Dämmen mit Zellulose

Der Gebäudesektor soll durch ökologische Baustoffe nachhaltig werden. Als Erdöl-freies Dämmmaterial findet Zellulose immer mehr Anklang. Doch hält es, was es verspricht?

Zellulose Dämmstoff © Halfpoint / stock.adobe.com

Heutzutage gehört Zellulose zu einer der meistgenutzten Verbindungen für Dämmstoffe: Aber was genau ist das eigentlich? Als Hauptbestandteil von pflanzlichen Zellwänden ist Zellulose die häufigste molekulare Verbindung der Erde, die Kohlenstoff in Verbindung mit Wasser enthält.
Zellulose kann sehr vielfältig verwendet werden. Sie ist der Grundstoff in der Papierindustrie und wird in der Bekleidungsindustrie zur Herstellung von Viskose genutzt. Demnach enthalten auch einige Stoffe der Bekleidungsindustrie, wie Baumwolle und Leinen, Zellulose. Zudem entstehen immer mehr Produkte aus Bio-Plastik, das zum Teil aus Zellulose besteht und aktuell wird an einem regenerativen Autotreibstoff aus Cellulose-Ethanol geforscht. Mittlerweile findet Zellulose auch in der Bauindustrie Anwendung – überwiegend als Dämmstoff.

Was ist Zellulose?

Die Zellwände von Pflanzen bestehen zu einem Großteil aus Zellulose, einem Vielfachzucker oder auch Polysaccharid, das aus einer Vielzahl von hochmolekularen Ketten besteht. Grundsätzlich verleiht es Pflanzen Stabilität und bildet reißfeste Fasern. In der Biologie gehört Zellulose zu dem am meisten vorkommenden Biomolekül. Es kann jedoch in vielen verschiedenen Bereichen angewendet werden, wie zum Beispiel bei der Dämmung.

Zellulose als Dämmstoff

Zellulose lässt sich als Dämmstoff vielseitig einsetzen, etwa bei der Dachdämmung, der Dämmung der obersten Geschossdecke sowie bei Fußböden und der Innenraumdämmung. Auch in Bereichen, die für andere Stoffe problematisch sind, besonders im Dachbereich, lässt sich Zellulose problemlos einsetzen. Zellulose-Dämmstoffe werden hauptsächlich in drei Formen genutzt: Als Matten, als Pellets und als Einblasdämmung. Dabei werden auf vielfältige Arten alte Zeitungen genutzt, die dann zur Herstellung neuer Materialien recycelt werden. Für die Matten zum Beispiel wird das zerkleinerte und getrocknete Altpapier mit Wasserdampf gepresst. Die Zellulose setzt bei dem Prozess stoffeigene Bindemittel frei, wodurch die Matten zusammengehalten werden können. Zellulose-Dämmplatten eignen sich für eine Zwischensparrendämmung und eine Innendämmung der Wand. Aus dem Papiermaterial lassen sich allerdings auch Flocken herstellen, die dann effektiv für die Einblasdämmung genutzt werden können. Dabei wird eine durchgängige und diffusionsoffene Dämmschicht ohne Fugen produziert. Die Dämm-Pellets werden zur Dämmung des Dachbodens oder des Fußbodens aufgeschüttet und mit Platten verkleidet. Wenn es um die Wärmedämmung geht, werden spezielle Methoden verwendet, um diese zu gewährleisten. Dabei wird Papier zu Flocken verarbeitet, indem man komplexere Zerreiß- und Mahlverfahren anwendet und weitere Zusätze hinzugibt.
Trotz der vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Zellulose stößt auch das Material auf seine Grenzen. Als Fassadendämmstoff kann Zellulose zum Beispiel nur bei Gebäuden mit Holzrahmenbau verwendet werden. Auch wenn es um die Kerndämmung geht, ist Zellulose ungeeignet, da der Stoff dabei mit Wasser in Verbindung kommt. Das Fazit ist somit, dass Zellulose nur in trockenen Bereichen genutzt werden kann.

Eigenschaften des Dämmstoffs:

Zellulose-Dämmstoff wird mithilfe von Altpapier hergestellt und ist somit sehr umweltfreundlich. Gleichzeitig trägt der Stoff dazu bei ineffiziente Energieverwendung zu vermeiden, indem es nur wenig Wärme nach außen dringen lässt und somit eine gute Wärmeleitfähigkeit aufweist. Von der Wärmedämmung geht es direkt über in die Lärmdämmung, denn Zellulose hat auch die Fähigkeit, Schall zu absorbieren, wodurch nur wenig Geräusche durchdringen können. Die Borsalze, die in dem Stoff enthalten sind, dienen neben der Reduktion der Brandgefahr, aber auch der Vermeidung von Schädlingen, wie Mäusen und Ratten.

Vor- und Nachteile im Vergleich

Vorteile

Nachteile

sehr gute Dämmeigenschaft: lässt sich dadurch definieren, wie viel Wärme durch den Dämmstoff nach außen dringt

limitierte Feuchtigkeitsbeständigkeit: nur in trockenen Bereichen geeignet

hoher Hitzeschutz durch gute Speicherkapazität

Einordnung in die Bauklasse B2, die als brennbar gilt

gute Resistenz gegenüber Schimmel und Ungeziefer, sorgt für gutes Raumklima

Entstehung von Feinstaub und Bröckeln der Matten erschwert den Einbau

vergleichsweise wenig Material zur Dämmung nötig

mechanische Belastungen können durch Zellulose kaum abgewehrt werden

verhältnismäßig niedrige Kosten und wenig Aufwand

Einblasdämmung nur mit Fachpersonal und Fachausstattung möglich

gute Schallisolierung bei Lärm

keine Entstehung von Verschnitt bei der Verwendung von Zellulose

niedriger Primärenergiebedarf

vielseitige Verwendungsmöglichkeiten

umweltfreundliche Herstellung

Die Nachhaltigkeit von Zellulose als Dämmstoff

Natürliche Dämmstoffe haben gerade einmal einen Marktanteil von etwa vier Prozent am deutschen Dämmstoffmarkt und das, obwohl deren ökologische Eigenschaften sich positiv von denen der herkömmlichen Dämmstoffe unterscheiden. Wenn sich für eine ökologische Variante entschieden wird, dann ist es meistens Zellulose, aber auch Hanf, Flachs und Holzfaser können genutzt werden. Ein relevantes Argument für Öko-Dämmstoffe ist der deutlich geringere Energieverbrauch in der Herstellung und die umweltfreundlicheren Verfahren. Beispielsweise kann altes Papier durch die Herstellung noch sinnvoll weiterverwendet werden und es entsteht deutlich weniger Abfall durch Verschnitt. Das erleichtert automatisch auch die Entsorgung. Die Energieeffizienz reicht sogar bis nach der Herstellung. Durch die gute Dämmeigenschaft von Naturdämmstoffen wird später weniger Energie zum Heizen oder Kühlen benötigt. Die Umweltfreundlichkeit wird auch durch den CO2-Verbrauch weiter gestärkt. Vergleicht man nämlich die CO2-Nutzung von herkömmlichen und ökologischen Dämmstoffen, erkennt man schnell, dass letztere deutlich bessere Werte haben. Dadurch, dass Zellulose Teil von pflanzlichen Zellwänden ist, kann hier CO2 gespeichert werden und wird auch in der späteren Verarbeitung nicht ausgestoßen, sondern gebunden. Trotzdem ist der Prozess nicht vollkommen CO2-neutral. Es kommt zu CO2-Ausstoß, wenn die Stoffe entsorgt, also verbrannt werden, der allerdings nicht die zuvor gebundene Menge an CO2 übertrifft. Bei der Herstellung von Naturdämmstoffen werden meistens herkömmliche Rohstoffe verwendet, wohingegen in den herkömmlichen Dämmstoffen oft Rohstoffe aus Erdöl eingebunden werden.
Auch wenn Zellulose alle Eigenschaften erfüllt und sich die Nutzung für Dämmstoffe lohnt, muss dabei beachtet werden, dass durch die Materialien (Papier/Holz) auch die Brandgefahr relativ hoch ist. Durch den Einsatz von mineralischen Additiven, wie bestimmte Salze, erhöht sich allerdings der Brandschutz.

Den richtigen Zellulosedämmstoff finden

Zellulose als Dämmstoff wird immer beliebter, was bei den guten Dämm- und Schallschutzeigenschaften nicht verwundert. Um sich sicher sein zu können, dass man sich für den richtigen Zellulose-Dämmstoff entscheidet, kann man auf verschiedene Siegel achten. Dämmstoffe und verschiedene Siegel werden stets vom Institut für Baubiologie Rosenheim und vom Institut Bauen und Umwelt geprüft. Mögliche Siegel können der Blaue Engel sein, der sich auf biozidfreien und umweltfreundlichen Stoffen befindet, oder das Natureplus-Siegel auf Dämmstoffen mit nachwachsenden Rohstoffen.

E-Book "Strategien, um trotz Materialknappheit weiterarbeiten zu können" herunterladen

Ähnliche Artikel

18.07.2023 12:17 | Hannah Simons Veröffentlicht in: Wissenswertes
Ja, der Baustoff Beton ist ein Universaltalent. Aber jede Medaille hat ihre Kehrseite. Beim Beton ist das vor allem der ökologische Fußabdruck. [...]
21.12.2022 17:13 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Auf deutschen Baustellen werden viele Rohstoffe verbaut, die von weither importiert wurden. In Zeiten instabiler Lieferketten wird der Ruf nach Alternativen immer lauter. [...]
28.10.2022 10:46 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Damit sich keine Moose und Algen bilden, tragen viele Biozide auf ihre Hauswände auf. Doch die Chemikalien werden nach und nach vom Regen abgewaschen. Wo landen sie, und welche Folgen hat das Ganze? [...]
19.03.2024 13:20 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Bisher galt ein Gebäude als umweltfreundlich, das der Umwelt möglichst wenig schadet. Doch dieses Denken könnte bald überholt sein. Das Cradle-to-Cradle-Prinzip möchte mehr: Ein Haus soll nicht nur nicht schaden, sondern einen Mehrwert für die Umwelt bieten – un [...]
21.04.2023 09:24 | Iris Jansen Veröffentlicht in: Wissenswertes
Die Baubranche und ihre Vorliebe für Beton schaden unserem Klima – das ist seit langem bekannt. Es ist an der Zeit, anders und klimafreundlicher zu bauen. [...]
24.03.2023 13:49 | Lorena Lawniczak Veröffentlicht in: Wissenswertes
Materialknappheit und steigende Preise dominieren die Bauwirtschaft in 2021. Wann wird die Politik angemessen reagieren? Und handelt es sich um eine langfristige Entwicklung? [...]
Lorena Lawniczak

Als Redakteurin bei ibau kümmert sich Lorena Lawniczak um die Erstellung von qualitativem Content für unsere Leser:innen. Sie beschäftigt sich speziell mit Themen zur Leadgenerierung und Sales und verfasst hilfreiche Ratgeber für Unternehmen. Neben diesen Themen setzt sie sich intensiv mit dem Vergaberecht auseinander und schreibt Glossarartikel zu Begriffen rund um Ausschreibungen und Vergaben. Durch ihr Studium der Betriebswirtschaftslehre hat sie außerdem großes Interesse an digitalen Bereichen, wie dem Online-Marketing.