Die Stadt der Zukunft: Wie wollen wir leben?

Wie sieht Städteplanung in Zeiten der Klimakrise aus? Wenn Wohnraummangel und Schutz von Grünflächen und Arten gegeneinander abgewogen oder kombiniert werden müssen.

Die Städteplanung der Zukunft © Eisenhans / stock.adobe.com

Die Zukunft findet „Stadt“: Immer mehr Menschen reizt das Stadtleben

Die Weltbevölkerung nimmt kontinuierlich zu. Im Jahr 2023 könnten wir laut der Berechnung der Vereinten Nationen bereits die acht-Milliarden-Marke knacken. Weltweit lebt rund die Hälfte aller Menschen derzeit in städtischen Siedlungen. In den fünfziger Jahren betrug dieser Wert noch etwa 30 Prozent. Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass bis 2050 etwa zwei Drittel der Weltbevölkerung in Städten leben wird. Zum einen, weil immer mehr Menschen vom Land in die Stadt übersiedeln. Zum anderen aber auch, weil ländliche Siedlungen oftmals über die Jahre zu Städten anwachsen. Das heißt, die meisten Menschen werden dann Städter sein.

Lebensraum Stadt: Was sind die Herausforderungen?

Laut der Prognosen sind Städte also der Lebensraum der Zukunft. Anlass genug, einmal einen genaueren Blick auf sie zu werfen. Hierbei muss man zwischen den Metropolen der Industrienationen und denen der Entwicklungsländer unterscheiden. In den Dritt- und Schwellenländern wachsen Städte derzeit im rasanten Tempo zu Millionenmetropolen. Das bringt natürlich die Herausforderung mit sich, eine effiziente Infrastruktur und Versorgung aufzubauen. Die Städte der westlichen Welt hingegen haben andere Schwerpunkte. Hier verläuft der Urbanisierungsprozess langsamer und es gibt daher nicht so einen starken Wachstumsdruck wie in den Entwicklungsländern. Daher können sich westliche Städte vermehrt auf ihre Verbesserung und Erneuerung von innen heraus konzentrieren. Die Industrie und das produzierende Gewerbe haben die Städte verlassen; die Industriegesellschaft wandelt sich zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft. Nach und nach besserte sich so die Lebensqualität in den Städten. Sie wurden grüner, gesünder und sauberer. Trotzdem: Es ist noch Luft nach oben.

Hitze, Starkregen und Überflutungen – der Klimawandel beeinflusst den Städtebau

Sowohl sommerliche Hitzeperioden als auch Starkregen werden in den nächsten Jahren weiter zunehmen, da sind sich die Klimaforscher:innen einig. Daher sollten bei der Planung von Städten schattige Plätze und Frischluftschneisen ebenso eingeplant werden wie Versickerungsmöglichkeiten für plötzliche Wassermassen.

Generell ist es in Städten immer etwas wärmer als in der Umgebung. Auf den trockenen Beton- und Asphaltflächen verdunstet weniger Wasser als auf Freiflächen; hinzu kommt die Abwärme von Fabriken und Haushalten. Die Gebäude und asphaltierten Flächen speichern tagsüber die Sonnenwärme und strahlen sie abends wieder ab. Dies führt dazu, dass die Stadt sich stärker aufheizt als das Umland.

Parkanlage einer Stadt © Mny Jhee/ stock.adobe.com

Machen Bäume den Unterschied?

Doch wie lässt sich das Stadtklima positiv beeinflussen? Nicht neu, aber effektiv ist die Idee, die Innenstädte zu begrünen und mehr Bäume zu pflanzen. Hier reicht allerdings nicht „irgendein“ Baum. Schlanke Bäume liefern nicht genügend Schatten. Besser ist da ein Baum mit Kronendach, wie etwa eine Platane. Auch bei der Frage, wo genau Bäume gepflanzt werden sollen, gibt es einiges zu bedenken. Wenn Bäume in Frischluftschneisen stehen oder wenn sie zu dicht gepflanzt sind, können sie sogar kontraproduktiv sein, so Monika Steinrücke, Stadtklimatologin an der Ruhr-Universität Bochum. Ein prominentes Beispiel ist der Central Park in New York, der gemeinhin als „grüne Lunge“ der Stadt gilt. Doch das täuscht, denn seine wohltuende Wirkung endet bereits hinter dem zweiten Straßenzug. Der Grund: Die Hochhäuser und die dichte Bebauung am Park blockieren den Luftaustausch.

Es gibt noch eine weitere Möglichkeit, die Städte abzukühlen. In Südeuropa haben die meisten Gebäude weiße Fassaden, weil sie das Sonnenlicht gut reflektieren und sich nicht so stark aufheizen. Da auch bei uns die Sommer immer heißer werden, könnten wir ebenfalls von hellen Fassaden profitieren.

Wie lässt sich viel Grün in die Stadt bringen?

Gut fürs Stadtklima sind bekanntermaßen auch innerstädtische Parks und Gärten. Diese dienen nicht nur der Erholung und dem Wohlbefinden ihrer Bewohner, sie verbessern auch die Luft und das Mikroklima. Pflanzen nehmen Stickoxide und Kohlendioxid aus ihrer Umgebung auf und geben Sauerstoff ab. Sie wirken wie Lufterfrischer und Filter zugleich. Eine wichtige Funktion in Städten, in denen die Luft mit schädlichen Gasen sowie Ruß und anderen Mikropartikeln belastet ist. Doch "Grüne Lungen" brauchen Platz, und der ist rar und teuer in den Großstädten dieser Welt. Nun verfolgen Stadtplaner:innen, Architekt:innen und Wissenschaftler:innen einen neuen Ansatz, um die Stadt grüner zu machen. Die Idee: Die Fassaden von Gebäuden zu bepflanzen. Das sieht schön aus, verbessert die Luft und sorgt gerade im Sommer für Erfrischung. Bei hohen Temperaturen verdunsten Pflanzen nämlich viel Wasser. Durch diesen Effekt kühlt sich die Luft ringsherum ab. Während nackte Steinfassaden die Hitze speichern, wirken begrünte Fassaden kühlend. Das gilt natürlich auch für Dächer. Während es unter einem konventionellen Dach rasch sehr warm werden kann, ist es unter einem Gründach bis zu 20 Grad kühler. Letzteres wirkt wärmeisolierend und kühlt somit zuverlässig in Sommermonaten, was in heißen Sommermonaten eine Wohltat ist.

Wie gießt man eine (bepflanzte) Wand?

Hitze geht in Europa mit Trockenheit einher, wodurch natürlich auch Pflanzen schneller vertrocknen. Doch Gießen funktioniert an Hausfassaden nicht. Diesem Problem hat sich das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (UMSICHT) angenommen. Gemeinsam mit Projektpartnern konzipierte es eine Test-Wand aus rinnenförmigen Kalksandsteinen, bestückte es mit unterschiedlichen heimischen Pflanzen und stattete das Ganze mit einem Netzwerk von Sensoren aus. Diese registrieren und speichern sowohl die Klimadaten aus der Wand als auch aus deren näherer Umgebung. So lässt sich der Kühleffekt des vertikalen Grüns gut bestimmen. Besonders bei Hitze gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Temperaturen in der Wand und den peripheren Messpunkten.

Ausgeklügelte Technik zur Bewässerung

Rund um die „Grüne Wand“ ist es bis zu vier Grad kühler als in der Umgebung. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Pflanzen ausreichend bewässert werden. Doch wie kommt an heißen, trockenen Tagen zu den Pflanzen? Bei der „Grünen Wand“ wurde das Bewässerungssystem in die Bausteine integriert. Hier sorgen die verbauten Steine selbst für einen ausgewogenen Wasserhaushalt, denn Kalksandstein nimmt schnell Wasser auf und gibt es auch schnell wieder in die Umgebung ab. Ein System aus Schläuchen befeuchtet die steinernen Rinnen, in denen die Pflanzen leben. Das Wasser wird von dem Kalkstandstein aufgenommen und gespeichert. Wenn nun das Substrat in den Rinnen austrocknet, gelangt durch eine Art Sog das Wasser aus den Steinen in das Substrat und schließlich in die Pflanzen. Dadurch kann die Pflanze optimal bewässert werden.

Wohlfühlklima schaffen

Auch wenn begrünte Fassaden nicht sämtliche Umwelt- und Klimaprobleme der Städte lösen können, können sie doch dazu beitragen, das urbane Leben deutlich lebenswerter zu machen. Ein paar Grad weniger in manchen Straßenzügen, frischere Luft und ein neuer Lebensraum für Insekten und Vögel – wird die Stadt grüner, fühlen sich ihre Bewohner wohler. Dazu tragen Pflanzen an Wänden ebenso bei wie Pflanzen am Boden.

Begrünte Dächer zur Wasserspeicherung © Miss Mafalda / stock.adobe.com

Das Wasser muss versickern können

Wer sich durch eine Stadt bewegt, läuft viel über Grau: Straßen, Plätze und Gehwege sind asphaltiert oder betoniert. Versiegelte Flächen sehen trist aus, und bringen allerlei Probleme mit sich. Laut dem Umweltbundesamt sind derzeit etwa 45 Prozent der Siedlungs- und Verkehrsfläche Deutschlands versiegelt, das heißt, dass der Boden luft- und wasserdicht abgedeckt wird – Tendenz steigend. Besonders problematisch ist es, wenn ganze Straßenzüge komplett oder zum großen Teil versiegelt sind. Es entsteht durch dichte Bebauung und zubetonierte Innenstädte nicht nur mehr Hitze in den Städten, darüber hinaus kommen die Kanalsysteme an ihr Limit. Auch für den Grundwasserspiegel ist die Versiegelung nachteilig: Wenn das Regenwasser schlechter abläuft, kann es das Grundwasser schlechter auffüllen.

Expertinnen und Experten fordern, die Flächen in Städten zu entsiegeln oder zumindest zu perforieren. Doch auch eine Etage tiefer kann etwas getan werden, um Problemen vorzubeugen. Es empfiehlt sich, die Kanalisationsinfrastruktur in Schmutzwasser und Brauchwasser zu trennen, aus einem einfachen Grund: Werden beide Abwasserarten über eine gemeinsame Leitung abgeleitet, kann es bei starken Regenfällen zu einem Rückstau in Kellern und auf Straßen kommen. Außerdem empfiehlt es sich, die Straßenquerschnitte so anzulegen, dass sie Regenwasser sammeln und abführen und es möglichst in Teichen oder Zisternen speichern. Auch begrünte Dächer sowie Fassaden sind hilfreich; hier bieten sich Häuser, Industrieanlagen oder Parkhäuser an.

Starkregen: Die Stadt als Schwamm

Starkregen tritt immer häufiger auf, so der Deutsche Wetterdienst. Im Juli 2021 führten im Westen Deutschlands starke Regenfälle dazu, dass einzelne Orte wie Schuld oder Bad Neuenahr-Ahrweiler in Rheinland-Pfalz überschwemmt und vom Hochwasser zerstört wurden. Auffallend oft sind jedoch nur einzelne Stadtviertel betroffen. Die Auswirkungen sind teils gravierend: Entwurzelte Bäume, überflutete Keller und Unterführungen, Unfälle durch hochgedrückte Gullideckel, Aquaplaning und abgedeckte Hausdächer. Siedlungen in Hang- und Tallagen sind davon noch stärker betroffen. Insgesamt kommt es durch Starkregen immer wieder zu großen Schäden an Gebäuden und Infrastruktur – eine Herausforderung auch für Versicherungen. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ließ untersuchen, wie stark deutsche Städte versiegelt sind. Spitzenreiter ist München. In der bayerischen Landeshauptstadt ist fast die Hälfte der Fläche bebaut, betoniert oder asphaltiert. Dies wird angesichts der immer häufiger werdenden Starkregenereignisse zum Problem. Je mehr Flächen bebaut sind, desto weniger Wasser kann im Boden versickern und desto mehr fließt oberflächlich ab. Eine Option, um mit starken Regenfällen umzugehen, sind begrünte Dächer oder Rückhaltebecken. Diese können Wassermassen zwischenspeichern, wodurch Überflutungen vermieden werden können.

Neues Wassermanagement

Genau dies beherzigen derzeit Leipzigs Stadtplaner in Zusammenarbeit mit Forschern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Auf dem Gelände eines ehemaligen Verladebahnhofs im Leipziger Stadtzentrum entsteht in den nächsten Jahren ein Stadtquartier für 3700 Menschen, ausgestattet mit einer "blau-grünen" Infrastruktur. Damit ist eine neue Form des Wassermanagements gemeint, die dezentral und naturnah gestaltet ist. Die Idee: Das gesamte Regenwasser bleibt im Quartier und wird dort für trockene Zeiten gespeichert. Auf diese Weise lassen sich Starkregenereignisse und Dürren gleichermaßen abmildern. Hierbei spielen Pflanzen eine große Rolle. In dem Stadtquartier soll es keine Gullys geben. Stattdessen wird das Wasser von den Straßen direkt von Baumrigolen aufgenommen. Unter den Bäumen befindet sich ein Untergrund aus Schotter, Kies und Bodensubstrat, in dem Niederschlagswasser gut versickern kann. Noch weiter unterhalb – unter den Wurzelballen der Bäume- sorgt eine Wanne aus Lehm dafür, dass dieses Wasser für Trockenzeiten zur Verfügung steht.

Wohnraummangel versus Umweltschutz

Doch die Städte der Zukunft müssen nicht nur Lösungen für die Folgen des Klimawandels entwickeln, sondern auch für den Wohnraummangel. Besonders in Ballungsgebieten sind erschwingliche Wohnungen knapp. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Zum einen zieht es immer mehr Menschen in die Städte. Gleichzeitig steigt die Zahl der Single-Haushalte an, weshalb mehr mittlere und kleinere Wohnungen benötigt werden. Viele bestehende Wohnungen sind aber mehr für die klassische Familie mit zwei Kindern ausgerichtet. Mit diesen Entwicklungen konnte der Neu- und Umbau von Wohnung nicht Schritt halten. Dies stellt Stadtplaner vor ein Dilemma: einerseits müssen zusätzliche Wohnungen gebaut werden. Andererseits sind Städte teils stark versiegelt und bräuchten mehr unversiegelte Fläche – als Naherholungsgebiet für die Menschen und um die negativen Folgen des Klimawandels abzufedern.

Ziel: Mensch und Natur in Einklang bringen

Deshalb gilt es in der heutigen Stadtplanung, die Interessen von Mensch und Natur miteinander in Einklang zu bringen. Der BUND tendiert in diesem Zielkonflikt in Richtung Flächenschutz – auch im Hinblick auf das Aussterben vieler Tierarten. Eine der Ursachen für das Artensterben ist nämlich die Tatsache, dass der Mensch so viel Fläche in Anspruch nimmt. Allein in Hessen werden täglich 2,5 Hektar Bodenfläche versiegelt. Mit dem Argument der Flächenschonung konnte zuletzt laut Angaben des BUND der Baustopp gegen ein Supermarkt-Logistikzentrum erwirkt werden und auch der Antrag auf Baustopp gegen eine Amazon-Logistikhalle wurde genehmigt.

Auf der anderen Seite wird die Wohnungsnot immer größer, und auch für Gewerbeflächen wird Platz benötigt. Hierfür wird mehr Baufläche benötigt, sagt beispielsweise die Frankfurter IHK. Ohnehin werde der größte Teil der grünen Flächen landwirtschaftlich genutzt, weshalb es keine Auswirkungen auf den Natur- und Artenschutz habe, wenn diese wegfielen. Der BUND ruft aber auch zum Schutz landwirtschaftlich genutzter Flächen auf und weist auf eine andere Möglichkeit hin, Wohnraum zu schaffen. So würde auch nach der Corona-Krise der Anteil an Menschen, die im Homeoffice arbeiten, hoch bleiben. Deshalb benötigen viele Unternehmen weniger Bürofläche, und diese freigewordenen Räume könnten in Wohnungen umgewandelt werden. Außerdem könne man nachverdichten, statt nur neue Bauflächen auszuschreiben, so der BUND.

Nachverdichtung – ein umstrittenes Thema

Nachverdichtung klingt erstmal gut, ist aber aus Sicht von Stadtplanerinnen und Stadtplanern im Hinblick auf das Stadtklima nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Zum einen müssen die kommenden heißen Sommer in der Stadt ertragbar bleiben. Das schafft man nur, wenn möglichst wenig versiegelt wird, mehr Grünflächen geschaffen werden und mehr in die Höhe als in die Breite gebaut wird. Hinzu kommt das Problem, dass es immer öfter starke Regenfälle gibt – und das Wasser muss ja irgendwo hin. Je mehr Flächen versiegelt sind, desto weniger Wasser kann versickern.

Kran im Einsatz beim Städtebau © Zhu Difeng / stock.adobe.com

Nachverdichtung – ein umstrittenes Thema

Der Stadtplaner Torsten Becker erklärt allerdings, dass die Verdichtung klimabedingt auch nicht uneingeschränkt zu empfehlen sei. Zum einen müssen die kommenden heißen Sommer in der Stadt ertragbar bleiben. "Da gilt es, so wenig wie möglich zu versiegeln, Grünflächen zu schaffen und mehr in die Höhe als in die Breite zu bauen." Und zum anderen wird mit mehr Starkregen gerechnet. "Auch hier sind versiegelte Flächen ein Nachteil, weil das Wasser versickern muss." Becker plant als Vorsitzender des Frankfurter Stadtbaurats auch die Günthersburgerhöfe im Frankfurter Norden. Für die Siedlung sollen unter anderem Kleingärten weichen, was starke Kritik – besonders der Grünen – geerntet hat. Doch Becker erklärt: "Wenn man die gesamte Region betrachtet, ist das schon der Standort, der sich am meisten für einen neuen Stadtteil eignet." So wäre er mit seiner Lage direkt an der A5 ideal an den Nahverkehr angeschlossen und auch die Reduzierung des Autoverkehrs ist eine wichtige Stellschraube in Sachen Klimaschutz. Zudem entstünde die Siedlung auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, die weniger wertvoll seien. Es werde bei den Günthersburghöfen darauf geachtet, wenig Tiefgaragen zu bauen, weil über diesen kaum wertvolle Grünflächen entstünden und das Wasser schlecht versickern könne. Auch solle der größte Teil der Wohnungen auf bereits versiegelten Flächen entstehen. Nicht zu vergessen sei zudem der soziale Aspekt, denn laut der Planungen sind rund 500 geförderte Wohnungen vorgesehen.

Wie können Städte nachhaltig wachsen?

Unsere Städte werden auch weiterhin wachsen (müssen), um dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum begegnen zu können. In Verbindung mit dem Klimawandel führt dies zu einem Zielkonflikt. Auf der einen Seite sollen Städte so kompakt wie möglich gebaut werden, damit durch den Verkehr und durch die Errichtung von Gebäuden wenig CO2 verursacht wird. Gleichzeitig soll nicht zu dicht gebaut werden, damit die Städte besser Hitze und Starkregen abfedern können. Gedanken darüber, wie unter diesen Umständen eine gelungene Stadtplanung aussehen kann, hat sich das Berliner Klimaforschungsinstitut gemacht. Sie sind der Frage nachgegangen, wie sich die Entwicklung von Ballungsräumen in Zeiten des Klimawandels nachhaltig gestalten lässt. Um diesen Zielkonflikt weitestgehend zu lösen, hat das Institut ein Modell des idealen Ballungsraumes entwickelt. Demnach soll die Siedlungsfläche am besten nicht kreis-, sondern sternförmig angelegt sein. Die Verkehrsachsen sollen auseinander laufen und in den Zwischenräumen sollte möglichst viel Grün sein. Dadurch schafft man klimafreundliche Mobilität und durch die kühlenden Grünanlagen ein besseres Stadtklima. Durch diese Verkehrsachsen können Städteplaner dafür sorgen, dass Grünflächen unversiegelt bleiben und dass viele Menschen entlang der Nahverkehrsachsen wohnen.

Die Erfindung der 15-Minuten-Stadt


Ein Konzept, das immer wieder diskutiert wird, ist die sogenannte 15-Minuten-Stadt. Es beschreibt eine Stadt, in der die Bewohner:innen alle täglichen Ziele in weniger als 15 Minuten erreichen können. Für manch gestresste Großstädter:innen ist es eine traumhafte Vorstellung, so rasch all das zu erreichen, was sie zum Leben brauchen und obendrein noch weitgehend Ruhe vor Autos zu heben und sich in Grünflächen erholen zu können. Dabei sollen sie sich selbst auf möglichst nachhaltige Weise durch die Stadt bewegen – eben zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem öffentlichen Nahverkehr. Das kann gelingen, wenn die Stationen des Alltags gleichmäßig über die gesamte Stadt verteilt sind. So kann jeder ohne das Auto nutzen zu müssen in einer Viertelstunde die Kita erreichen, zur Arbeit oder zum Arzt gelangen. Weltweit verfolgen immer mehr Städte dieses Ziel und passen ihre Städte dementsprechend an. Ein Beispiel ist Paris. Die französische Hauptstadt ist eine der dichtesten Städte der Welt. Besonders zu Stoßzeiten erstickt(e) die Stadt im Verkehr. Es waren einfach zu viele Autos auf den Straßen unterwegs. Dem sagte die amtierende Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, den Kampf an und präsentierte ihre Pläne für eine 15-Minuten-Stadt mit weniger Autos. Um das Konzept der 15-Minuten-Stadt zu verwirklichen, müssen Stadt-und Verkehrsplanung so ausgelegt werden, dass Lebensmittelgeschäfte und Ärzte, Erholungsräume und Fitnessstudios, Arbeitsplatz und Schulen in einem Radius von 3 bis 4 km mit dem Rad oder 1 bis 1,5 km zu Fuß um den jeweiligen Wohnort liegen. Die Stadtstrukturen – die heutzutage meist funktionsgetrennt und autogerecht sind – müssten also in eine nutzungsdurchmischte, kompakte Stadtstruktur umgewandelt werden, in der Wohnen und Arbeiten nahe beisammen sind und in der sich auch alle zentralen Versorgungselemente in der unmittelbaren Umgebung befinden. Jedes Stadtviertel würde demnach wie eine eigene kleine Stadt funktionieren.

Eine Gruppe Radfahrer unterwegs auf einer Straße © ARochau / stock.adobe.com

Platz da: Wenn das Fahrrad das Auto in der Stadt verdrängt

Ob die Menschen morgens ins Auto steigen oder lieber zur Arbeit radeln, darauf haben Stadtplaner einen Einfluss. Das zeigt sich besonders am Beispiel der Niederlande. Dort werden 57 Prozent aller Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt; in Deutschland sind nur 43 Prozent. Der Clou: Radwege und von Kraftfahrzeugen befahrene Wege sind baulich voneinander getrennt. Außerdem sind die Radwege breiter angelegt als bei uns, so dass Radfahrer:innen bequem nebeneinander fahren können und sich gegenseitig sicher überholen können. Die Radwege sind wie bei uns rot markiert somit gut erkennbar. Das entscheidendste Merkmal ist aber, dass die Radwege nicht vor Kreuzungen enden. Sie sind miteinander verbunden sind und ergeben so ein vollständiges Radwegenetz. Dies erhöht die Sicherheit von Radfahrern enorm und sorgt letztendlich dafür, dass Radfahren für alle sicher ist – egal ob sich eine Oma oder ein Schulkind aufs Rad schwingen möchte. Radfahrer:innen haben in den Niederlanden grundsätzlich Priorität. Das erkennt man auch anhand der Radschnellwege, die speziell für den Pendlerverkehr eingerichtet wurden. So können Pendler:innen ihr Ziel rasch und vor allem sicher erreichen.

Den Menschen die Straße zurückgeben

Wie eine autofreie Innenstadt gelingen kann, macht Oslo vor. Die norwegische Hauptstadt stellt konsequent den Menschen in den Vordergrund – zum Beispiel, indem sie den öffentlichen Verkehr stärkt und die öffentliche statt die private Nutzung des Raumes fördert. Die EU-Kommission verlieh ihr 2019 den Titel „Grüne Hauptstadt Europas“. Und das aus gutem Grund: Leihfahrräder und Elektroautos, grüne Dächer und Ruhebänke statt Parkplätze – Oslo macht vor, wie Umweltschutz und eine höhere Lebensqualität gelingen können. Die skandinavische Stadt punktete unter anderem durch Ideen, wie sich das klimaschädliche Treibhausgas CO2 reduzieren lässt. Ihr Weg: Elektromobilität anstelle von Benzinern und Dieselautos. Elektroautos werden seit Jahren massiv gefördert. Das Land hat gemessen an der Einwohnerzahl die Anzahl an E-Autos und ist somit zu einem Mekka für E-Autos geworden. In diesem Jahr lag der Anteil der neu angemeldeten Wagen bei über 54 Prozent. Dieser Trend lässt sich nicht nur sehen, sondern auch hören. Es ist nämlich deutlich leiser geworden.

Fazit

Letztlich müssen sich Städte und Kommunen in den nächsten Jahren ernsthaft mit den Themen Klimaschutz, bezahlbarer Wohnraum und auch Lebensqualität in Städten auseinandersetzen. Es gibt bereits viele gute einzelne Ideen, aber ein überzeugendes Gesamtkonzept fehlt bisher.

Abonnieren Sie jetzt den ibau Newsletter!

Ähnliche Artikel

19.03.2024 13:20 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Bisher galt ein Gebäude als umweltfreundlich, das der Umwelt möglichst wenig schadet. Doch dieses Denken könnte bald überholt sein. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip möchte mehr: Ein Haus soll nicht nur nicht schaden, sondern einen Mehrwert für die Umwelt bieten – un [...]
18.07.2023 12:17 | Hannah Simons Veröffentlicht in: Wissenswertes
Ja, der Baustoff Beton ist ein Universaltalent. Aber jede Medaille hat ihre Kehrseite. Beim Beton ist das vor allem der ökologische Fußabdruck. [...]
20.02.2023 13:43 | Lorena Lawniczak Veröffentlicht in: Wissenswertes
In einigen Bundesländern ist es schon jetzt Pflicht, bei Neubauten eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu installieren. Nun soll dies auch auf Bundesebene umgesetzt werden.   [...]
23.01.2023 14:18 | Lorena Lawniczak Veröffentlicht in: Wissenswertes
Der Gebäudesektor soll durch ökologische Baustoffe nachhaltig werden. Als Erdöl-freies Dämmmaterial findet Zellulose immer mehr Anklang. Doch hält es, was es verspricht? [...]
21.12.2022 17:13 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Auf deutschen Baustellen werden viele Rohstoffe verbaut, die von weither importiert wurden. In Zeiten instabiler Lieferketten wird der Ruf nach Alternativen immer lauter. [...]
18.11.2022 11:14 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Öl- und Gasheizungen verlieren immer mehr an Beliebtheit. Gerade in Neubauten werden umweltfreundliche Wärmepumpen bevorzugt. Doch in Altbauten sind sie nicht immer die beste Wahl. [...]
ibau Autorin Iris Jansen
Iris Jansen

Iris Jansen versorgt die Leser:innen gemeinsam mit ihren Kolleginnen die Rubrik „Wissenswertes“ mit neuen Inhalten: Was tut sich im Handwerk? Wie reagiert die Bauwirtschaft auf die aktuellen Herausforderungen? Themen rund um Holz und Beton mag sie gern und freut sich über gleichgesinnte Leser:innen, die mit ihr die Baustellen streifen wollen. Als ausgebildete Technische Redakteurin interessiert sie sich für die technischen und handwerklichen Details, behält dabei das große Ganze im Blick. Denn es gibt im Baubereich viele spannende Fragen, die beantwortet werden wollen – nicht zuletzt, um allen Bauinteressierten dabei zu helfen, den Überblick zu behalten.