Bedenkenanzeige am Bau

An so gut wie jedem Bauprojekt sind viele verschiedene Gewerke beteiligt, deren Arbeit jeweils aufeinander aufbaut. Dabei kommt es regelmäßig vor, dass ein Vorgewerk unsauber gearbeitet hat und die Arbeit der nachfolgenden Gewerke erschwert oder unmöglich macht.
Nehmen wir das Fliesenlegen als Beispiel: Gerade bei dieser Tätigkeit sind die Handwerker:innen auf eine sauber ausgeführte Vorarbeit angewiesen. Sobald der Estrich Unebenheiten aufweist oder noch feucht ist, ist es unmöglich, die Fliesen zu verlegen. In diesem Fall greift die Pflicht zur Bedenkenanzeige: Die Fliesenlegerin oder der Fliesenleger ist gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B dazu verpflichtet, den oder die Auftraggebende:n über den Fehler zu informieren.

Was ist die Bedenkenanzeige?

Bei einer Bedenkenanzeige nach VOB handelt es sich um eine schriftliche Mitteilung von Auftragnehmenden an Auftraggebende. Manchmal wird auch das Synonym "Bedenkenanmeldung" verwendet. Bei einer Bedenkenanzeige liegt ein Mangel vor, den der oder die Auftragnehmer:in auf der Baustelle entdeckt hat und der dazu führt, dass er oder sie die eigene Arbeit nicht ordnungsgemäß durchführen kann. Bei dem Mangel kann es sich um schlecht geleistete Vorarbeit handeln, oder auch um mangelhafte Baustoffe. Die Pflicht zur Bedenkenanzeige gilt während der ganzen Bauzeit, und wenn Pläne nachträglich geändert werden, müssen die Auftragnehmenden diese erneut prüfen.

Wann muss die Bedenkenanzeige gestellt werden?

Dabei können Handwerker:innen nicht selbst die Entscheidung treffen, ob sie den Mangel melden wollen. Sie sind vielmehr nach § 4 Abs. 3 VOB/B dazu verpflichtet. Bauherrinnen und Bauherren kennen sich nicht so gut aus wie Handwerker:innen und sind deshalb darauf angewiesen, dass die Handwerker:innen ihr Wissen mit ihnen teilen. Der Sinn einer Bedenkenanzeige ist es, die Bauherrinnen und Bauherren so gut zu informieren, dass sie darauf aufbauend eine fundierte Entscheidung treffen können.

Dabei ist es wichtig, den Mangel oder die Mängel unverzüglich zu melden. Ansonsten können die folgenden Probleme auftreten:

  • Schäden am Gebäude
  • Folgeschäden, die zu einem späteren Zeitpunkt auftreten
  • Unfälle auf der Baustelle
  • Es entstehen manchmal übermäßige Kosten, wenn ein Mangel nicht rechtzeitig behoben wird

Welche Arten von Bedenkenanzeigen gibt es?

Wenn die Vorgewerke Mängel verursachen

Da viele Gewerke auf die Arbeit der Vorgewerke aufbaut, ist der Erfolg auch davon abhängig, wie gut diese Vorarbeiten ausgeführt wurden. Wenn Fehler passiert sind und Auftragnehmende daraufhin ihre eigene Arbeit nicht ordnungsgemäß ausführen können, müssen sie dies der auftraggebenden Seite mitteilen. Auftragnehmende unterliegen diesbezüglich einer Hinweispflicht.

Bedenkenanzeige gegen die (geplante) Art der Ausführung

Jede:r Handwerker:in muss die eigene Arbeit auch in einem größeren Zusammenhang sehen. Gerade die Pläne für die Bauphasen, die das eigene Gewerk betreffen, sollten sie kennen. Es geht darum, einschätzen zu können, ob die Planung ein fehlerfreies Arbeiten möglich macht. Das setzt natürlich voraus, dass die Auftragnehmenden die Pläne der Architekt:innen inklusive aller nachträglichen Änderungen sowohl kennen als auch kritisch hinterfragen. Mögliche Bedenken können beispielsweise die Bereiche Elektrik, Dämmung oder Schallschutz betreffen und sollten unverzüglich gemeldet werden.

Bedenkenanzeige aufgrund von Materialfehlern

So gut wie immer haben Auftragnehmende gegenüber Auftraggebenden einen Wissensvorsprung. Sie kennen sich einfach besser mit den verwendeten Baustoffen und Materialien aus. Wichtig: Auftragnehmende sollten ihr Wissen nicht für sich behalten. Das gilt insbesondere bei Mängeln. Sie sind dazu verpflichtet, die Materialien auf Mängel zu untersuchen und die Auftraggebenden zu informieren, sollten welche vorliegen. Andernfalls haften sie für auftretende Schäden.

Welche Vorteile bieten Bedenkenanzeigen?

Letztendlich sind Bedenkenanzeigen für alle von Vorteil. Zugegeben: Zunächst einmal verzögern sie den Bauablauf. Doch auf lange Sicht können sie dazu führen, dass Folgeschäden vermieden werden, zusätzliche Kosten gespart werden und vielleicht sogar ein Unfall verhindert wird. Gerade für Bauherrinnen und Bauherren ergeben sich daraus Vorteile. Manchmal werden so schon in der Ausschreibungsphase Fehler erkannt und verhindert.

Auch für die Antragsteller:innen selbst ergeben sich Vorteile, denn sie unterliegen einer Gewährleistungspflicht. Wenn sie Mängel – seien es solche bezüglich des Materials oder wegen geleisteter Vorarbeiten – nicht melden und wenn diese ihre Arbeit beeinträchtigen oder sogar unmöglich machen, müssen sie dies den Auftragnehmenden unverzüglich melden.

Wie läuft eine Bedenkenanzeige nach VOB ab?

Sobald die Mitarbeitenden auf der Baustelle einen Fehler oder einen Mangel bemerken, der ein Unfallrisiko birgt oder zu Schäden am Gebäude führen kann, müssen sie die Auftraggebenden schriftlich darauf hinweisen. Meist reicht die Bauleitung diese an die Auftraggebenden weiter.

Umfang

Nun fragen sich viele, wie umfangreich die Pflicht zur Bedenkenanzeige ist. Wie genau müssen Handwerker:innen das Material und die Arbeit der Vorgewerke überprüfen? Das kommt immer auf den Einzelfall an und richtet sich auch danach, über welche Fachkenntnisse der oder die Auftragnehmer:in verfügt. Grundsätzlich muss nicht jedes Detail haarklein überprüft werden. Vielmehr stehen die gewerbeüblichen Aspekte und der eigene Fachbereich im Vordergrund. Ein:e Fliesenleger:in muss nicht die Elektrik überprüfen und haftet natürlich auch nicht für entsprechende Fehler. Aber er oder sie sollte es natürlich bemerken, wenn die Untergrundfläche uneben ist oder Schäden wie Risse oder Abplatzungen aufweist und dies der Bauleitung oder direkt den Auftraggebenden mitteilen.

Frist

Eine Frist im eigentlichen Sinne gibt es nicht. Wenn ein Fehler, ein Mangel oder ein drohender Mangel entdeckt wurde, muss dieser gemäß der VOB/B unverzüglich gemeldet werden. Im Idealfall passiert das, bevor mit der eigenen Arbeit begonnen wurde. Das hat den folgenden Hintergrund: Auftragnehmende haften gemäß § 13 Abs. 3 VOB/B für Folgeschäden, die dadurch entstehen, dass die ursprünglichen Schäden nicht gemeldet wurden. Sie haften auch für die Mängel, für die sie gar nicht verantwortlich sind. Dies wird so gehandhabt, weil man im Nachhinein oft nicht nachvollziehen kann, wer für die Mängel verantwortlich ist, wenn sie verspätet gemeldet werden.

Haftung

Wenn Auftragnehmende keine Bedenkenanzeige machen, obwohl sie von einem Mangel wussten, müssen sie für die daraus entstandenen Folgekosten und auch für Unfälle haften, die aufgrund dessen passiert sind. Darüber hinaus kann es auch sein, dass sie für die Kosten herangezogen werden, die durch eine Bauverzögerung entstanden sind.

Wenn die Bedenkenanzeige ignoriert wird

Die Auftragnehmerin oder der Auftragnehmer haben korrekt gehandelt und eine Bedenkenanzeige gemacht, nachdem sie einen Fehler entdeckt haben – doch die Reaktion bleibt aus. Die Auftraggeber:in oder der Auftraggeber äußert sich nicht dazu. Was passiert in diesem Fall? Hierbei kommt es immer darauf an, um was für eine Art von Mangel es sich handelt. Das entscheidet auch über das Ausmaß einer möglichen Haftung. Es wird zwischen den folgenden beiden Mängelarten unterschieden

  • Untergeordneter Mangel: Wenn der Mangel keine Gefahr für die Arbeiter:innen auf dem Bau darstellt, der oder die Auftragnehmende ihn korrekt angezeigt haben und dies auch belegen kann, befindet er oder sie sich auf der sicheren Seite. Die Arbeit kann getrost fortgeführt werden, ohne ein großes Haftungsrisiko einzugehen.
  • Mangel mit Unfallrisiko: Immer dann, wenn ein Mangel zu Unfällen führen kann, sollten Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer besser abwarten, anstatt weiterzuarbeiten. Tun sie dies nicht, droht ihnen ein hohes Haftungsrisiko. Die Mehrkosten, die durch die Bauverzögerung entstehen, können sie den Auftraggeber:innen in Rechnung stellen.

Was sollte eine Bedenkenanzeige beinhalten?

Eine Bedenkenanzeige gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B soll Bauherrinnen und Bauherren über einen Mangel so gut informieren, dass sie anschließend dazu in der Lage sind, eine fundierte Entscheidung zu treffen. Um das zu garantieren, muss die Bedenkenanzeige inhaltlich eindeutig und vollständig sein und die jeweiligen Mängel und Planungsfehler aufführen und erläutern. Es müssen auch die Folgen aufgezeigt werden, die drohen, wenn der Mangel nicht beseitigt wird.

Elementar ist, dass die Bedenkenanzeige gemäß § 4 Abs. 3 VOB/B die jeweiligen Mängel und Planungsfehler aufführt und erläutert. Darüber hinaus müssen aber noch weitere Informationen angegeben werden. Laut VOB/B muss die Bedenkenanzeige die folgenden Informationen enthalten:

  • das fristgerechte Datum
  • Name und Anschrift des Auftraggebenden (Bauherrin oder Bauherr)
  • Name und Anschrift des Auftragnehmenden (Bauleiterin oder Bauleiter)
  • Informationen zum Bauvorhaben
  • die Vertragsnummer des Bauvertrags
  • Datum der Beauftragung
  • Informationen, an wen die Bedenkenanmeldung gerichtet ist (an die Bauherrin oder den Bauherren selbst)
  • Informationen zur Örtlichkeit (Stockwerk, Raum etc.)
  • Schriftliche Gründe für die Bedenken gegen Güte/Ausführung/Vorarbeit (genau ausführen)
  • Etwaige Prognosen zu Folgeschäden
  • Bitte, die Bedenken innerhalb einer festgesetzten Frist zu überprüfen
  • Hinweis zum Wegfall der Gewährleistung/Haftungspflicht
  • Hinweis zur Verlängerung der Bauzeit
  • Unterschrift

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