonatfreie Additive reduziert die Menge an Carbonaten und somit auch an CO2. Je weniger Carbonate also im Ton enthalten sind, desto besser für die Klimabilanz“, erklärt Alexander Knebel.
Energiebedarf im Lebenszyklus
Der Gebäudelebenszyklus beginnt mit der Errichtung und endet mit dem Abriss oder der Umnutzung. Der Bau hat dabei den höchsten Energieverbrauch. Die Bauphase fällt insbesondere aufgrund der grauen Energie so stark ins Gewicht. Das ist die unsichtbare Energie, die etwa bei der Herstellung von Bauteilen und Baustoffen wie Beton, beim Transport zur Baustelle und dem eigentlichen Bauprozess freigesetzt wird. Graue Energien sind notwendig, um ein Bauprojekt fertigzustellen und danach nutzen zu können. Allerdings macht sie etwa 50 Prozent des Energieverbrauchs im gesamten Gebäudelebenszyklus aus, obwohl die Errichtung nur einen Bruchteil der Lebensdauer ausmacht. In einem Gebäude wird Jahrzehnte gelebt, der Bau eines Mehrfamilienhauses dauert hingegen nur acht Monate und eines Hochhauses bis zu drei Jahre. Um die CO2-Bilanz von Gebäuden zu verbessern, ist somit die Reduzierung der grauen Energie essenziell. In der Regel ist deswegen die Sanierung eines Bestandsgebäudes umweltfreundlicher als der Neubau. Da Altbauten aber oft nicht oder nur eingeschränkt dem zukünftigen Raumnutzungskonzept angepasst werden können, sind Abriss und Neubau die gängigere Lösung. Im Laufe der Nutzungsdauer verschlechtert sich der Energieverbrauch kontinuierlich durch veraltete Fenster, zunehmende Mängel an der Gebäudehülle und Wartungsstau. Beim Abriss ist es wichtig, dass die Materialien mit überschaubarem Aufwand wieder genutzt werden können – verklebter Styropor ist dabei der größte Feind. Dieser lässt sich nämlich nur schwer entfernen, weil er fest auf dem Untergrund klebt. Nicht selten müssen andere Flächenverkleidungen wie Putz und Tapete zusammen mit dem Styropor entfernt werden.
Es gibt verschiedene innovative Ansätze, die es ermöglichen, ein Gebäude von Anfang bis Ende so energieeffizient wie möglich zu machen. Das beginnt mit der digitalen Baustelle und endet mit neuen Recyclingmethoden von Baustoffen. Aber auch andere Software, etwa zur Überwachung von Lieferketten, ermöglicht einen unweltfreundlicheren Lebenszyklus.
Welche nachhaltigen Baustoffe gibt es?
In den letzten Jahren kamen immer mehr nachhaltige Baustoffe hinzu. Holz, Lehm oder Stroh sind Alternativen, die langsam beliebter werden.
Holz | Stroh | Lehm | |
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Klimafreundliche Holzbauten als Bauweise der Zukunft
Da Ziegel und Beton bei der Herstellung viel CO2 verbrauchen, sind sie eine echte Gefahr für das Klima. Immer mehr Bauherr:innen setzen daher auf Holzbauten. Bei Ein- und Zweifamilienhäusern dominiert der Baustoff bereits. Auch beim Fertigteilbau kommt hauptsächlich Holz zum Einsatz. Anders sieht das laut dem Statistischen Bundesamt hingegen bei Mehrfamilien-Wohngebäuden aus. Einer der ältesten Baustoffe wird heute als Lösung für die Ökobilanz von Neubauten betrachtet. Als einziger Wandbaustoff ist er CO2-neutral, zudem ist er vergleichsweise leicht und hat eine gute Wärmedämmung. Allerdings ist Holz nicht gleich Holz. Holz ist nur dann nachhaltig, wenn der Rohstoff aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammt – idealerweise aus heimischen Wäldern. Dass Holz auch zum Bau von Hochhäusern geeignet ist, zeigen die ersten Holzhochhäuser in Bergen, Vancouver, Stockholm und Wien. Allerdings entsprechen diese häufig nicht den statischen Anforderungen und Sicherheitsbestimmungen, die für große Gebäude gelten. Hier sind Hybridgebäude ein guter Kompromiss. Sockel- und erstes Obergeschoss werden dabei massiv gebaut und darüber werden mit Holzfertigteilen die weiteren Stockwerke errichtet. Treppenhäuser und Fahrstuhlschächte sind aus Beton. Zudem werden Stahlträger zur Stabilisierung verwendet. Damit auch mit Holz immer höher gebaut werden kann, besteht die Möglichkeit, die Naturfaser leicht mit Metallen anzureichern. Bei einem Forschungsprojekt bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in Zürich wurden Eisenoxidpartikel in Zellen von Buchenholz eingelagert, damit die Buche besser mit Temperaturschwankungen umgeht. Daneben gibt es zahlreiche weitere Versuche, etwa mit Jod, um die Besiedlung von Mikroorganismen zu blockieren.
Lehm – ein wiederentdeckter Baustoff
Lehm ist der älteste natürliche Baustoff der Welt und hat eine jahrhundertealte Tradition – schon die chinesische Mauer wurde ursprünglich aus Stampflehm gebaut und erst später durch Natursteine verblendet. In den letzten Jahrzehnten wurde der Baustoff jedoch kaum für den Hausbau genutzt. Das ist schade, denn die Mischung aus Ton, Sand und gröberen Bestandteilen wie Kies oder Schotter zeichnet sich durch eine hervorragende Energiebilanz aus. Außerdem lässt sich Lehm vielfältig einsetzen und gestalten.
Wodurch punktet Lehm?
Lehm hat unter anderem in puncto Nachhaltigkeit unschlagbare Vorteile: Er ist beliebig wiederverwendbar, ressourcenschonend und an vielen Orten verfügbar. Darüber hinaus entfallen lange Transportwege, sodass der CO2 Ausstoß vergleichsweise gering ausfällt. Ein weiterer positiver Aspekt ist, dass sich Lehm auch ohne den Zusatz von chemischen Stoffen sehr gut verarbeiten lässt. Auch Energiekosten lassen sich durch Lehm einsparen, denn er verfügt über wärmespeichernde Eigenschaften. Die Bewohner:innen eines Lehmhauses müssen daher weniger heizen als Menschen, die in einem Betonhaus leben.
Übrigens: Lehmbauten sind diffusionsoffen, also offen für die Diffusion des Dampfes und haben daher ein besseres Raumklima als Betonbauten. Das heißt, sie nehmen die Feuchte zunächst auf und geben sie dann nach und nach wieder ab – und regulieren so wunderbar die Raumluft.
Was beim Bauen mit Lehm zu beachten ist
Keine Frage: Das Bauen mit Lehm bringt viele Vorteile mit sich. Dennoch ist auch dieser Baustoff kein Wunderbaustoff, sondern birgt auch ein paar Nachteile.
Das Volumen reduziert sich durch Verdunstung
Dies Problem betrifft Sie nur, wenn Sie Lehmmischungen selbst herstellen. Frisch verwendeter Lehm enthält immer eine gewisse Menge von Anmachwasser. Nach Fertigstellung des Baus verdunstet dieses nach und nach, wodurch Trocken- und Schwindrisse entstehen. Wenn Sie Lehm-Produkte verwenden, die in einem Werk hergestellt wurden, treten solche Risse in der Regel nicht auf. Die Hersteller:innen bieten eine optimale Mischung an, die nur so viel Wasser wie nötig enthält.
Lehm verträgt weder Regen noch Frost
Leider ist Lehm nicht wasserfest. Wenn eine Lehmwand über einen längeren Zeitraum andauernd feucht bleibt, ist sie nach einer Weile weniger fest und verwittert sogar nach und nach.
Lehm kann radioaktiv sein
Grundsätzlich können mineralische Baustoffe eine natürliche Radioaktivität aufweisen. Auch Lehm ist da keine Ausnahme. Zum Glück sind die in Deutschland verwendeten Sorten meist unauffällig. Es gibt eine eigene Lehmbaustoffnorm ( DIN 18945-47 ), an die sich Hersteller halten müssen.
Gemeinsam anders bauen
Sie sehen: Es mangelt nicht an Ideen, wie wir in Zukunft nachhaltiger bauen können. Doch dieser Einfallsreichtum bringt nur etwas, wenn er auch praktisch umgesetzt wird.


